Hochhäuser:Einzigartig ist München nur ohne Riesenbolzen

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Markante Schönheit oder entbehrliches Streben nach oben? Die Pläne für zwei Türme an der alten Paketposthalle stoßen auf geteiltes Echo

" München kommt dem Himmel näher" vom 24. Juli, "Neue Dimension für München" vom 24. Juli, " Dichter denken" und " Städtebauliche Parasiten" vom 25. Juli:

München darf - aber will es auch?

Das Münchner Wohnungsproblem kann man mit Hochhäusern nicht lösen. Auch um "Urbanität" zu erzeugen, braucht man nicht zwingend Hochhäuser. Wenn jetzt also die Diskussion wieder von vorne beginnt, die mit dem Bürgerentscheid von 2004 abgeschlossen schien, geht es allein darum, ob einzelne markante Türme oder Ensembles von Türmen nicht doch, entgegen dem damaligen Bürgerwillen, ein Gewinn für das Bild der Stadt oder sogar ihr "Image" sein können. Bestimmt ist das so. Aber berührt ist eben auch der Kern des städtischen Selbstverständnisses. Möchte man weiter, wie seit dem Krieg fast immer, auf dem sicheren, harmoniebetonten Pfad bleiben, oder soll sich München zu einer etwas kontrastreicheren, "raueren" Metropole entwickeln dürfen? Eine symbolisch hoch aufgeladene Weichenstellung, gerade heute, da viele Leute schon mehr als genug Wandel zu erleben meinen. Man kann gespannt sein, ob der Stadtrat da mutig voranschreiten möchte oder doch lieber nicht. Legitim wäre beides. Axel Lehmann, München

Noch ein schicker toter Winkel

Ihr Artikel feiert zwei neue Hochhäuser neben der alten Paketposthalle. Wieder einmal geht es viel zu sehr um die Entwicklung der Höhe der Gebäude und Sichtachsen. Hoch innovativ sollen sie werden, die Hochhaustürme von Herzog & de Meuron. Doch was zeigen uns die beigefügten Zeichnungen? Eine Perspektive, wie sie die Münchner eigentlich gar nicht wahrnimmt. Zwei Hochhäuser aus Glas, die sich anscheinend im Himmel auflösen. Wer allerdings die deutsche Architekturgeschichte genauer anschaut, entdeckt große Ähnlichkeit zu den Entwürfen von Ludwig Mies van der Rohe aus den Jahren 1927 bis 1929. Technisch konnten diese Gebäude erst 50 Jahre später gebaut werden. Das war hoch innovativ und seiner Zeit voraus.

Es sollen nun im Westen zwei Solitäre entstehen, die in jeder Stadt an jedem beliebigen Standort überall stehen könnten. Nur weil die beiden Phallussymbole eine leichte Kurvatur haben in Anlehnung an die Paketposthalle sind sie weder hoch individuell noch attraktiv noch standort- oder gar stadtteilbezogen. Ein bisschen Suppengrün in die weißen Fußgängerpassagen, die in der Realität eine Stunde morgens und eine Stunde abends belebt sind und ansonsten bleich und gleißend unattraktiv tot und leer sind.

Bitte gehen Sie an einem Sommertag nach Riem an den Edinburgh-Platz oder in das gefeierte (an die Paketposthalle) angrenzende Neubauviertel an der Bahnlinie, dem Hirschgarten, selbst mit Sonnenbrille setzen Sie sich bei bestem Wetter gerne in ein Café hinein, weil es draußen blendet und eh nix zu sehen gibt. Die Anwohner finden ihre Eingänge nur anhand der Hausnummern. Modisches Einheitsweiß und Solitär-Hochhäuser ohne Bezug zu seinem relevanten Stadtkontext. Das ist Bauen, wie es die Betriebswirte der Immobilienfonds sich wünschen: hoch lukrativ, teuer zu vermieten und grauenhaft im Alltag. Leblose Schlafstätten, nett zum Repräsentieren. Diese Planer und ausführenden Architekten wohnen allerdings selber vorzugsweise in den Gründerzeithäusern der Stadtteile, die den Krieg überstanden haben.

Wer nicht modisches, sondern modernes und innovatives Bauen erleben will, muss nach Frankreich, England, Singapur sehen. Dort entstehen energetisch sich selbst versorgende Gebäude mit begrünten Fassaden, lebendig im Stadtraum, von hoher Aufenthaltsqualität, und - was besonders wichtig ist - einem Bezug zu den Nachbarquartieren. Hier ist wieder einmal ein schicker toter Winkel in München geplant, in dem sich vielleicht der Controller aus Frankfurt und Düsseldorf wohl fühlt, doch am liebsten seine Freizeit im Lehel an der Isar und in Haidhausen verbringt. Es gibt nichts hieran zu feiern. Nur weil etwas neu über plant wurde, stellt dies noch lange keine Chance einer Stadtentwicklung dar. Holger Busch, Bad Endorf

100 Meter reichen

Auf der Infoveranstaltung zu Hochausplänen des Investors Büschl rund um die Paketposthalle gab es erstaunlicherweise wenig Kritik an den geplanten überdimensionierten Hochhäusern. Unser legendärer Oberbürgermeister Georg Kronawitter hat 2004 die Münchnerinnen und Münchner überzeugt, dass eine Höhenbeschränkung auf 100 Meter sinnvoll und gewünscht ist. Dieselben Gründe wie damals gelten heute noch. München besitzt ein für Großstädte ungewöhnliches Alleinstellungsmerkmal: eine Silhouette ohne riesige Hochhäuser. Gigantische Hochhäuser gibt es überall auf der Welt, sie würden München nicht attraktiver machen. Die Planung der Büschl Gruppe für das Gesamtareal wäre auch mit nur 100 Meter hohen Hochhäusern zu realisieren. Uwe Großmann, München

© SZ vom 07.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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