Große Beteiligung:Jung, gesund und registriert

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Viele Studenten nutzten die Typisierungsaktion des Vereins Aias, um als potenzielle Stammzellenspender für Leukämiekranke zur Verfügung zu stehen. (Foto: Catherina Hess)

Der Studentenverein Aias hat sich darauf spezialisiert, an Universitäten Stammzellenspender zu suchen. Die Typisierungsaktion im Lichthof der LMU unterstützt ein Kommilitone, der die Leukämie überlebt hat

Von Elisa Harlan

Alexander Castle fummelt Wattestäbchen aus einem Plastikpäckchen, legt Registrierbogen und Stift bereit. Der Jura-Student ist heute ehrenamtlicher Helfer der großen Typisierungsaktion gegen Blutkrebs an der Ludwig-Maximilians-Universität. Er selbst hat die Leukämie überlebt, eine besonders tückische Krebsart. Als Castle 15 Jahre alt war, geht er, der leidenschaftliche Handballspieler, mit einem schmerzenden Arm ins Krankenhaus. Verstaucht, denkt er sich. Heraus kommt er mit der Diagnose Leukämie. Er leidet an einer äußerst seltenen Art. "Leukämie ist einfach Pech, das kann wirklich jeden treffen", sagt er. Die Lage wird dramatisch, denn nach einer dreimonatigen Chemotherapie ist klar: Er braucht eine Knochenmarkspende, sonst wird er nicht überleben. Die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) findet einen Spender für ihn, kurz bevor es zu spät ist. Damit hat Castle großes Glück, denn die Wahrscheinlichkeit, einen passenden Spender zu finden, liegt, laut DKMS, bei 1 zu 20 000 bis 1 zu mehreren Millionen. Jeder fünfte Patient findet keinen Spender.

Sechs Wochen nach der Transplantation kann Castle das Krankenhaus verlassen, heute gilt der 26-Jährige als geheilt. Auch da hat er Glück, denn in vielen Fällen transplantieren die Ärzte die frischen Zellen zwar, doch der Körper der Patienten kommt mit den neuen Stammzellen nicht zurecht. Als Spender kommt Castle aufgrund seiner Vorgeschichte nicht in Frage, außerdem ist seine "neue" DNA schon in der Kartei - es ist die seines Spenders. Den hat er zwei Jahre nach seiner Heilung getroffen, ein junger Polizist aus Sachsen-Anhalt.

Als Knochenmarkspender ein Leben retten - das könnten auch die Studenten, die sich bei der Aktion im Lichthof der LMU registrieren lassen. Der Studentenverein Aias, benannt nach einem Helden der griechischen Mythologie, organisiert die Registrierung. Mit über 150 Helfern, die in vierstündigen Schichten den Studenten beim Speicheltest helfen, sollen so viele neue potenzielle Stammzellenspender gefunden werden, wie nur möglich. Damit das auch reibungslos klappt, ist Verena Walther seit sechs Uhr auf den Beinen. Sie gibt Anweisungen, verteilt Hinweisblätter, einen Pappbecher mit Kaffee in der Hand. Die 23-Jährige ist seit Beginn bei Aias mit dabei. "Es ist so einfach, Leben zu retten", sagt sie. Im April 2013 hat sich der Verein gegründet und schon im selben Jahr die erste Typisierungsaktion gestartet. Damals haben sich allein in München schon 2333 Studenten registrieren lassen. Nach diesem Erfolg ging es schnell weiter: Den Verein gibt es mittlerweile in elf Hochschulstädten, er kann 4177 registrierte Studenten vorweisen - die Aktion im Lichthof ist dabei noch nicht mitgerechnet. Von den Registrierten sind 17 tatsächlich schon zu Lebensrettern geworden. Per Facebook, E-Mail-Verteiler und Flugblatt wurde auf die Typisierung aufmerksam gemacht. "Wir haben auch einen tollen Rückhalt der Professorenschaft", sagt Walther.

Inzwischen bildet sich in der Vorlesungspause eine lange Schlange. Mit den anderen Helfern sitzt Castle an einer langen Tischreihe und erklärt einer Studentin das Prozedere: Zuerst prüfen, ob man keine chronischen Krankheiten hat, dann das Körpergewicht und die Kontaktdaten eintragen. Und schon wird das Wattestäbchen in den Mund geschoben. Dort soll es mindestens 30 Sekunden an der Backenwand gerieben werden. Castle dreht die Sanduhr auf dem Tisch um, dann ist die andere Backe dran. Das alles geht schnell, in kaum fünf Minuten ist man potenzieller Spender. Es ist ein seltsames Bild: Mehrere Dutzend Studenten reiben konzentriert mit den weißen Stäbchen an ihrer Backe. Sobald die Spucke eingetütet ist, geht der Umschlag an die DKMS, die derzeit die größte Datenbank Deutschlands mit fünf Millionen Spendern hat. Auch bei dieser Typisierungsaktion übernimmt die Organisation die Daten der Spender und verantwortet die Gewinnung der DNA.

Castle hat heute schon viele Fragen beantwortet. Er ist einfach nur froh, bei der Aufklärungsarbeit mithelfen zu können. "Meine Einstellung zum Leben hat sich seit der Krankheit sehr verändert, ich lebe bewusst jeden Tag", sagt er. Und: "Wenn ich heute etwas will, dann fackel ich nicht lange rum, sondern mache es einfach."

© SZ vom 12.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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