Heroin vom Staat?:Kleine Zahlen und große Erfolge

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Spritzen unter strenger Aufsicht: Polizei und Ärzte ziehen eine positive Bilanz des Modellprojekts.

Michael Tibudd und Susi Wimmer

Oliver Pogarell will den Erfolg der Studie nicht an den Zahlen festmachen. "Zahlen", sagt der Oberarzt an der Psychiatrischen Klinik Nußbaumstraße, "darum geht es nicht."

17 Menschen in einer Millionenstadt, das sei in der Tat etwas wenig, da könne man sich fragen, warum es so viel Wind gebe um die sogenannte Heroinstudie. Entscheidend, so der verantwortliche Mediziner, sei der Erfolg. Und das, was man daraus mache: "Es sollen in Zukunft mehr werden."

Heroin kann bei Schwerstabhängigen wie ein Medikament wirken - das ist das Ergebnis einer Studie, die in den vergangenen vier Jahren in München und sechs weiteren deutschen Großstädten lief. Nun aber weigert sich die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, einem Gesetz zuzustimmen, das die Heroin-Abgabe auf Dauer legalisiert, und will auch eine Ausnahmegenehmigung nicht verlängern, die Mitte 2007 ausläuft.

Hamburg, ebenfalls CDU-regiert, hat dagegen eine Bundesratsinitiative angekündigt, um das Projekt weiterführen zu können - und die Befürworter auch in München schöpfen Hoffnung.

"Der Staat als Dealer"

Von Seiten der rot-grünen Rathausmehrheit gibt es große Zustimmung für das Projekt. Für die SPD-Fraktion sagt Gesundheitsausschuss-Mitglied Ingrid Anker, die Münchner Sozialdemokraten seien "immer für das Mitmachen" gewesen bei der Studie, "daran hat sich auch nichts geändert."

Allerdings weiß sie auch, dass der Stadtrat wenig tun kann - das Ganze ist eine Bundesangelegenheit.

CSU-Fraktionsvorsitzender und OB-Kandidat Josef Schmid lehnt eine Weiterführung der staatlichen Abgabe von Heroin ab. "Wir wissen zwar um die Erfolge der Studie", sagt Schmid, "diese vom Tisch zu wischen wäre falsch und unredlich." Allerdings wolle seine Fraktion sich erst über mögliche wissenschaftliche Kritik an der Studie informieren, ehe sie Heroinabgabe durch den Staat befürworte.

Abhängige mit Heroin zu versorgen packe das Drogenproblem einfach nicht an der Wurzel. Außerdem seien die Erfolge womöglich auch der besonders guten sozialpädagogischen Betreuung, die den Teilnehmern an der Studie zuteil wird, geschuldet. Der "Staat als Dealer" ist für Schmidt dazu nach wie vor nicht vorstellbar.

Die Studie bestand von Beginn an freilich nicht nur aus der Versorgung von ausgewählten Süchtigen mit Heroin. Genauso viele erhielten statt dessen zwei- bis dreimal am Tag den Ersatzstoff Methadon und die gleiche umfangreiche Betreuung. Das Ergebnis: "Das Heroin ist signifikant überlegen", sagt Gabriele Koller, die als Ärztin die Abgabe des Stoffs in der Nähe des Altstadtrings überwacht.

Auch das Trinken bleibt aus

"Den Menschen aus der Heroin-Gruppe ging und geht es psychisch und körperlich wesentlich besser", berichtet die Ärztin. Außerdem komme es nicht zu den häufigen negativen Begleiterscheinungen von Methadon. Die Menschen holten sich kein Heroin oder Kokain mehr von der Straße, und auch eine weitere Suchtgefahr bleibe aus: Das Trinken. Denn viele Abhängige ergänzten das Methadon mit exzessivem Alkoholkonsum.

Auch die Drogenfahnder der Polizei ziehen eine verhalten positive Bilanz. "Der Aufwand für das Projekt ist ziemlich hoch", kommentiert Konrad Gigler, Leiter der Abteilung Verbrechensbekämpfung am Polizeipräsidium München, das Projekt. Die Teilnehmer müssten intensiv betreut werdenen.

Für seine Beamten vom zuständigen Revier an der Beethovenstraße sei das Projekt aber "gut händelbar" gewesen. Im Vergleich zu Methadonprogrammen hielt sich sogar die Begleitkriminalität stark in Grenzen. "Es gab keine Sogwirkung auf andere Drogenabhängige", sagt Gigler.

Mal ein versuchter Einbruch oder ein Randalierer - recht viel mehr habe sich während der Zeit der kontrollierten Heroinabgabe nicht getan: "Wohl auch dadurch, dass die Abhängigen zu individuell bestimmten Sprechzeiten einbestellt wurden."

Freilich: Es ging um 17 Menschen, 17 von 4000, die in München an der Nadel hängen.

© SZ vom 30.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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