Gericht: Ohrfeige für Pro7:In Unterhose vor der Kamera

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Bürger müssen sich nicht gegen ihren Willen von sensationslüsternen Reportern heimsuchen lassen: Das hat das OLG München nun dem Privatsender Pro7 deutlich gemacht.

E. Müller-Jentsch

Bürger müssen sich nicht gegen ihren Willen von sensationslüsternen Reportern mit Fernsehkameras heimsuchen lassen: Was selbstverständlich klingt, hat der Presse-Senat des Oberlandesgerichts München dem Privatsender Pro7 deutlich gemacht.

Mit solchen Szenen - auf diesem Bild bewusst verwischt dargestellt - musste sich der Münchner in Unterhose im Fernsehen vorführen lassen. (Foto: Foto: oh)

Die Richter forderten die Unterföhringer TVGmbH auf, ihr Rechtsmittel gegen ein Schmerzensgeld-Urteil der ersten Instanz zurückzunehmen, da die Berufung "ohne Aussicht auf Erfolg" sei. Jürgen Leske, Anwalt eines von dem Sender bloßgestellten Münchners, sagt zu dem OLG-Beschluss: "Es ist nicht übertrieben, ihn als eine Ohrfeige gegen Pro7 zu bezeichnen."

Die Sendung "Galileo" hatte die Arbeit einer Münchner Gerichtsvollzieherin dokumentieren wollen. Nach zahlreichen Anläufen, bei denen sich Schuldner aber nicht vor laufender Kamera präsentieren wollten, stand bei der Kuckuck-Kleberin ein Mann auf der Liste, gegen den wegen einer unbezahlten Handy-Rechnung ein Haftbefehl vorlag. Doch dieser Mann, ein Kurierfahrer, war nicht daheim. Vielmehr hatte er einem slowakischen Bekannten erlaubt, die Wohnung für ein Mittagschläfchen zu benutzen.

Als nun die Gerichtsvollzieherin in Begleitung von Polizeibeamten und dem Kamera-Team durch einen Schlosser die Wohnungstür öffnen ließ, wurde der unbeteiligte Mann völlig überrascht: Aus dem Schlaf seiner Schicht-Pause gerissen, stand er verstrubbelt und in Unterhose im Visier der Kamera.

Sofort forderten die Beamten, seinen Pass zu sehen. Dabei war deutlich zu hören, wie er seinen Namen nennen musste. Dass er gleich bei zwei Sendeterminen so einem breiten Publikum präsentiert worden war, erfuhr der Mann allerdings erst durch den Anruf eines Bekannten: "Du warst gerade im Fernsehen und hast ausgesehen wie ein Penner." Daraufhin klagte der Betroffene gegen Pro7 auf Schmerzensgeld.

Wie berichtet, hatte in erster Instanz das Landgericht Münchenden Sender zur Zahlung von 5500 Euro verurteilt. Nach Ansicht der 9.Kammer habe das TV-Team eine Situation ausgenutzt, die den objektiven Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfülle: "Während der Haftbefehl gegenüber dem Schuldner das Betreten der Wohnung durch die Gerichtsvollzieherin und die Polizeibeamten rechtfertigte, so gilt dies nicht für das Kamera-Team von Pro7", heißt es im Urteil.

Ob das Verhalten des Filmteams nun wirklich als Hausfriedensbruch zu bewerten ist, ließ das Oberlandesgericht zwar offen. "Das Filmteam hat jedoch unter Verletzung des Grundrechtsschutzes der Wohnung geschützte Räume bei laufender Kamera betreten und damit in nicht gerechtfertigter Weise auch in die Privatsphäre des Klägers eingegriffen", sagt der 18. Senat im Urteil: "Den Mitgliedern des Kamera-Teams musste auch bewusst sein, dass die Befugnis der Gerichtsvollzieherin, sich Zutritt zu den Räumlichkeiten zu verschaffen, nicht auf sie erstreckte und sie durch das Betreten der Wohnung unbefugt in die räumliche Privatsphäre des Klägers, noch dazu in einen Schlafraum, eingedrungen waren."

Dem Film-Team sei klar gewesen, dass der Mann nicht das Geringste über die geplante Sendung wusste - und habe ihn trotzdem nicht über die Aktion aufgeklärt. "Es ist daher zumindest als grob fahrlässig zu bewerten, dass die Beklagte das Verhalten des Klägers als eine wirksame Einwilligung in die Anfertigung von Filmaufnahmen und deren geplante Veröffentlichung auffasste", stellten die OLG-Richter fest. Der Sender hätte sicherstellen müssen, "dass die Anforderungen an die journalistische Sorgfaltspflicht im konkreten Einzelfall eingehalten werden".

Auch wenn hier ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit am Vorgehen einer Gerichtsvollzieherin gegen zahlungsunwillige Schuldner befriedigt werde, gebe es keine übergesetzliche Rechtfertigung der Verletzung der räumlichen Privatsphäre durch recherchierende Journalisten (Az.: 18 U 4520/08).

Ob Pro7 die Berufung zurück nehmen wird, ist noch offen. Sicher ist dagegen, dass Anwalt Leske nun noch Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Gerichtsvollzieherin einlegen wird.

© SZ vom 04.02.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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