Georg Kronawitter feiert 80. Geburtstag:"Ich habe nie resigniert"

Lesezeit: 7 min

Am heutigen Montag wird der Münchner Alt-Bürgermeister 80 Jahre alt. Ein Gespräch mit dem SPD-Politiker und seiner Frau Hildegard über gemachte und gefühlte Politik.

Jan Bielicki

Alt-OB Georg Kronawitter feiert am heutigen Montag seinen 80. Geburtstag. Der ehemalige Lehrer und Landtagsabgeordnete gewann 1972 die OB-Wahl, konnte aber nach heftigen Auseinandersetzungen mit dem damals tonangebenden linken Flügel seiner SPD 1978 nicht mehr antreten. 1984 besiegte er seinen CSU-Nachfolger Erich Kiesl und blieb bis zu seinem freiwilligen Rückzug 1993 an der Spitze der Stadt. Seine Frau Hildegard, 61, vertritt seit 1998 für die SPD den Stimmkreis Erding im Landtag, will aber bei der Wahl im September nicht mehr kandidieren.

Nach dem Leben für die Politik kommt jenes danach: Georg und Hildegard Kronawitter haben gerade ihren 40. Hochzeitstag gefeiert. (Foto: Foto: Andreas Heddergott)

SZ: Sie feiern ja in diesem Jahr auch Ihren 40. Hochzeitstag ...

Georg Kronawitter: Das haben wir schon hinter uns, am 6. April.

SZ: Ist sich das sozialdemokratische Team Kronawitter immer einig in seinen politischen Einschätzungen?

Georg Kronawitter: Mit Sicherheit nicht. Aber wir diskutieren viel und akzeptieren unterschiedliche Meinungen.

Hildegard Kronawitter: In 40 Jahren hat man gelernt, dass es auch in Ordnung ist, wenn man nicht immer der gleichen Meinung ist. Aber es gibt natürlich eine Grundübereinstimmung.

SZ: Wie bewerten Sie das derzeitige Erscheinungsbild Ihrer Partei?

Georg Kronawitter: Es fehlt uns derzeit die Zentrifugalkraft in Berlin. Die wird aber mit dem Kanzlerkandidaten noch kommen. Man darf auch nicht unterschätzen, dass die Union sich gerade mit sehr viel Raffinesse einem Bündnis mit den Grünen öffnet, während für uns die fünfte Partei, die sogenannte Linke, für die Bundespolitik nicht akzeptabel sein kann. Das beschränkt uns in unseren Bündnismöglichkeiten.

SZ: Sollte sich die SPD auf Bündnisse mit der Linken einlassen?

Georg Kronawitter: Nein. Die ganze Diskussion läuft in die völlig falsche Richtung. Wir sollten nicht über Bündnisse diskutieren, sondern über unsere politischen Inhalte. Nur über unsere Inhalte können wir gewinnen. Diese ganzen Etiketten links, mehr links, weniger rechts interessieren die Wähler doch gar nicht. Da hat sich die SPD leider in eine Ecke drängen lassen, aus der sie nur schwer wieder rauskommt. Statt dessen muss die SPD ganz klar ihre inhaltlichen Positionen herausstellen. Nur ein Beispiel: Wir wollen Mindestlöhne, die CDU/CSU will sie nicht. Bei dem Postbediensteten hat sich die SPD durchgesetzt, sie hat die Kanzlerin in die Knie gezwungen. Wir müssen immer wieder deutlich machen, was die SPD ganz konkret an Positivem für die Menschen erreicht.

SZ: Und für diese Inhalte sucht sich die SPD dann die Partner, mit denen sie sie umsetzen kann?

Georg Kronawitter: Wir sind in Berlin bis zur nächsten Wahl in einer großen Koalition. Aber wir dürfen dabei nicht vergessen, immer unsere eigenen Inhalte zu verdeutlichen. Dann werden wir auch Erfolg haben. Der Aufschwung rauscht laut Umfragen an 87 Prozent der Bevölkerung vorbei. Diese Leute - und nicht die Vermögenden und die Manager, die derzeit profitieren - sind unser sozialdemokratisches Wählerpotenzial. Erst nach der Bundestagswahl stellt sich die Bündnisfrage.

Hildegard Kronawitter: Dieses Gerede um die Linke ist in Bayern sowieso eine Phantomdiskussion. Alle Umfragen zeigen, dass die Linke hier maximal drei Prozent erreicht. Natürlich geht auch das auf unsere Kosten, aber diese Diskussion um die Linke lenkt doch, zu unseren Lasten, von viel wichtigeren Fragen ab.

SZ: Von welchen?

Hildegard Kronawitter: Von der Auseinandersetzung mit der CSU. Die CSU trägt hier die Verantwortung - etwa für die viel zu großen Klassen und die dramatische soziale Auslese in den Schulen.

SZ: Warum profitiert die SPD nicht davon, dass die Zufriedenheit der Bayern mit der CSU laut Umfragen sinkt?

Hildegard Kronawitter: Das ist leider richtig. In meinem ländlich geprägten Stimmkreis Erding bekomme ich ja mit, dass die CSU lange trotz allem, was sie anstellt, ein Urvertrauen genossen hat. Dass dieses Vertrauen in die CSU bei vielen Wählern erschüttert ist, bedeutet aber noch nicht, dass sie sich jetzt der SPD zuwenden. Noch gehen die Leute eher zu den Freien Wählern. Ich hoffe, dass das ein Zwischenschritt ist. Es ist jedenfalls eine große Chance für uns.

Georg Kronawitter: In 50 Jahren CSU-Regierung wurde vieles gesellschaftspolitisch zementiert. Das lässt sich nicht so schnell auflösen.

Hildegard Kronawitter: Gerade im ländlichen Raum werden politische Einstellungen stark von einem Netzwerk von Vereinen und Verbänden geprägt, die sich schon aus Nützlichkeitserwägungen auf den lange dominierenden Herrschaftsblock ausgerichtet haben. Solche Strukturen ändern sich nur langsam.

SZ: In München gewinnt die SPD Kommunalwahlen, liegt aber bei Landtagswahlen auch weit hinter der CSU...

Georg Kronawitter: Bisher! Aber Sie werden bei den Landtagswahlen im Herbst sehen, dass sich die Stimmung zugunsten der SPD ändert.

Hildegard Kronawitter: Das wird sich bei den Direktmandaten zeigen.

Georg Kronawitter: Vielleicht. Auf alle Fälle aber an deutlich mehr Stimmen für uns als zuletzt.

SZ: Sehen Sie also die Münchner SPD auf einem guten Weg?

Georg Kronawitter: Auf einem sehr guten!

SZ: Dabei profitierte die SPD immer von ihren populären Oberbürgermeistern. 2014 darf Christian Ude laut Gesetz nicht mehr kandidieren...

Georg Kronawitter: So ist es.

SZ: Sie haben Ihre Nachfolge ja lange vorbereitet...

Georg Kronawitter: Elf Jahre! Ich wollte Christian Ude ja lange in einem Amt unterbringen, aus dem heraus er mehr Chancen haben sollte, gewählt zu werden. Aber Landes- und Bundespartei haben abgelehnt. Also war es 1990 notwendig, dass er sofort nach seinem Einzug in den Stadtrat Bürgermeister wurde. Das war er dann drei Jahre, so wie Hans Jochen Vogel zwei Jahre Referent war, bevor er zur OB-Wahl antreten konnte. Ich dagegen hatte 1972 nur fünf Wochen Vorbereitungszeit auf meinen Wahlkampf. Hans Jochen Vogel ist zu mir gekommen und hat gesagt: Ich schlag' dich vor. Das war auch erfolgreich. Man kann also nicht sagen, wie eine Kandidatensuche aussehen muss. Aber jeder Amtsinhaber muss sich für seinen Nachfolger verantwortlich fühlen. Die Verbindung zwischen Vorgänger und Nachfolger muss sehr eng sein, wenn man Erfolg haben will. Auch Christian Ude wird sicher einen Nachfolger vorschlagen, zu einem Zeitpunkt, den er für richtig hält.

SZ: Aber muss er nicht bereits jetzt mögliche Kandidaten in Positionen bringen, in denen sie sich den Wählern bekannt machen?

Georg Kronawitter: Ich war als Landtagsabgeordneter vom Land in München nicht bekannt. Es gibt nicht das eine Erfolgsmodell für eine glückliche Nachfolgeregelung. Immer ist der OB besonders dafür verantwortlich. Niemand anderer hat die Autorität, den Nachfolgekandidaten durchzusetzen.

SZ: Was halten Sie für Ihren wichtigsten politischen Erfolg?

Georg Kronawitter: Dass ich nicht resigniert habe, als mich die ideologisch ausgerichtete SPD nicht mehr für die OB-Wahl 1978 aufgestellt hat. Ich habe sofort wieder zu kämpfen begonnen, zunächst als Einzelkämpfer sogar gegen Teile der SPD. Nur so konnte ich der SPD den Posten des Oberbürgermeisters wieder zurückgewinnen. Das konnte ich schaffen mit dem Standing eines Oberbürgermeisters und dem Ruf, mein Rückgrat nicht an der Garderobe der Parteizentrale abzugeben. Seither hat die SPD das Rathaus 24 Jahre verteidigt. Das hat auch damit zu tun, dass Christian Ude der richtige Mann ist und ich die Partei wieder zusammengeführt habe. Außerdem habe ich dazu beigetragen, die Münchner CSU so zu reduzieren, dass sie sich nicht mehr derrappelt hat. Und Ude hat damit geschickt weitergemacht.

SZ: Und inhaltlich?

Georg Kronawitter: Der Westpark. Auf einem Grund, auf dem schon Baurecht lag, einen Park geschafft zu haben, ist meiner radikalen Devise "Mehr Grün in die Stadt" zu verdanken. Ich freue mich heute noch, wie viel Grün in meiner Amtszeit der Stadt erhalten werden konnte, obwohl ein Verkauf und eine Bebauung dieser Flächen dem Stadtsäckel viel Geld eingebracht hätten. Geld gibt es immer wieder, aber wenn ein Grundstück erst verkauft und bebaut ist, dann ist es weg.

SZ: Trotzdem galten sie als ein Gegner der Grünen, bevor sie 1990 das bis heute haltende rot-grüne Bündnis schlossen.

Georg Kronawitter: Ja, damit habe ich alle, nicht nur die CSU, sondern auch die SPD und die Grünen überrascht. Ich habe alles bis zum letztmöglichen Zeitpunkt verzögert. Die Grünen waren sogar so weit, zwei SPD-Bürgermeister mitzuwählen. Es war dann nicht leicht, die SPD davon zu überzeugen, auf einen der beiden Bürgermeisterposten zu verzichten und eine grüne Bürgermeisterin zu wählen, um die Grünen in die Verantwortung zu nehmen.

Hildegard Kronawitter: Viele Beobachter haben damals das strategische Kalkül dieser Entscheidung nicht bedacht und waren deshalb so überrascht. Es war nicht nur inhaltlich, sondern machtstrategisch ein entscheidender Schritt.

Georg Kronawitter: Nur einer hat von meinen Plänen gewusst. Das war ich selber. Naja, meiner Frau habe ich es erzählt, aber niemand anderem sonst, auch Ude nicht. Aber Ude hat diese Strategie glänzend weitergeführt.

SZ: Ihr Mann konnte als OB anschaffen, aber wie sehen politische Erfolge aus, wenn man im Landtag auf harten Oppositionsbänken sitzt?

Hildegard Kronawitter: Das ist schwierig. Natürlich ist es ein Erfolg, wenn die CSU nach einer Schamfrist von ein, zwei Jahren unsere Anträge recycelt. Es ist aber auch unsere Aufgabe, Alternativen aufzuzeigen und Anliegen zu artikulieren, die für die Leute wichtig sind, auch wenn wir uns nicht durchsetzen können.

SZ: Auch Sie, Herr Kronawitter, kennen nun das Oppositionsdasein im Landtag aus eigenem Erleben. Macht Regieren nicht mehr Spaß?

Hildegard Kronawitter: Natürlich macht Machenkönnen mehr Spaß.

Georg Kronawitter: In der Opposition muss man alles tun, um regierungsfähig zu werden. Die Möglichkeit, bestimmen zu können, bringt eine große Befriedigung - erst recht, wenn die Bevölkerung hinter dem steht, was man macht.

SZ: Künftig steht das Team Kronawitter nicht mehr in vorderster Front.

Hildegard Kronawitter: Ich habe mich nie in vorderster Front gesehen. Ich wusste immer, dass eine Landtagsabgeordnete für den Stimmkreis wichtig ist, aber das ist relativ. Wenn man mit einem politischen Macher verheiratet ist, bekommt man natürlich viel von der Verantwortung des Regierens mit. Ich aber werde nicht unter Verlustgefühlen leiden, wenn ich nicht mehr im Landtag bin. Ich habe ja noch ehrenamtliche Aufgaben.

SZ: Hat es Sie, Herr Kronawitter, im Ruhestand nicht viel öfter gereizt, sich zu Wort zu melden, als Sie es tatsächlich getan haben?

Georg Kronawitter: Die Sache mit den Hochhäusern war die einzige Geschichte, die ich mit Christian Ude öffentlich ausgetragen habe. Ich war überzeugt, genau wie Christian Ude auf der anderen Seite, dass sich da eine Auseinandersetzung lohnt. Ob ich, wie ich vermute, richtig lag mit meiner Auffassung, Gebäude nicht höher als die Frauentürme zu bauen, wird man in zwanzig Jahren sehen. Was mich viel stärker beschäftigt, ist eine Entwicklung, in der die Armen immer ärmer werden und die Wohlhabenden immer mehr Vermögen anhäufen. Die SPD kann nur gewinnen, wenn sie der Bevölkerung klar macht, dass wir zwar den Kleinen nicht alles ersparen können, aber auch die Großen drannehmen. Darum kämpfe ich so um eine Vermögenssteuer, auch in der eigenen Partei.

© SZ vom 21.04.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: