HIV-positiv: Interview mit einer Betroffenen:"Von den Frauen, die damals da waren, bin ich die letzte"

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Immunschwäche Aids: Wie lebt man mit dieser Diagnose? Die Süddeutsche Zeitung sprach mit einer Betroffenen. Anna N. (Name geändert), 43, ist seit 1986 HIV-positiv.

Claudia Wessel

SZ: Ist es heute anders als früher, HIV-positiv zu sein?

Das Bild "Abends" von Anna N. (Foto: Foto: Haas)

Anna: Auf jeden Fall. Weil man sich heute mit ganz anderen Dingen auseinandersetzen muss. Mit den Nebenwirkungen eher als mit dem Tod. Auch damit, wie das ist, wenn man in Rente ist und vielleicht plötzlich rausgeschmissen wird. Ich bin seit 1996 erwerbsunfähig.

Alle zwei Jahre wird kontrolliert, ob das noch der Fall ist. Wie meine Werte sind, wie es mir gesundheitlich geht, was ich in letzter Zeit hatte, welche Tabletten ich nehme und so weiter. Da kann es immer sein, dass man aus der Rente rausgenommen wird und wieder Arbeit suchen müsste.

Früher hat man immer gedacht, man stirbt, oder man hat Leute um sich herum gehabt, die gestorben sind - bei mir zum Beispiel ist der Mann gestorben. Früher war eben das Thema Tod an erster Stelle. Jetzt muss man überlegen, wie man damit umgeht, wenn die Eltern zuerst gehen.

SZ: Inzwischen gibt es ja auch die Heilung innerhalb von zehn Jahren...

Anna: Ja, das hab ich auch gelesen, aber da bin ich sehr skeptisch. Für mich ist das sowas, naja, da wart ich ab.

SZ: Was ist die spezielle Situation HIV-positiver Frauen?

Anna: Das Spezielle ist natürlich, dass bei Frauen oft ein Kinderwunsch besteht. Das ist inzwischen zumindest bei den Ärzten, die sich auskennen, kein Problem mehr. Im Gegenteil, es wird sogar eher unterstützt, im Gegensatz zu früher, da wurde man als verantwortungslos dargestellt.

Was Frauen noch besonders betrifft, sind die Auswirkungen der Medikamente aufs Hormonsystem: Das wird offenbar ziemlich durcheinandergebracht. Dieser Aspekt ist jedoch noch nicht wissenschaftlich erforscht, weil es auch an Studien mit Frauen fehlt. Es ist immer noch so, dass die ganze HIV-Medikation im Prinzip auf Männer abgestimmt ist. Aber Frauen haben ja einen anderen Körper.

SZ: Was ist mit der Liebe als HIV-positive Frau?

Anna: Tja, das ist natürlich auch sehr unterschiedlich. Na klar, man sieht sich eingeschränkt, weil man immer angewiesen ist auf ein Kondom. Es hängt auch ganz viel davon ab, was für einen Partner man trifft.

Wenn man natürlich nur schlechte Erfahrungen macht und einer haut gleich ab, wenn er von der Krankheit hört...Es gibt aber auch Situationen, wo es nicht so ist. Ich lebe zum Beispiel wieder in einer Partnerschaft mit einem HIV-negativen Mann. Erstmal hab ich ein Problem gehabt, ihm das zu erzählen. Aber für ihn war es von Anfang an überhaupt kein Problem. Es gibt allerdings auch andere Beispiele.

SZ: Wann haben Sie es ihm gesagt?

Anna: Eigentlich relativ schnell, ich glaube innerhalb der ersten zwei Monate. Er hat allerdings gleich gemerkt, dass irgendwas ist. Das Gespür hat er gehabt und er hat nicht locker gelassen, dann hab ich es halt gesagt. Ich hab' gedacht: So, jetzt muss er gucken, entweder er bleibt oder nicht. Er ist geblieben - und das ist jetzt auch schon zehn Jahre her.

SZ: Wie lange sind Sie schon in der Gruppe HIV-positiver Frauen?

Anna: Ich bin in der Gruppe, seit es sie gibt, seit 1993. Von den Frauen, die damals da waren, bin ich die letzte. Ein paar sind umgezogen, ein paar sind gestorben. Jetzt kommen eben immer neue dazu.

SZ: Hat Ihr Malen mit Ihrer Krankheit zu tun?

Anna: Ich hätte wahrscheinlich nicht damit angefangen, wenn ich nicht von der Gruppe dazu ermutigt worden wäre, mir für dieses Talent mehr Zeit zu nehmen.

Die Gruppe HIV-positiver Frauen feiert ihr Sommerfest am Samstag von 18.30 Uhr im Café Regenbogen der Aidshilfe, Lindwurmstraße 71. Die Ausstellung läuft noch bis 10. August.

© SZ vom 12.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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