Gewalt an Schulen:Brutale Tritte gegen den Rektor

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Straftaten an Münchner Schulen sind zwar rückläufig, deren Brutalität steigt aber. Die Tat zweier Brüder an einer Hauptschule erhitzt die Debatte erneut.

Susi Wimmer

Trotz des jüngsten Vorfalls an einer Münchner Hauptschule sind Straftaten an den Schulen der Stadt eher rückläufig. Gleichzeitig steigt aber, so die Polizei, die Brutalität bei einzelnen Tätern.

Ort der Gewalt: Hauptschule an der Struntzstraße. (Foto: Foto: SZ/Heddergott)

Am Mittwoch war ein 14-Jähriger auf den Rektor der Hauptschule an der Stuntzstraße losgegangen. Der 58-Jährige erlitt leichte Verletzungen und ist krankgeschrieben.

Günter Gramsamer, Leiter des Schulamtes, kann sich nicht erinnern, dass in den letzten Jahren ein Lehrer ähnlich brutal angegriffen wurde. Die Geschichte begann vor genau einer Woche: An jenem Freitagmittag hatte ein Lehrer der Hauptschule an der Stuntzstraße die Polizei verständigt.

Der 15-jähriger Emre aus Neuperlach war sturzbetrunken zum Unterricht erschienen, nicht zu bändigen und hatte sich mehrfach im Klassenzimmer übergeben. Die Eltern hätten den Burschen abholen sollen, "aber da hat sich wohl keiner zuständig gefühlt", sagt Polizeisprecherin Sabine Allertseder.

Schulverweis

Das Jugendamt wurde verständigt, die Polizei brachte den 15-Jährigen, der um die Mittagszeit laut Alkomat 1,4 Promille hatte, zur Ausnüchterung in eine Jugendstelle. Auch die Schule zog Konsequenzen: Der Randalierer, der an der Bogenhausener Schule die neunte Klasse freiwillig wiederholte und auch bei der Polizei kein Unbekannter ist, wurde von der Schule verwiesen.

Emre wollte das offenbar nicht auf sich sitzen lassen. Zusammen mit seinem 14-jährigen Bruder Erdal tauchte er am Mittwoch gegen 8.20 Uhr wieder auf dem Schulgelände auf. Der Rektor sah den 15-Jährigen, es kam gleich zu einer Auseinandersetzung. Wütend spuckte der 14-Jährige dem Rektor ins Gesicht, woraufhin der Pädagoge den Burschen am Kragen packte, um ihn in seine Büro zu bringen und der Polizei zu übergeben. Der 14-Jährige wehrte sich nach Leibeskräften und trat dabei dem 58-Jährigen mehrmals in den Unterleib. Der Rektor sackte zusammen, die Brüder flüchteten.

Der Pädagoge wurde ambulant im Krankenhaus behandelt. Er erlitt Prellungen und hat beim Schulamt seine Krankmeldung eingereicht. Als Polizeibeamte die türkischstämmigen Brüder wenig später zu Hause festnehmen wollten, befanden sich die Jugendlichen ihrerseits gerade bei der Polizei in Perlach, um Anzeige wegen Nötigung gegen den Rektor zu erstatten. Dort wurden sie dann festgenommen.

"Es fehlt an Grenzen, an Respekt, an der Einschätzung, was Gut oder Böse ist", sagt Stefan Schraut. Der Mann ist Kriminalhauptkommissar und macht sich Gedanken darüber, warum viele Eltern heutzutage "schon lange abgeschaltet haben", sich nicht mehr für die Kinder interessieren.

Straftaten insgesamt rückläufig

Straftaten gegen Lehrern sind in München relativ selten, seit dem Jahr 1999 gab es 122 Fälle. Die meisten davon, so Schraut, "sind Drohungen per SMS wie ,Ich komm mit einer Pistole an die Schule' oder ,Mein Freund bringt Sie um'." In diesem Jahr sei es das erste Mal gewesen, dass ein Lehrer körperlich angegriffen wurde, sagt Schraut.

Insgesamt sind die Straftaten an Münchner Schulen sogar rückläufig. 2004 waren es noch 1000 Delikte, 2005 nur noch 805, das erste Halbjahr 2006 entsprach dem Trend des Vorjahrs. Allerdings steigt der Anteil besonders brutaler Taten, wenn auch in absoluten Zahlen gering. Im ersten Halbjahr 2005 kam es nur zu einer schweren Gewalttat unter Schülern, im ersten Halbjahr 2006 waren es bereits 13 Fälle. Gemeint sind damit Delikte wie Bedrohung, räuberische Erpressung oder Körperverletzung.

Laut Statistik ist dieser Trend aber weder ein Ausländer- noch ein spezielles Hauptschulphänomen. Bei den 122 Straftaten gegenüber Lehrern innerhalb der letzten sechs Jahre war lediglich jeder dritte Täter nicht-deutsch und nur ein Drittel der Delikte spielte sich an Hauptschulen ab.

© SZ vom 6.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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