Hochwasserschutz an der Donau:Wer Polder streicht, kündigt Solidarität auf

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Leser beurteilen den Verzicht der bayerischen Staatsregierung auf bereits beschlossene Rückhaltezonen als extrem schweren Fehler

"Wasser marsch!" vom 22. November und "Streit über Hochwasserschutz" vom 13. November über die umstrittene Rücknahme von Polder-Planungen an der Donau in Niederbayern:

Altwasser pflegen und nutzen

In den letzten Jahren war zu beobachten, dass sich die jährliche Niederschlagsmenge nicht mehr gleichmäßig über das Jahr verteilt, sondern die Niederschläge in weniger Perioden, dafür aber um so heftiger niederregnen. Damit kommt in kürzerer Zeit deutlich mehr Wasser vom Himmel als bislang und ergießt sich in größeren Mengen in die kanalisierten Flüsse. Die Gefahr von heftigen Hochwassern mit gewaltigen Schäden in den unfreiwillig gefluteten Gebieten wird durch den Klimawandel weiter zunehmen, wenn das Wasser keinen anderen Ausweg findet. Der Verzicht auf die zweifelsfrei notwendigen Polder ist unverantwortlich, wenn nicht anderweitig Räume für das drängende Wasser bereitgestellt werden.

Hier bieten sich entlang der Donau vor allem die zahlreichen Altwasser an, denn sie liegen nahe dem Fluss oder haben manchmal gar noch Anbindung an diesen. Hochwasser können schnell in diese Altwasser strömen und damit den Unterlauf des Flusses vorübergehend entlasten, wie es eben auch Polder sollten. Die meisten Altwässer befinden sich allerdings in verheerendem Zustand. Entweder sie wurden zugeschüttet oder sie sind stark verlandet. Gerade die Verlandung ist das größte Problem, überwiegend verursacht durch den Düngemitteleintrag aus der Landwirtschaft, der das Pflanzenwachstum und die Bildung von Biomasse beschleunigt.

Die Verlandung ist ein sich selbst bescheunigender Effekt, das heißt, je weiter der Prozess fortgeschritten ist, desto schneller geht er. Die Altwasser sind traditionell Laichgründe und vielfältiger Lebensraum für Pflanzen und Tiere, die durch die Verlandung unrettbar verloren gehen. Durch konsequentes Ausbaggern der Altwasser und ihrer Flussanbindung würden Hochwasserrisiken deutlich gemindert und Lebensräume erhalten, die von der Bevölkerung geschmähten Polder könnten kleiner ausfallen. Naturschutzgebiete würden in ihrer Vielfalt erhalten und Konflikte mit der Bevölkerung vermieden. Das Ganze wäre schneller und billiger zu haben als die Polder. Wieso wird dieser naheliegende Weg zu mehr Hochwasserschutz nicht erkannt und konsequent begangen? Moritz Kaltschmid, Gräfelfing

Aiwangers Fauxpas

Jetzt lese ich leider in der Presse, dass Herr Aiwanger den offenen Brief der Landräte aus Niederbayern gegen die Polder-Vereinbarungen der neuen bayerischen Regierung als "Fake News" bezeichnet. Ich finde das äußerst bedenklich. "Fake News" stammt aus dem Sprachgebrauch des amerikanischen Präsidenten, der damit alle Nachrichten, die sich gegen ihn richten, entwertet, egal welchen Wahrheitsgehalt sie haben. Diesen Begriff in die bayerische Politik einzubringen bedeutet, die Haltung dahinter hier ebenfalls einzubringen. Das halte ich für verheerend. Haben die Freien Wähler denn keine Argumente gegen die Landräte aus Niederbayern, die die Flutpolder-Regelung der neuen Regierung ablehnen? Ist ein Wirtschaftsminister mit einer Geisteshaltung eines Herrn Trump für Bayern überhaupt tragbar? Eine Entschuldigung für diesen Fauxpas wäre das Mindeste. Martin Mayer, Kallmünz

Schädliche Egoismen

Die neue Koalition Schwarz-Orange lässt aufhorchen. Sie will über ein Drittel der Poldergebiete entlang der Donau als Teil des bisherigen Hochwasserschutzkonzeptes opfern. Frei nach dem Motto: Nach mir die Sintflut! Warum soll gerade ich als Oberlieger zum Schutz der Unterlieger Flächen zum Auffangen künftiger Wassermassen anbieten? Die Poldergebiete sind Teil eines beschlossenen Gesamtkonzeptes. Hierbei verteilt sich die Last der Schutzmaßnahmen auf mehrere Schultern. Wenn einer entlastet wird, dann muss ein anderer dafür herhalten. Jetzt versprochene "schnellstmögliche" Ersatzmaßnahmen haben in meinen Augen noch viel zu viel Fragezeichen. Voraussetzung beim Verteilen der Lasten ist jedenfalls eine Solidargemeinschaft. Wurde ihre Bedeutung bisher überhaupt ausreichend verdeutlicht und auch begriffen? Offensichtlich nicht. Und warum nicht? Weil dies bisher nicht für notwendig gehalten wurde? Die gerade heute hochaktuelle Maxime "First - Ich!" gehört gestrichen. Die heutige Devise muss heißen: "Solidargemeinschaft"! Ich erinnere mich ungern an dieses beharrliche Ich-Denken in ähnlichen Situationen. Mit kräftiger Unterstützung von oben entstanden ganze Wohngebiete innerhalb festgesetzter Hochwasserschutzgebiete - die dann mit Hilfe von ganz, ganz Oben auch noch erweitert werden sollten. Und diese Hilfe kam - fast - immer. Stephan Hansen, Ergolding-Piflas

© SZ vom 11.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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