Gerichtsprozess:Bei Anruf Angst

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Bande bedroht alte Frauen und betrügt sie um Geld

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Am Telefon sind zwei ältere Münchnerinnen so lange mit Horrorgeschichten über brutale Einbrecherbanden in Angst und Schrecken versetzt worden, bis sie voller Panik ihr Bargeld und Preziosen eingepackt und vor die Haustüren gestellt haben. Ein angeblicher Polizist sammelte dann die wertvollen Taschen ein. Lediglich diesen "Abholer" konnten die Strafverfolgungsbehörden bisher fassen und verurteilen. Seine beiden Komplizen sind im Ausland untergetaucht.

Erstes Opfer war eine Frau in der Destouchesstraße. Am 9. Januar rief gegen Mittag ein angeblicher Beamter der Kripo Wiesbaden an. Er warnte sie, dass in der unmittelbaren Nachbarschaft eine Einbrecherbande ihr Unwesen treibe und sie als nächstes Opfer auf der Liste der brutalen Täter stehe. Die alte Münchnerin wurde solange unter Druck gesetzt, bis sie 1500 Euro Bargeld, zwei Halsketten, eine goldene Uhr sowie Schmuck samt ihrer Eheringe im Wert von rund 1200 Euro zusammenpackte, außerdem die EC-Karte mit einem Zettel der Pin-Nummer.

Ein 19-jähriger Münchner mit türkischen Wurzeln leerte dann die vor die Tür gestellte Handtasche aus. Er verkaufte sofort alles an Hehler und überwies noch am selben Tag an seine Hintermänner 1300 und 2000 Euro. Er selbst erhielt er 500 Euro "Vergütung". Vier Tage später rief ein anderer Täter eine Seniorin in der Planegger Straße an: Eine über ihr lebende Mitbewohnerin sei gerade überfallen und schwer verletzt worden. Man habe am Tatort eine Liste der Einbrecherbande gefunden, auf der die Angerufene als "vermögend" aufgeführt sei. Der angebliche Polizist mahnte seine Gesprächspartnerin laufend, immer auf den Balkon zu achten, da die Täter Profis und besonders gewalttätig seien.

Die alte Dame geriet derart unter Druck, dass sie die Toilette aufsuchen musste und sich nicht traute, das Gespräch zu beenden, sondern den Hörer neben sich legte. Das Telefonat dauerte rund zwei Stunden: Die Seniorin musste dabei immer wieder Medikamente einnehmen, stürzte sogar zu Boden. Schließlich packte sie Ausweise und persönliche Papiere, Sparbücher mit einem Gesamtguthaben von rund 180 000 Euro, einen Ledergeldbeutel mit 80 Euro in Münzen, einen Umschlag mit fünf 100-Euro-Scheinen, drei Kästchen mit Bernsteinschmuck, Ketten, Armreifen, Ohrringen, zwei goldenen Uhren und einem goldenen Armband zusammen. Später ließ sich der Anrufer sogar noch die Pin-Nummer für den Geldautomaten geben, an dem die Betrüger dann 1000 Euro zogen. Auch hier wurde die Beute zwischen "Abholer" und Anrufer geteilt.

Das Amtsgericht verurteilte den 19-Jährigen wegen Hehlerei zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten: Im Gesamtgefüge sei er ein kleines Rädchen gewesen - von dem Telefonterror hatte er nach Ansicht des Gerichts keine konkrete Kenntnis. Ihm droht die Abschiebung.

© SZ vom 29.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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