Hälfte der Wahlperiode:Jetzt auch im Oppositionsmodus

Lesezeit: 2 min

"Stillstand" in der Verkehrspolitik beklagen die Grünen - hier bei einer Demo für einen Fahrradweg an der Rosenheimer Straße. (Foto: Florian Peljak)

Drei Jahre nach der Stadtratswahl ziehen die Grünen kämpferisch Zwischenbilanz

Von Heiner Effern

Die Grünen im Stadtrat fühlen sich immer noch als "Motor und Impulsgeber" der Stadt, sagt ihr Fraktionschef Florian Roth. Doch die Zeiten sind in Wahrheit vorbei, als ihre Ideen schnell Geschwindigkeit entwickelten. Seit exakt drei Jahren erleben die Grünen, wie ihre Initiativen versauern. Seit der Kommunalwahl 2014 mühen sie sich in der Opposition, ein ungewohntes Gefühl nach 24 Jahren gemeinsamer Stadtregierung mit der SPD. Zur Hälfte der Wahlperiode zieht die Fraktion nun Bilanz über ihr Wirken in neuer Rolle.

Roth beweist dabei angriffslustig, dass die Grünen darin nun auch angekommen sind. Der "eitle Hahnenkampf" zwischen Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Bürgermeister Josef Schmid (CSU) lähme die Stadtpolitik, sagt er. "Es geht nichts vorwärts. Überall Stillstand und Verschieberitis." Zum Beispiel in der Verkehrspolitik. Vernünftige Zukunftskonzepte fehlten, das Rathausbündnis setze immer noch auf das Auto, während andere Metropolen wie Madrid oder London längst den Straßenraum begrenzten. Grüne Ideen für bessere Radwege und einen noch viel massiveren Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs verhallten weitgehend, klagt Roth. Die CSU bediene mit Tunnels ihre Klientel, und die SPD mit Fraktionschef Alexander Reissl schaue ohne deutliche eigene Position zu, dem Motto der Mainzer Fastnacht leicht abgewandelt folgend: "Allen wohl und niemand weh, das ist Reissls SPD."

Auch in der Bewertung der Sicherheitspolitik zeigen die Grünen, dass sie die Beißhemmung gegenüber ihren langjährigen Regierungspartnern von der SPD langsam verlieren. Diese ließen sich von der nach rechts ausfallenden CSU treiben, ärgert sich Fraktionsvize Dominik Krause. "Wir haben das Gefühl, die SPD lässt sich munter abwatschen und hält dann auch noch die andere Wange hin." Einen kommunalen Ordnungsdienst, wie ihn CSU und SPD diesen Sommer installieren wollen, oder das Vorgehen gegen Bettler halten die Grünen für überflüssig. "München ist die sicherste Großstadt Europas." Doch viel mehr als die SPD macht ihnen bei der Sicherheit die CSU zu schaffen. Pistolen für den neuen Ordnungsdienst zu fordern und gezielt Angst zu schüren, gefährde das liberale Stadtklima, kritisiert Krause. München sei nicht wegen vieler schwarzen Sheriffs so sicher, sondern wegen 24 Jahre guter Sozialpolitik von Grünen und SPD.

Auch in der Umweltpolitik sehen die Grünen Stillstand, wenn nicht sogar Rückschritte. Das mache sich zum Beispiel in der Wohnungspolitik bemerkbar, die die Grünen grundsätzlich unterstützen. Viel bauen finden sie gut, doch das heiße nicht, dass jede Grünfläche in München zugepflastert werden müsse, sagt Kathrin Habenschaden, ebenfalls stellvertretende Vorsitzende. Ihre Fraktion wolle, dass die Stadt künftig bei der Ausweisung neuer Gebiete einen völlig anderen Weg geht. Sie solle nicht zuerst Flächen suchen und festlegen, auf denen sie bauen kann, sondern die grünen Bereiche, die sie in jedem Fall für die Zukunft schützen will. "Um die herum wird dann die Wohnbebauung geplant. Auch dichter und höher als bisher." Für bezahlbare Mieten müsse die Stadt zudem viel stärker ihre rechtlichen Mittel nutzen. Die Erhaltungssatzung zum Beispiel, die in bestimmten Vierteln die Luxussanierung von Gebäuden nach einem Verkauf verhindern soll, müsse gestärkt werden. So könnte der neue Eigentümer verpflichtet werden, den Mietpreis für die ersten zehn Jahre zu deckeln, sagt Habenschaden.

Bei aller Kritik wollen die Grünen aber eine konstruktive Opposition sein, sagt Fraktionschef Roth. "Keine grundsätzlichen Nein-Sager." Deshalb verpacken sie in ihre Bilanz viele eigene Vorschläge, zum Beispiel auch beim Thema Bürgerbeteiligung und Digitalisierung. Beides wollen sie voranbringen, die Münchner sollen mehr mitreden dürfen und noch viel mehr elektronisch erledigen als bisher. Dass diese Ideen künftig auch wieder besser ankommen, dabei setzen die Grünen auf die Reibereien zwischen CSU und SPD. Beide haben angekündigt, sich künftig wechselnde Mehrheit zu suchen. Können sie bekommen, sagt Roth, "wenn sie unseren Vorschlägen folgen".

© SZ vom 04.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: