Hirsi Ali in München:"Ich werde niemals aufhören"

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Ayaan Hirsi Ali, die als niederländische Politikerin von Islamisten verfolgt wurde, spricht in München über ihre Suche nach Glück und erklärt, wie man Kinder davor schützen kann, radikale Muslime zu werden.

Was treibt diese Frau an? Ayaan Hirsi Ali hat den Kampf für Demokratie und Freiheit beinahe mit dem Leben bezahlt, sie musste unter ständigem Polizeischutz an unbekannten Orten in den Niederlanden leben, der Bruch mit ihrem Vater hat ihr großen Kummer bereitet. Man könnte meinen, dass ihr Kampf sie alles gekostet hat. Aber Hirsi Ali sitzt entspannt auf dem Podium im Jüdischen Gemeindezentrum, sie lächelt. Es gelingt ihr leicht, ihre Motivation in Worte zu fassen. Antrieb geben ihr zwei Dinge, sagt sie: Zum einen die Suche nach Glück - für sich persönlich und die Menschen um sie herum. Zweitens die feste Überzeugung, dass es möglich ist, Menschen, "deren Denken im Fundamentalismus gefangen ist", zur Umkehr zu bewegen.

Ayaan Hirsi Ali in München: "Der erste Schritt, um Neuankömmlinge zu integrieren, ist Bildung." (Foto: Foto: Pfauth)

Ayaan Hirsi Ali ist nach München gekommen, um im Jüdischen Gemeindezentrum aus ihrem Buch vorzulesen, "Adan und Eva. Eine Begegnung mit dem Islam". Es ist ein Kinderbuch, aber es ist nicht harmlos. Nichts, was Hirsi Ali tut oder sagt, ist harmlos.

In Lebensgefahr

Bekannt wurde die heute 39-Jährige durch ihre scharfe Kritik an der islamischen Kultur. Sie selbst wurde streng muslimisch erzogen - und bezeichnet sich heute als Atheistin. Hirsi Ali, die aus Somalia stammt, zog Anfang 2003 als Abgeordnete ins holländische Parlament ein. Der Ton ihrer öffentlichen Äußerungen war immer provokant. 2004 drehte sie zusammen mit dem Regisseur Theo van Gogh den Kurzfilm "Submission", "Unterwerfung".

Thema war die Unterdrückung muslimischer Frauen. Die Bilder nackter Musliminnen, deren symbolisch verhüllte Körper mit Koranzitaten bemalt waren, riefen Entsetzen und Wut bei muslimischen Einwanderern hervor. Van Gogh bezahlte seinen Film mit dem Leben: Er wurde von einem islamistischen Fanatiker erstochen. An dem Messer in seiner Brust hing eine Morddrohung an Ayaan Hirsi Ali, die das Drehbuch zu dem Film geschrieben hatte.

Monatelang wurde Hirsi daraufhin versteckt, um ihr Leben zu schützen. Sie kehrte zwar noch zweimal in die Niederlande zurück, um ihre politische Arbeit wieder aufzunehmen. Auch in den Niederlanden lebte sie unter ständigem Polizeischutz an unbekannten Orten. Heute wohnt Hirsi Ali in den USA und arbeitet für einen Think Tank.

Auch in München sind an diesem Abend zahlreiche Sicherheitsleute anwesend. Denn Hirsi Ali hat sich nicht einschüchtern lassen von den Gewaltdrohungen, sie sagt immer noch öffentlich, was sie denkt.

Kindergeschichte mit ernstem Hintergrund

Ihr Buch handelt von einem muslimischen Einwandererjungen, der mit seiner Familie in einer heruntergekommenen Vorstadtsiedlung Amsterdams wohnt. Adan besucht ein angesehenes Gymnasium in der Innenstadt, er ist Teil eines staatlichen Förderprogramms für Kinder mit Migrationshintergrund. Doch dort ist er ein Fremdkörper. Genau wie Eva, ein reiches, dickes, jüdisches Mädchen. Die beiden freunden sich an und lernen die Welt des anderen kennen, bauen Vorurteile ab - und sie handeln sich jede Menge Ärger ein.

In diese Geschichte einer Kinderfreundschaft hat Ali Hirsi ihre ganze politische Botschaft hineingelegt. Und sie hat schwarz-weiße Bilder der niederländischen Gesellschaft entworfen: Adans Schwestern sollen zwangsverheiratet werden, der Imam schlägt mit Stöcken auf die Kinder ein, die Mutter wird vom Vater verdroschen. Aber es ist eben auch Hirsi Alis eigene Vergangenheit, die in diesem Buch steckt: Sie selbst sollte als junge Frau verheiratet werden mit einem somalischstämmigen Kanadier - ihr Vater hatte ihn ausgesucht.

Hirsi Ali floh nach Holland, erfand eine Geschichte, um dort Asyl zu bekommen, sie ging putzen und studierte später Politik und Philosophie. Erst an der Universität, sagt sie, erfuhr sie davon, dass es einen Holocaust gegeben hat. "Ich wurde einer neuen Welt ausgesetzt", sagt sie über die erste Zeit in den Niederlanden. Sie lernte die Freiheit schätzen und lieben - und nun ist es ihre Mission, anderen diese Freiheit nahe zu bringen.

Kampf für die Demokratie

Sie verlange nicht, dass muslimische Einwanderer ihre Kleidung dem westlichen Stil anpassten. Sie fordert aber von den muslimischen Communities, eigene Haltungen aufzugeben und sich den westlichen Werten zu öffnen: Demokratie, Toleranz, Gleichberechtigung der Frau. Und dass diese Werte in die Tat umgesetzt werden: Dass Mädchen nicht länger von der Schule ferngehalten und gegen ihren Willen verheiratet werden. Dass Frauen nicht mehr unterdrückt werden. "Ich werde niemals aufhören, auf diesem Punkt herumzureiten."

"Die islamistische Theologie ist ein Integrations-Hindernis", viele Muslime würden der Demokratie feindselig gegenüber stehen. Demokratie-Befürworter, findet Hirsi Ali, kämpfen nicht leidenschaftlich genug mit den Radikalen.

Aber wie kämpfen? "Ideen formen die Welt, und es gibt eben gutes Gedankengut, mittelmäßiges und schlechtes", sagt Hirsi Ali. Ihre Lösung klingt einfach: "Der erste Schritt, um Neuankömmlinge zu integrieren, ist Bildung." Die Konsequenz: "Öffnet gute Schulen für Kinder mit Migrationshintergrund." So wie sie selbst sollen die Kleinen mit einer Kultur in Kontakt kommen, die ihnen Demokratie und Toleranz vorlebt und erklärt. "Ich selbst habe dadurch angefangen, die Freiheit zu schätzen. Ich habe angefangen, daran zu glauben."

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