Große Pläne:Ein unerfüllter Traum

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Der Entwurf des New Yorker Architekten Daniel Libeskind für die Synagoge von Beth Shalom. (Foto: Swartzberg/dpa)

Auch für die liberale jüdische Gemeinde Beth Shalom, war 2006 ein wichtiges Jahr - sie bekam ihren ersten eigenen Rabbiner. Für eine eigene Synagoge aber fehlt noch immer das Geld

Von Silke Lode, München

Das jüdische Leben in München war in der Woche vom 9. November 2006 voll von besonderen Ereignissen. Die Eröffnung des neuen jüdischen Gemeindezentrums der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) mit der Ohel-Jakob-Synagoge zog zwar mit Abstand die meiste Aufmerksamkeit auf sich - doch das ist für Münchens zweite jüdische Gemeinde eine vertraute Gewohnheit. Die liberale Gemeinde Beth Shalom, 1995 gegründet, steht oft im Schatten der großen orthodoxen Schwester. Doch just in der Woche, als die IKG an den Jakobsplatz umzog, stand auch bei Beth Shalom ein wegweisender Schritt an: Die Gemeinde führte mit Tom Kučera ihren ersten eigenen Rabbiner ein.

Jubiläum feiert also auch Beth Shalom - mit Kučera, der 2006 vor zehn Jahren zu den ersten drei Rabbinern gehörte, die seit dem Holocaust in Deutschland ordiniert wurden. Seit 2014 beschäftigt die Gemeinde sogar einen zusätzlichen Kantor, gemeinsam bereiten die beiden Männer jüdische Mädchen und Jungen auf ihre Bat- beziehungsweise Bar-Mizwa vor und kümmern sich um den Religionsunterricht. Der Gemeinderabbiner hat in den Augen von Jan Mühlstein, dem Vorsitzenden von Beth Shalom, entscheidend zur positiven Entwicklung der Religionsgemeinschaft beigetragen: "Wir haben in den letzten zehn Jahren unsere Mitglieder auf fast 500 verdoppelt." Vor allem durch junge Familien wachse die Gemeinde stark.

Zu Ehren des Jubiläums von Rabbiner Kučera hat sich Beth Shalom ein besonderes Projekt vorgenommen: Die Gemeinde will ihre eigene Thorarolle schreiben lassen. Ein teures Unterfangen, das einen besonders ausgebildeten Schreiber acht bis zehn Monate lang beschäftigt. "Ein Drittel der nötigen Spenden haben wir schon gesammelt, wahrscheinlich werden wir bald in London den Auftrag vergeben", berichtet Mühlstein. Nächstes Jahr im Herbst, hofft er, könne es dann eine besondere Feier geben, wenn die fertige Thorarolle eingebracht wird. Das Schriftstück ist der liturgische Mittelpunkt eines Gottesdienstes, aus ihm wird gelesen. "Bisher haben wir drei Thorarollen, die sind geliehen oder geschenkt. Dies wäre die erste, die wir aus eigener Kraft schreiben lassen könnten", erklärt Mühlstein.

Während der Wunsch nach einer eigenen Thorarolle konkrete Formen angenommen hat, muss Beth Shalom einen anderen Traum zunächst weiterträumen: den von einer eigenen Synagoge. Die beiden jüdischen Gemeinden haben zwar über die Jahre "ein sehr gutes Miteinander gefunden", wie Mühlstein es ausdrückt. Die sakralen Räume am Jakobsplatz zu teilen komme aber für beide Seiten nicht in Frage: "Unsere Gottesdienste und die Feiertage sind zur gleichen Zeit", sagt Mühlstein, gefeiert wird bei Liberalen und Orthodoxen aber nach völlig verschiedenen Riten. Die liberale Gemeinde nutzt derzeit einen Synagogenraum in Sendling, doch der wird mit maximal 199 Plätzen langsam zu klein.

Mit einem Grundstück für den Neubau im Lehel an der Reitmorstraße liebäugelt Beth Shalom schon länger, 2009 konnte die Gemeinde zudem Daniel Libeskind für das Projekt gewinnen. Einen spektakulären Entwurf hat der New Yorker Architekt bereits präsentiert - doch was genau an Räumen in dem geplanten liberalen Gemeindezentrum wirklich untergebracht werden kann, ist noch ebenso unklar wie die Frage, woher das nötige Geld kommt. Immerhin hat die Stadt das Grundstück, auf dem derzeit eine Kindertagesstätte ihr Ausweichquartier bezogen hat, bis zum Jahr 2020 reserviert.

Münchens Muslimen dürfte diese Situation bekannt vorkommen - doch auch die größere jüdische Gemeinde, die IKG, hat über viele Jahre Bauträume gehegt, die immer wieder wegen Standort- oder Geldfragen geplatzt sind. Und heute? Ist der Jakobsplatz ohne das jüdische Gemeindezentrum nicht mehr vorstellbar.

© SZ vom 09.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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