Gewalt in Milbertshofen:Die unfassbaren Taten der 13-Jährigen

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Sie haben ihr Opfer geschlagen, ihm Schnaps und Rasierschaum eingeflößt. Jetzt beschuldigen sich die 13-jährigen Täter gegenseitig. Die Rentnerin liegt noch im Krankenhaus.

Susi Wimmer

Das Leiden der 83-jährigen Frau aus Milbertshofen muss unvorstellbar und langwierig gewesen sein: Wie die Polizei heute bekanntgab, quälten zwei 13-jährige Schüler am Montag ihr demenzkrankes Opfer mehrere Stunden lang, zwangen die Frau, Schnaps zu trinken, träufelten ihr Maggi in die Augen, urinierten auf sie und traten sie mit Füßen.

Die Rentnerin liegt noch immer im Krankenhaus, ob Spätfolgen an ihren Augen bleiben, ist derzeit unklar. Einer der Täter wurde wegen Suizidgefahr in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen. Beide Täter sind bereits beim Jugendamt bekannt.

Was die Schüler dazu getrieben hat, die Rentnerin am Montagnachmittag derart zu misshandeln, ist für die Polizei auch Tage nach der Tat noch ein Rätsel. "Ein Motiv ist für uns nicht erkennbar", sagte Kriminaldirektor Frank Hellwig.

Auch die Frage, ob der eine 13-Jährige als Haupttäter agiert habe, wie gestern berichtet, könne noch nicht ausreichend geklärt werden, zumal sich die Jugendlichen in ihren Befragungen jetzt gegenseitig beschuldigten. "Ansonsten versichert jeder von ihnen, nichts mit der Tat zu tun zu haben."

Irgendwann am Montagnachmittag waren die beiden Jugendlichen auf die Idee gekommen, bei der 83-jährigen Frau, die seit Jahren an Demenz leidet, zu klingeln. Der eine Schüler, der in direkter Nachbarschaft wohnt und bislang noch als Haupttäter eingestuft wird, kannte die Seniorin schon seit längerem.

Er ging seit vier Monaten für sie gelegentlich zum Einkaufen und erhielt dafür einen kleinen Obolus. In der Faschingszeit, so ermittelte die Polizei jetzt, muss der 13-Jährige die Frau aus ungeklärten Gründen so heftig gegen das Bein getreten haben, dass die 83-Jährige nur noch unter Schmerzen gehen konnte.

Daraufhin soll die Münchnerin den Kontakt zu dem Jugendlichen abgebrochen haben. Doch Anzeige bei der Polizei erstattete sie trotz allem nicht.

Montagnachmittag öffnete sie den Buben anscheinend nichtsahnend die Tür und ließ sie in die Wohnung. Dann begannen die Quälereien: Offenbar kam es zu einer kleinen Rangelei, denn die 83-jährige stürzte zu Boden und konnte wohl aus eigener Kraft nicht mehr aufstehen.

Die Täter sprühten ihrem Opfer Rasierschaum in den Mund, ließen die Frau zunächst Jägermeister aus Schnapsgläsern trinken, als ihnen das offenbar zu langsam ging, stießen sie der Frau die Flasche in den Mund und leerten den Inhalt fast aus. Einer von ihnen urinierte in die Flasche und schüttete die Flüssigkeit über der 83-Jährigen aus.

Zudem malträtierten sie ihre Opfer mit Fußtritten und schütteten Parfüm über ihr aus. Weiter träufelten sie ihr Maggi in die Augen, wodurch die Frau eine Hornhauterosion und eine Bindehautreizung erlitt. Ob die Augenverletzungen so schwerwiegend sind, dass die Rentnerin später Sehprobleme haben wird, können die Ärzte momentan noch nicht sagen.

Mehrere Stunden muss das Martyrium der wehrlosen Rentnerin gedauert haben. Der von der Polizei als Mitläufer eingestufte Schüler behauptet, dass er mehrmals gehen wollte, ihn der andere aber gezwungen habe zu bleiben.

Irgendwann durfte er dann doch die Wohnung verlassen und kam an der Wohnung der Familie seines Freundes vorbei, die in unmittelbarer Nachbarschaft liegt. Dessen Mutter vermisste den 13-Jährige schon seit Stunden, sah den Freund und fragte nach. Daraufhin legte der Freund sofort ein Geständnis ab, gegen 20.40 Uhr alarmierte die Mutter schließlich die Polizei.

Auf das Klingeln der Beamten hin konnte sich die demenzkranke, verletzte Frau am Boden liegend bis zur Türe schleppen und öffnen. Sie sei sehr verstört gewesen, sagte Hellwig. Die Verletzte kam sofort in ein Krankenhaus. Ob die Frau aus eigener Kraft irgendwann hätte Hilfe holen können, ist unklar, "ihre Verletzungen waren jedenfalls nicht lebensbedrohlich", so Hellwig.

Die 83-Jährige wollte bis zum Dienstagmorgen noch keine Aussage bei der Polizei machen. Deshalb kann die Kripo bislang das Tatgeschehen nur aus den Angaben der beiden 13-Jährigen rekonstruieren. "Außerdem werden wir die am Tatort sichergestellten Gegenstände spurentechnisch genau unter die Lupe nehmen", erklärte Hellwig.

So können die Ermittler beispielsweise feststellen, wer die Maggi-Flasche oder den Rasierschaum in Händen hatte. Auch werden die Handys der beiden Jugendlichen dahingehend ausgewertet, ob sie eventuell die Tat gefilmt haben.

Via Handy hatte der Freund nach dem Geständnis vor der Mutter auch Kontakt mit dem anderen 13-Jährigen aufgenommen. Die Polizei machte den mutmaßlichen Haupttäter wenig später in der Fraunhoferstraße ausfindig. Der 13-Jährige ist laut Polizei seit frühester Kindheit verhaltensauffällig, er lebt bei seiner Mutter und befand sich in ambulanter psychologischer Behandlung.

Dem Jugendamt ist er ebenso bekannt wie sein Freund, beide waren in der Vergangenheit schon mehrmals von zu Hause weggelaufen. Da der verhaltensauffällige 13-Jährige seiner Mutter damit gedroht hatte, dass er sich umbringen werde, wenn er in ein geschlossenes Heim komme, wurde er wegen Suizidgefahr ins Heckscher Klinikum für Kinder- und Jugendpsychiatrie eingeliefert. Wegen Gewalttaten, so die Polizei, seien die beiden Schüler noch nie aufgefallen.

"So traurig es klingt, aber derartige Fälle kommen vor", sagt Kriminaldirektor Hellwig. Die Polizei werde ihre Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung weiterführen, allerdings können die beiden 13-Jährigen nicht belangt werden, weil sie noch strafunmündig sind.

Das Jugendamt werde engen Kontakt mit den Familien halten, so die Polizei. Wann die 83-jährige Frau aus dem Krankenhaus entlassen wird, ist noch ungewiss. Sie lebt allein in ihrer Wohnung in Milbertshofen und wird von ihrer Nichte betreut.

© SZ vom 11.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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