Gibson Les Paul:Der Gitarrendoktor

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Von der Gibson Les Paul bis zur Westernklampfe: Der Gitarrenbauer Siegi Rauch bringt die wertvollsten Patienten wieder zum Klingen.

Wolfgang Görl

Der Gitarrendoktor

Siegi Rauch ist Gitarrendoktor aus Leidenschaft. (Foto: Foto: Robert Haas)

Siegi Rauch lässt es krachen. Soeben hat er die E-Gitarre, die er für einen musikalischen Fliesenleger gebaut hat, an den Verstärker angestöpselt, und jetzt legt er los. Ein paar Blues-Riffs in A, die Finger fliegen über die Saiten, Herrgott, so müsste man spielen können, er wechselt den Tonabnehmer, schneidend scharfe Töne jetzt, seine Frau Brigitta hält sich die Ohren zu, während Lehrling Marius Biller - Auszubildender müsste es korrekt heißen - unbeeindruckt an einer Konzertgitarre bastelt.

Auf einem Regal über seinem Kopf stapeln sich wertvolle alte Hölzer - Zedernleisten, Fichtendecken, Hälse - , aus denen irgendwann einmal ein edles Instrument wird. Noch ein paar röhrende Töne, dann ist das Werkstattkonzert beendet. Meister Rauch muss an die Arbeit. Schließlich ist sein Lagerraum vollgestopft mit defekten Gitarren, auf deren Rückkehr die Besitzer so sehnsüchtig warten wie auf eine Geliebte. Und wer wüsste besser Bescheid über die innige Beziehung Mensch-Gitarre als Siegi Rauch?

Gekämpft von Anfang an

"Ich hab' Glück gehabt", sagt er. "Gitarrenbauer ist für mich der schönste Beruf, ich könnte mir keinen anderen mehr vorstellen." Längst bringt ihm sein Talent, marode Gitarren wieder aufzumöbeln, Kunden aus allen Ecken der Republik ein, nicht zu reden von den Münchner Gitarristen, die dem 44-Jährigen in seinem "Guitar Design&Repair Shop" in der Schneckenburgerstraße mit Arbeit überhäufen. Manchmal bekommt er exquisite Instrumente auf seine Werkbank, eine Gibson Les Paul aus dem Jahr 1957 zum Beispiel, von der es nur noch wenige gibt auf der Welt. Eine Preziose wie diese gibt man nicht leicht aus der Hand. Nur einem Gitarren-Doktor, zu dem man größtes Vertrauen hat, würde man sie überlassen. Rauch ist so einer.

Die Vermutung liegt nahe, dass Siegi Rauch nie etwas anderes werden wollte als Instrumentenbauer. Aber so ist es gerade nicht, im Gegenteil: Er hat lange gebraucht, bis er den passenden Beruf gefunden hat. Erst mit dreißig Jahren gelangte er auf dem richtigen Weg. Er hat kämpfen müssen, von Anfang an.

Aufgewachsen ist er am Hasenbergl, in der Regel nicht die beste Adresse, um groß herauszukommen. Bei Radio Fröhlich in der Augustenstraße absolvierte er eine kaufmännische Lehre, aber das war seine Sache nicht. Es folgten Gelegenheitsjobs, Zeitarbeit, mal lud er um vier Uhr nachts Lkws ab, mal sollte er als Sekretär sein Glück versuchen. Lauter Jobs, die ihn nicht froh stimmten. Und eines Tages gab es gar keinen Job mehr für ihn. "Nicht vermittelbar" hieß es. Es folgten zwei Jahre Arbeitslosigkeit.

Leidenschaft Musik

Aber da gab es ja etwas, das ihn wirklich interessierte. Eine Leidenschaft, die ihn über Wasser hielt, auch wenn es ihm bis zum Halse stand: Musik, Gitarrespielen, der Blues. "Wenn ich Gitarre spiele, bin ich in einer anderen Welt, da vergesse ich Raum und Zeit", sagte er vor einem Jahr in einem Interview mit dem Bayerischen Fernsehen, das einen Bericht über ihn sendete.

Als Zwölfjähriger hatte er angefangen, mit akustischen Klampfen hielt er sich gar nicht erst auf, nein, es musste eine elektrische sein. Bald spielt er in einer Schülerband, dann in einer zweiten, am Ende waren es drei. Beatles-Songs hatten sie im Repertoire, dazu einige Bee-Gees-Nummern, "um die Mädels zu beeindrucken".

Die Musik ließ ihn nicht mehr los. "Nebenbei hab' ich immer Bands gehabt." Eine Blues-Gruppe zum Beispiel, die lief nicht schlecht, aber auch nicht gut genug, um davon leben zu können. Und oft gab es Rückschläge. "Einmal habe ich aus Frust alles verkauft. Aber nach einem Jahr hat's mich wieder gepackt und ich fing von Neuem an." Als extrem haltbar erwies sich nur seine Tanzband Gin Fizz, mit der er seit 15 Jahren Hochzeitsfeiern und Firmenfeste in Schwung bringt.

"Da ist doch was."

In jungen Jahren war Rauch überzeugt, zwei linke Hände zu haben und demzufolge für handwerkliche Arbeiten vollkommen unbrauchbar zu sein. Aber dann hat er doch an seinen Gitarren herumgetüftelt, Tonabnehmer ein- und ausgebaut und solche Sachen. Auch die Instrumente von Freunden hat er repariert, und siehe da: "Ich hab' gemerkt, da ist doch was."

Als er dann arbeitslos war, entdeckte er auf der Angebotsliste des Arbeitsamts den Namen eines Wasserburger Gitarren- und Zitherbauers, der einen Auszubildenden suchte. Dort stellte er sich vor, und Meister Claus Voigt, Sprössling einer uralten Instrumentenmacher-Dynastie, war vor allem von Rauchs selbst fabrizierter Gitarre beeindruckt, die er quasi als Bewerbungsunterlage mitgebracht hatte. Das genügte. Rauch hatte den Job. Jeden Tag fuhr von München nach Wasserburg, die 520 Mark, die er als Lehrling erhielt, gingen fürs Benzin drauf. Geld zum Leben verdiente er mit Tanzmusik.

Nach den Lehrjahren setzte er alles daran, in München eine Werkstatt aufzumachen. Die passenden Räume fand Siegi Rauch in der Schneckenburgerstraße. Die ersten Gitarren, die er gebaut hatte, hingen zum Trocknen an Fleischerhaken, die aus der Zeit stammten, als der Laden noch eine Metzgerei gewesen war. Die uralte Werkbank hatte er von einem Klavierbauer erworben, das einzige, woran es anfangs mangelte, waren Kunden.

Rauch klapperte zig Musikläden ab, um seine Reparaturdienste anzubieten. Bei Lindberg in der Sonnenstraße hatte er Glück. Die Gitarren, die die Lindberg-Kunden zum Richten brachten, landeten auf Rauchs Werkbank. Das war der Durchbruch.

Eigenes Label

Inzwischen hat Siegi Rauch ein eigenes Gitarren-Label namens Walker. Mit einer Walker-Sonderanfertigung spielt auch der vielfach preisgekrönte Filmkomponist Dieter Schleip, der unter anderem die Musik für Filme des Regisseurs Dominik Graf schreibt. 200 Stunden hat Rauch an dieser E-Gitarre gearbeitet, sie hat einen extra dicken Hals, der eine brillante Intonation bewirkt.

In Rauchs Fernseh-Porträt ist zu sehen, wie sein Kunde Schleip mit der Walker die Musik zu einer Filmszene einspielt - ein Virtuose, der ins Schwärmen gerät, wenn er über seine Gitarre spricht: "Der Oberknaller, ein Höllenteil. Als ich die zum ersten Mal gespielt habe, hab' ich mir gedacht: Wow, mir zieht's die Schuhe aus." Und Schleip gelobt ewige Treue: "Die geb' ich nie wieder her."

Was für ein Lob! Natürlich hört Rauch solche Worte gern, und es sieht so aus, als machten sie ihn glücklich. Für ihn ist die Gitarre viel mehr als ein Ding, aus dem man Töne zupft. "Ein Instrument in den richtigen Händen wird fast lebendig." So spricht Rauch und streichelt den Korpus einer zwölfsaitigen Westerngitarre.

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