Hinter die Bauzäune:Im Promi-Tunnel auf die Wiesn

Lesezeit: 3 min

Wenn das Oktoberfest aufgebaut wird, ist das Gelände komplett eingezäunt. Für Neugierige gibt es eigene Baustellenführungen, bei denen sie viel Neues und Unbekanntes erfahren können

Von Claudia Wessel

Das fängt doch schon mal gut an. Auf den Spuren von Ministerpräsident Horst Seehofer betreten wir das Oktoberfestgelände. Durch einen "unbekannten Eingang", wie Andre Listing, Veranstaltungsleiter des Oktoberfests, sagt, nämlich durch den Tunnel, der von der Theresienhöhe zum Behördenhof führt. "Hier müssen auch hochrangige Politiker rund 100 Meter laufen", erklärt Listing, "bis sie im Schottenhamel zum Ozapfn sind." Genau dieser Tunneleingang ist auch an diesem Freitagnachmittag Treffpunkt zur Baustellenführung über die Wiesn. Eine Neuheit im Angebot der Festleitung. Die Notwendigkeit dazu hat sie quasi selbst geschaffen, indem sie die Wiesn während des Aufbaus von Mitte Juli bis zum Start im September seit zwei Jahren komplett einzäunt. "Toi toi toi", sagt Listing später im Servicezentrum und klopft auf den Holztisch, "dass nie ein Unfall mit Besuchern auf dem Gelände passiert ist." Die Gefahr aber sei immer da gewesen. "Oft genug habe ich Mütter mit Kinderwagen unter schwebenden Holzbalken durchgehen sehen", erinnert er sich.

Auch die 20 Personen, die sich heute zum Rundgang versammelt haben, müssen sich vor möglichen fliegenden Teilen schützen und bekommen daher alle eine knallige Warnweste und einen Helm. Die kleine Theoriestunde mit Informationen über die Zahl der Bewerber zum Oktoberfest und die Methode, mit der alljährlich bis Ende März alle Standplätze festgelegt werden, die Anzahl der Toiletten-Sitzplätze (1500) und die Länge der Stehplätze (ein Kilometer) sowie der Anmerkung, dass es überhaupt schwierig war, angesichts der Flüchtlingswelle 25 Toilettencontainer aufzutreiben, ist aber ungefährlich. Doch dann geht es los. 100 Arbeiter seien mit dem Aufbau eines Zeltes beschäftigt, sagt Listing beim Stopp auf der heißen Zeltstraße. Zu sehen ist im Moment allerdings nur einer, und das ist Toni Pletschacher von der gleichnamigen Zeltbaufirma, die acht Wiesnzelte aufbaut, mit seinem Gabelstapler. "Kannst du dann mal kommen mit einem netten Container?", ruft Listing ihm zu, und wenig später ist er da, ein "netter Container" schwebt oben auf den Gabeln.

Helme im Bierzelt könnten auch zur Wiesnzeit von Vorteil sein, vorerst aber müssen sie nur die Teilnehmer der Baustellentour tragen. (Foto: Stephan Rumpf)

Nun dürfen sich die Besucher alle mal auf den Fahrersitz setzen. "Sehen tut man ja nix", stellt Brigitte Niedl fest, "aber der Sitz ist schön gefedert." Dann geht's weiter durch die Hitze mit unzähligen Informationen: Dass die roten Linien auf dem Asphalt durchaus etwas zu bedeuten haben, sie markieren nämlich die Plätze zum Ablagern von Material und die Fahrwege. Dass das Zelt vom Stiftl passenderweise mit einer Art Stiften befestigt ist, nämlich meterlangen Eisennägeln, mit denen die Pfosten in den Boden geschlagen sind. "Im Endeffekt Heringe wie beim Camping, nur größer", sagt Listing. Dass die Böden erst dann in die Zelte kommen, wenn man alles weitere mit Muskelkraft transportieren kann, denn dann kann kein Gabelstapler mehr fahren. Dass die Küchen auf "Tonnen von Zement" stehen und vieles mehr.

Christian Schmidt, von Beruf Buchhändler, ist begeistert von der Führung und fragt, warum es nicht mehr davon gibt. Vielleicht im nächsten Jahr, sagt Listing, jetzt fange man erst mal mit dreien an. Schmidt ist übrigens Führungs-Profi, er hat schon mehr als 500 München-Rundgänge gemacht. Und das, obwohl oder gerade weil er eingeborener Münchner ist.

Bevor der Rundgang an der Wiesn-Kantine endet, in der sich alle noch niederlassen dürfen, gibt's weitere interessante Infos. Dass jede Nacht um null Uhr die Biertanker zum Auffüllen kommen und um 3 Uhr dann die Straßenkehrer. Und mitten im Nichts sagt Listing dann: "Und hier wird das Riesenrad stehen." Auch Lucas, mit elf Jahren der jüngste Teilnehmer, findet den Rundgang cool. Die Vorfreude werde dadurch noch stärker, sagt er, obwohl die Fahrgeschäfte bisher nur zu erahnen sind. Eine "ewige Wiesnbesucherin" sagt zum Schluss: "Ich find's ganz prima, auch endlich mal etwas von der Vorarbeit mitzubekommen." Sicher werden alle, die dabei waren, bei ihrem ersten "echten" Wiesnrundgang an diesen Tag zurückdenken.

Ein Gabelstapler ist zwar kein Karussell, darin einmal Probe zu sitzen, macht die Führung aber spannend. (Foto: Stephan Rumpf)

Es gibt noch zwei weitere Baustellenführungen an den Freitagen im August von 15 bis 16.30 Uhr. Die Zahl der Teilnehmer ist auf 20 beschränkt. Anmelden kann man sich am Mittwoch vor der Führung von 11 bis 12 Uhr unter Telefon 233 828 09 oder per E-Mail an veranstaltungen.raw@muenchen.de.

© SZ vom 17.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: