Hermann-Joachim Weimer hat seine Sonnenbrille abgesetzt. Gerade noch hockte der Mann mit der gelbschwarzen Armbinde und dem Stützstock allein an einem der Tische. Weimer, 82, ist früh in die kühle Halle gekommen. Die Sonne bereite ihm große Schmerzen, sagt er und packt einen Stapel mit Diagnosen und Arztscheinen aus. "Ich habe alles probiert, was legal ist", sagt er. Geholfen habe nichts davon. Cannabis, sagt er, sei seine große Hoffnung.
Am Freitagvormittag füllt sich langsam das Zenith in Freimann. Zur ersten Hanf-Messe Deutschlands nach elf Jahren haben 50 Aussteller bis Sonntag ihre Stände aufgebaut. Ausgerechnet in Bayern, wo mitunter bereits ein Gramm Marihuana für eine Hausdurchsuchung reicht, soll mit dem Titel "Cannabis XXL" um die Vorzüge der Hanfpflanze geworben werden. Cannabis also, jenes Wort, das bei bayerischen Polizisten von Gesetzes wegen Schnappatmung auslöst. Jenes Gewächs, mit dem in der Regel weniger Kochzutaten, Kleidungsstoffe oder Baumaterialien assoziiert werden, als halbstarke Burschen und fremdartige Dämpfe.
Während ein Berliner Hanfkoch auf der Bühne den Fotografen ein Pestogericht mit geschälten Hanfsamen zubereitet, sortiert Jutta Brames an einem Stand ihre Tüten. In Plastikbehältern bietet die 49-Jährige Kipferl und Gugelhupf-Kuchen feil, die sie mit einer Mischung aus Hanf- und Dinkelmehl gebacken hat. "High wird man davon nicht", sagt die 49-Jährige. Natürlich nicht, sonst hätte die Hobbybäckerin hier ein Problem.
Das Vorhaben der Veranstalter vom Cannabis-Verband Bayern, eine als Droge in Verruf geratenen Pflanze zu rehabilitieren, ist an nahezu allen Ständen erkennbar. Lediglich dort, wo sich in einem Regal Haschpfeifen aneinanderreihen, spechten drei Buben verstohlen auf eine Riesenbong. Nebenan wird erklärt, wie man einen Joint rollt. Kiffer-Werkzeuge sind im Freistaat erlaubt, solange keine Tüte unter der Ladentheke liegt. Die Münchner Messe zeigt die kulinarische und heilende Seite des Hanfs, spart jedoch die hässliche Fratze größtenteils aus.
In der aktuellen Politik sei genau das der Knackpunkt, sagt Ulli Leiner, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag. "Wir wissen nicht, mit welchen Stoffen auf den Schwarzmärkten gehandelt wird", sagt Leiner, der sich für die Messe eingesetzt hatte. Allgemein sei seine größte Sorge, dass Dealer bei ihren Geschäften auf der Straße nicht nur Gras anbieten, sondern auch harte Sachen. Er fordert deshalb, Cannabis in der Apotheke zu verkaufen. Einen Stoff legalisieren, der psychische Krankheiten auslösen kann - aber vielen Schmerzpatienten helfen würde? Die Debatten werden nach der Messe weitergehen.
Weimer sitzt mit glasigen Augen am Tisch und verdrückt eine Träne. "Weinen ist nicht gut", sagt er, es fühle sich an wie Messerstiche ins Auge. Vor 40 Jahren erkrankte er an der Nervenentzündung Polyneuropathie, mittlerweile ist er fast vollständig blind. Er kann nicht sagen, ob ihm Cannabis helfen würde. Aber er wüsste es gerne.