Hitzewelle:Sogar die Äpfel kriegen Sonnenbrand

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Ist es die Rache von Bruno? Wie der erschossene Bär heißt auch das Hochdruckgebiet, das derzeit die Deutschen zum Schwitzen bringt und die Münchner in die Biergärten treibt. Hochbetrieb herrscht in den Ambulanzen und beim Eisverkäufer.

D. Lantzberg, M. Köppl, B. Taffertshofer

Viele Münchner fühlen sich matt von der Hitze und abgespannt. Müdigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindelgefühle, Kreislaufprobleme - über solche Beschwerden klagen derzeit viele Patienten, berichtet Hans-Jörg Fischer, Leiter der internen Nothilfe im Krankenhaus Schwabing. "Wir haben ordentlich zu tun, die Ambulanz ist immer voll."

Hitzewelle
:Ist noch Leben irgendwo?

Temperaturen wie in der Wüste, Hitzewarnungen des Deutschen Wetterdienstes. Die Stadt ist wie ausgestorben. Wo sind die Menschen? Wo ist die Abkühlung? Ein Kontrollgang.

Florian Falterer

Der Oberarzt empfiehlt, sich wie in den Tropen zu verhalten: "Die Mittagshitze meiden", auch wenn die Sonne lockt. Selbst im Schatten solle man die Sonnencreme auftragen. "Tragen Sie leichte Kleidung und Sonnenhüte, um einen Wärmestau zu verhindern", rät der Mediziner. Sport und sonstige körperlichen Anstrengungen solle man auf Morgen oder Abend verlegen - nicht nur wegen der Hitze, sondern auch wegen der Ozonwerte.

Wenig Opfer der Hitze, dafür viel Schnittverletzungen

"Viel trinken, besonders Mineralwasser", lautet Fischers wichtigster Rat, der viel zu selten beherzigt werde. "Zwei bis drei Liter sind das Minimum." Bei schwüler Hitze, wie sie für das Wochenende vorausgesagt wird, noch mehr. Angesagt sind derzeit auch leichte mediterrane Mahlzeiten und immer wieder salzhaltige Kost: Ab und zu eine Breze oder Salzstangen schaden nicht, meint Fischer.

Geschwächte ältere Menschen, chronisch Kranke und Kleinkinder sind zwangsläufig besonders gefährdet, wenn die Hitze auf die Stadt drückt. Doch offenbar verhalten sich die meisten Münchner bislang vernünftig. Das jedenfalls meldet die Münchner Rettungsleitstelle, die bis Donnerstag kaum mehr Einsätze als sonst verzeichnete.

Auch beim MKT-Rettungsdienst mussten die Sanitäter bisher nur etwa zehn mal täglich Hitzeopfer versorgen. "Allerdings gibt es derzeit viele Schnittverletzungen", sagt Sprecher Andreas Lehner - bei Leuten, die barfuß gehen und sich an Scherben oder Steinen verletzen.

Ins Schwitzen kommen derzeit die Eisverkäufer. 500 Liter Eis pro Tag verkauft momentan alleine "Sarcletti" am Rotkreuzplatz. Das sind zehn Prozent mehr als sonst im Sommer. Und weil die Menschen bei 36 Grad offenbar ungern aus dem Haus gehen, lassen sie sich das Eis in diesem Sommer am liebsten anliefern. In Styropor-Boxen kühl verpackt, gehen derzeit bis zu 20 Kilo schwere Eislieferungen an Münchner Unternehmen - Eis zur Mittagspause, Eis zum Nachmittagskaffee, Eis zum Geschäftsmeeting.

Gärtner kommen mit dem Gießen nicht nach

Bei Rudolf Rieder vom Gartenbauamt laufen momentan die Drähte heiß. Mehr als 8000 Schrebergärtner betreut er mit Rat und Tat. Verwundert sind die Anrufer, wenn der Stadtgärtner Sonnenbrand an Apfel oder Zwiebel diagnostiziert. "Das gab es nicht mal im Rekordsommer 2003 in den Ausmaßen", erinnert sich Rieder. Die Hitze treffe sogar Erdbeeren, die das Sonnenlicht gewöhnlich schätzen, erklärt der Stadtgärtner. Selbst alte Stadtbäume lassen angesichts der drückenden Schwüle ihre Äste hängen und verlieren sogar Blätter.

Mehr als 800 000 Bäume gibt es in der Stadt. "Aber jeden einzelnen ausreichend zu gießen, das können wir zeitlich und technisch einfach nicht leisten", gesteht Michael Brunner vom Gartenbauamt. Das geht nur bei jungen, noch unverwurzelten Bäume und Sträuchern. Und die gut 1000 Hektar Grünflächen? Auch hier gibt es Engpässe: "Die strapazierfähigsten Rasenflächen trocknen aus, nur die städtischen Sportplätze können noch bewässert werden." Hobbygärtnern rät Brunner, ihren Rasen alle zwei bis drei Tage, entweder morgens oder am frühen Abend zu gießen, dafür aber kräftig.

Der ADAC verzeichnet lediglich eine leichte Zunahme der Autopannen. Bei einem gut gewarteten Auto sollte es keine Probleme geben, sagt Maximilian Maurer vom ADAC München. Sollte das Kühlwasser kochen: Auf keinen Fall den Kühlmittelbehälter öffnen! Der Dampf steht unter Hochdruck und kann schwere Verbrennungen verursachen.

Belastung der Gewässer nimmt zu

Die Seen im Münchner Umland sind - wie schon 2003 - allesamt noch badetauglich. Die Belastung der Gewässer nehme allerdings vor allem durch die immer größere Zahl an Badegästen zu, so Hubert Maiwald vom Umweltreferat. Die Wassertemperaturen, derzeit um die 22 Grad, böten Bakterien hingegen noch keine Bedingungen zur Vermehrung.

Die Besucher der Seen werden vor allem gebeten, keine Wasservögel zu füttern und ihren Hund zu Hause zu lassen. Schon ein wenig mitgenommene Seen seien an einem Ölfilm auf der Wasseroberfläche zu erkennen - sie stammt von der Sonnenmilch der Badegäste, sagt Maiwald, betont aber: "Es soll niemandem der Badespaß vermiest werden, die Seen sind derzeit völlig unbedenklich."

Keine Probleme gibt es auch bei der Münchner Wasserversorgung: Die Stadt kann ihr Trinkwasser aus drei verschiedenen Quellen beziehen, keine von denen ist derzeit gefährdet. Durch den schneereichen Winter sind alle Wasserspeicher gut gefüllt, obwohl der momentane Verbrauch bei 7000 Litern pro Sekunde liegt - nur 200 Liter/Sekunde weniger als im Rekordsommer vor drei Jahren.

© SZ vom 21.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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