Gerichtsprozess:Blutiges Ende einer kurzen Affäre

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Zufällig mit dem Messer berührt? Der Angeklagte soll in ein Frauenhaus eingedrungen sein und seine frühere Freundin verletzt haben. Sie hatte sich von ihm getrennt.

Stephan Handel

Der Angeklagte schweigt, also spricht der Gutachter. Denn beim Psychiater Henning Saß hat Bülent A. damals ausgesagt, ihm hat er sein Leben erzählt und wie das war im März 2006 und die Monate davor - jene Zeit, die Bülent A. hierher gebracht haben, in den Schwurgerichtssaal des Strafjustizzentrums, angeklagt des versuchten Mordes an seiner Freundin Oxana Z.

Die 33-jährige Frau, gebürtige Moldawierin, lebte zu jenem Zeitpunkt im Horizont-Haus der Schauspielerin Jutta Speidel, in dem obdachlose Frauen aufgenommen werden. Dorthin war sie vor ihrem gewalttätigen Ehemann geflüchtet.

Übersteigertes Besitzdenken

In der Schwabinger Diskothek "Albatros'' lernte sie Bülent A. kennen und begann eine Beziehung mit dem 44-jährigen Deutsch-Türken. Nach nur zwei Monaten jedoch beendete sie die Affäre - was dem Mann wohl schwer zu schaffen machte: Schon einmal hatte er vor dem Haus am Harthof Ärger gemacht und war deshalb mit einem Hausverbot belegt worden.

Die Ereignisse des 10. März 2006 nun schildern die Anklageschrift und der Täter völlig unterschiedlich. Für den Staatsanwalt stellt sich der Vorgang so dar: Bülent A. habe beschlossen, Oxana Z. "aufgrund übersteigerten Besitzdenkens und aus unduldsamer Selbstgerechtigkeit'' zu töten.

Deshalb habe er in dem Frauenhaus den Hausmeister aufgefordert, Oxana Z. telefonisch zu kontaktieren - er wolle einige seiner Sachen aus der Wohnung haben. Der Hausmeister ging nach oben, um die Plastiktüten abzuholen. In dieser Zeit verschaffte sich Bülent A. Zugang ins Haus. Im fünften Stock traf er erneut den Hausmeister und sprühte ihm ohne Vorwarnung Pfefferspray ins Gesicht.

"Ich bringe Dich um"

Dann brach er die Tür zu Oxana Z.s Wohnung auf, ebenso die Tür zum Badezimmer, wo sich die Frau versteckt hatte. Mit den Worten "Ich bringe dich um'' soll er ihr einen vier Zentimeter tiefen Messerstich in die Brust versetzt haben.

Mittlerweile waren drei andere Bewohnerinnen auf den Kampf aufmerksam geworden, auf der Flucht verletzte Bülent A. auch sie mit dem Pfefferspray.

Soweit die Version des Staatsanwalts. Die Geschichte, die Bülent A. dem Psychiater Henning Saß erzählte, geht völlig anders: Danach habe er sich an diesem Tag entschieden, die Trennung von Oxana Z. zu akzeptieren. Er habe nur einige Dinge aus ihrer Wohnung holen wollen.

Weil er sie aber telefonisch nicht erreichte, sei er hingefahren. Natürlich sei er wütend gewesen, weil sie das Handy ausgeschaltet hatte. Außerdem hatte er einige Zeit vorher beobachtet, wie sie mit zwei Arabern in deren Wohnung gegangen sei - auch das habe ihn verletzt.

Psychiater Saß stellte bei seiner Untersuchung "Trennungsschmerz und Trennungswut'' fest, auch wenn Bülent A. bestreitet, mehr als in normalem Ausmaß eifersüchtig gewesen zu sein.

Schnittwunden

Vor der Wohnungstür von Oxana Z. angekommen, habe er bemerkt, dass sie in der Wohnung war, ihm aber nicht aufmachen wollte - deshalb habe er die Tür mit der Schulter aufgedrückt, ebenso die Badezimmertür. Dann jedoch habe er zu der offensichtlich angsterfüllten Frau gesagt: "Schatz, ich tu dir nichts.'' Das Messer habe er zufällig dabeigehabt, den Einsatz des Pfeffersprays bestreitet er.

Im Verlauf des Disputs habe er Oxana Z. "zufällig'' mit dem Messer berührt. Ihm sei "ein Stein vom Herzen gefallen'', als er danach gesehen habe, dass kein Blut an der Klinge war. Später habe sich sogar die Frau des Messers bemächtigt und er habe sich wehren müssen - wofür allerdings Schnittwunden an den Fingern sprechen, die nach Bülent A.s Verhaftung festgestellt wurden.

Der Prozess ist vorerst auf vier Tage terminiert und wird am Dienstag fortgesetzt.

© SZ vom 16.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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