Höchstwahrscheinlich gefälschtes Interview:Und ist es nicht wahr, so wenigstens gut erfunden

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Ein Ludwig II.-Kenner bescheinigt dem Urheber der mutmaßlichen Fake-News immerhin einige Plausibilität und gutes Geschichtswissen

Vermutlich Opfer königlich-bayerischer Fake-News: König Ludwig II., dessen Interview sich der US-Journalist Lew Vanderpoole wohl ausdachte. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

"Königlich-bayerische Fake-News" vom 21./22. Oktober:

Der Belgier Luc Roger belegt überzeugend, dass die Audienz des amerikanischen Journalisten Vanderpoole bei Ludwig II. im Jahr 1882, während der der König ihm sein Seelenleben entblößt, ein Schwindel war. Warum aber wurde Vanderpoole in Ludwig II.-Publikationen dann dennoch immer wieder zitiert? Der Grund liegt darin, dass alle Aussagen Ludwigs II., die Vanderpoole in seinem Bericht zitiert, durch etliche andere Zeugen bestätigt wurden, so etwa dessen Klagen über die gestörte Beziehung zu seinem Vater König Max II., oder sein Wissen, dass man ihn für wahnsinnig hält und seine Auffassung über Geisteskrankheiten. Vanderpooles Beitrag enthält also keine unglaubwürdigen, sensationellen Erkenntnisse, die nur von ihm so formuliert worden wären. Alles was der König in diesem Interview äußert, ist auch anderweitig mehrfach belegt.

Ebenso verhält es sich mit Vanderpooles erwähntem Interesse Ludwigs II. für den amerikanischen Schriftsteller E. A. Poe. Wie Luc Roger konstatiert, haben auch andere, so Gräfin Marie Louise Wallersee-Larisch und einer der Lieblingsschriftsteller des Königs, Carl von Heigel, über Ludwigs "Bewunderung für Poe" und sein Interesse für dessen Werke ebenfalls berichtet. In meinem Buch "Edgar Allan Poe und König Ludwig II. Anatomie einer Geistesfreundschaft", auf das Luc Roger verweist, erwähne ich (auf Seite 10), dass das Zusammentreffen zwischen dem König und Vanderpoole auch Ludwigs Kammerdiener Alfons Weber "registriert zu haben scheint". Er habe den Gast in eines der prächtigen Empfangszimmer der Residenz geführt. Dies teilte mir der Journalist und Dramatiker Wolfgang Christlieb (1912 bis 1988) mit, allerdings ohne die Quelle mitzuteilen, die ihm zur Verfügung stand und die es noch zu eruieren gilt.

Beim Blick auf Vanderpooles Bericht stellt sich jedoch die Frage: Wie konnte dieser Autor 1886, also kurz nach dem Tod des Königs, dessen Gedankenwelt, die erst in den folgenden Jahren und Jahrzehnten durch verschiedene Zeugen umfassend entschlüsselt wurde, als einer der ersten so überzeugend erfinden, dass sie sich mit späteren Informationen über das königliche Seelenleben derart kongenial deckt? Dies jedenfalls stellt eine geradezu unglaubliche Leistung Vanderpooles dar, mag es sich bei ihm, wie Luc Roger nachvollziehbar belegt, auch um einen Betrüger und Fälscher handeln. Es verwundert daher nicht, dass Vanderpooles Bericht von den meisten Ludwig II.-Biografen immer wieder als glaubhafte Quelle zitiert wurde und auch weiterhin ein faszinierendes Dokument darstellt. Alfons Schweiggert, München

© SZ vom 25.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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