Gesunde Planung:Angenehme Farben im Mikrokosmos

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Krankenhaus-Architekt Stefan Ludes bekommt für seine Arbeit nicht die Aufmerksamkeit wie Kollegen bei der Gestaltung von Flughäfen oder Museen. Seine Arbeit soll den Patienten Orientierung und Vertrautheit vermitteln - und zu einer wohltuend erlebten Umgebung beitragen

Von Alfred Dürr

Riesige, wenig übersichtliche Komplexe, endlos lange Flure, kaltes Neonlicht, der Geruch von Desinfektionsmitteln. Gewiss, nicht jede Klinik entspricht diesem Klischee. Aber wer geht als Patient oder Besucher schon freiwillig oder gar gern ins Krankenhaus? Gute medizinische Hilfe ist das Entscheidende. Fast jeder möchte möglichst schnell die Behandlung abschließen, und dann nichts wie raus. Stefan Ludes, 54, kennt dieses Fluchtgefühl, wenn er selbst einmal Hilfe im Hospital in Anspruch nehmen muss: "Ich bin eher von der sensibleren Sorte und muss mich schon bei der Blutabnahme hinlegen."

In seiner täglichen Arbeit hat Stefan Ludes einen anderen Zugang zum Thema Krankenhaus. Er leitet zusammen mit seiner Frau eines der bundesweit führenden Büros mit dem Schwerpunkt Architektur für das Gesundheitswesen, für Forschung und Lehre. Der Hauptsitz der Ludes Generalplaner GmbH ist Berlin. Seit März 2016 gehört das Büro zur Sweco-Gruppe, europaweit einer der ganz großen Anbieter für Architektur- und Ingenieurdienstleistungen mit der Zentrale in Stockholm. In München besteht die Ludes-Niederlassung seit 2008. Noch findet das Team Platz in einem repräsentativen Altbau an der Kaulbachstraße. Doch die Räume sind zu klein geworden, Ludes ist auf Expansionskurs.

In der bayerischen Landeshauptstadt managt das Büro gerade zwei Großprojekte. An der Nußbaumstraße, Ecke Ziemssenstraße, hat im Klinikviertel der Innenstadt der Rohbau für die "Portalklinik" begonnen. Der Schwerpunkt wird in diesem Haus auf der Akut- und Notfallversorgung liegen. Die Klinik soll zudem, wie der Name ausdrückt, für die Patienten der Eingang zu allen Möglichkeiten der universitären Medizin sein.

Deutliche Veränderungen gibt es außerdem auf dem Areal des Schwabinger Krankenhauses. Vor wenigen Tagen erfolgte der offizielle Spatenstich für die neue Kinderklinik und das Notfallzentrum. Das Projekt versteht sich als der zentrale Baustein für eine Neustrukturierung des historischen Klinikareals in Schwabing.

Architekt Stefan Ludes. Mit seinem Team betreut er zur Zeit zwei Großprojekte in München. (Foto: Stephan Rumpf)

Wie sehen die besonderen Herausforderungen aus, denen sich gerade ein Krankenhaus-Architekt stellen muss? Die Aufgaben seien anspruchsvoll, erklärt Ludes. Denn eine Klinik sei ein Mikrokosmos mit überaus komplexen Arbeitsabläufen für Ärzte und Pflegepersonal und einer hoch spezialisierten Haustechnik. Das Spektrum der Planungen reicht von der Ausstattung der Zimmer für die Patienten über Cafés und andere Aufenthaltsbereiche bis hin zu Großküchen, zur kleinen Kirche und zum Hubschrauber-Landeplatz. Dazu kommen die Operationssäle oder die Labors. Ein auffälliger gestalterischer Auftritt mit hoher Aufmerksamkeitsgarantie, wie man ihn vielleicht von spektakulären Museen, Flughäfen oder Hochhäusern kennt, spielt dabei nicht die entscheidende Rolle, sagt Ludes. Im Rampenlicht des öffentlichen Interesses steht man also nicht so schnell.

Die Architektur müsse Patienten, die sich meist in einem physischen oder psychischen Ausnahmezustand befänden, in erster Linie Orientierung und Vertrautheit vermitteln. Vermeintliche Details spielten eine wichtige Rolle und könnten zu einer als wohltuend erlebten Umgebung beitragen: Angenehme Farben, gerade auch an den Zimmerdecken (weil man als Patient viel liegen muss und der Blick nach oben geht), schönes Licht in den Fluren, natürliche Materialien in den Räumen, niedrige Brüstungen in den Zimmern, die Blickbezüge nach draußen zulassen, individuell gestaltete Zimmer, um das Bild steriler "Einheitskammern" erst gar nicht aufkommen zu lassen. Operationssäle kann man so planen, dass Tageslicht in sie fällt. "Ärzte halten sich hier mit ihren Teams oft viele Stunden auf, sie haben dann auch einen Blickbezug nach außen", sagt Ludes. Optimale Arbeitsbedingungen kämen indirekt den Patienten zugute.

Bei der Portalklinik soll gerade der Eingangsbereich eine besondere Atmosphäre schaffen. Er befindet sich in einem gläsernen Gebäude, das den benachbarten Krankenhaus-Altbau mit dem neuen Komplex verbindet. Großzügig, freundlich und das Gefühl vermittelnd, der Patient werde willkommen geheißen - eine solche Qualität will der Architekt auch mit dem Entree zur neuen Schwabinger Klinik erreichen. Geplant ist hier ein Übergang zum Altbau mit einer begrünten Aufenthaltszone für Patienten, Besucher und das Personal.

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Die künftige Portalklinik. Simulation: Ludes Generalplaner GmbH

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Zimmer mit Ausblick. Simulation: Ludes Generalplaner GmbH

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Einpassmodell der geplanten Kinderklinik auf dem Areal des Schwabinger Krankenhauses. Simulation: Ludes Generalplaner GmbH

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So soll der Innenhof zwischen dem Alt- und Neubau aussehen, wenn er fertig ist. Simulation: Ludes Generalplaner GmbH

Und wie eignet man sich das Wissen an, das ein Klinikarchitekt braucht? "Man muss nicht Medizin studiert haben, um die Abläufe in einem Krankenhaus zu verstehen", antwortet Ludes. Der Dialog mit Fachplanern, Medizinexperten und vor allem die langjährige Erfahrung vermitteln wichtige Erkenntnisse. Viel gelernt hat Ludes aus seiner Tätigkeit im Architektenbüro des Vaters. Dessen beruflicher Schwerpunkt sei eigentlich der Sakralbau gewesen. Die Kirchengemeinden betrieben oft auch Krankenhäuser und so habe sich der erste Kontakt zum Thema ergeben.

Stefan Ludes ist in Dorsten, am Rand des Ruhrgebiets und am Übergang zum Münsterland, geboren und aufgewachsen. In Aachen hat er Architektur und - ungewöhnlich in dieser Kombination - Bildhauerei studiert. Bis heute arbeitet er mit Stein und Bronze. Doch das ist nicht die einzige "Nebentätigkeit". An der Mosel bewirtschaftet er mit einem befreundeten Winzer einen kleinen Weinberg. Die Ernte füllt immerhin 700 Flaschen pro Jahr. Ganz gleich, ob er mit Wein, Steinen oder Krankenhäusern beschäftigt ist, Ludes sieht Gemeinsamkeiten: Man müsse die Materie gut beherrschen und mit komplexen Situationen umgehen können, ausdauernd bei der Sache sein und ein gutes Vorstellungsvermögen haben.

In München hat sich neben dem Krankenhausbau gerade ein weiteres Betätigungsfeld für Ludes Generalplaner ergeben, bei dem die genannten Anforderungen eine Rolle spielen. Seit 1972, als das S-Bahnsystem errichtet wurde, sind die unterirdischen S-Bahnhöfe in der Innenstadt nicht grundlegend saniert worden. Nun sollen die Umgebungen der Bahnsteige in den Stationen Hauptbahnhof, Stachus, Marienplatz, Isartor und Rosenheimer Platz vom kommenden Jahr an kräftig aufgefrischt werden. Grundsätzliches aus der Klinik-Planung fließt ein, so viel kann Ludes mitteilen: klare Orientierung, angenehme Helligkeit, freundliche Atmosphäre, Sicherheitsgefühl. An einem Ort, an dem man nicht zu lange verweilen möchte, soll alles funktionieren und das Umfeld so angenehm wie möglich gestaltet sein.

© SZ vom 18.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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