Gelb-Schwarz-Casino:Tanz der Generationen

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Im ältesten Tanzverein Münchens wird hart trainiert und viel gelacht. Am Samstag richtet das Gelb-Schwarz-Casino wieder den "Ball der Nationen" im Deutschen Theater aus.

Agnes Fazekas

Eine enge Passage in der Sonnenstraße: Zwischen City-Kino und einem Sex-Shop liegt ein schlichter Treppenaufgang, der zur einer Tür im zweiten Stock führt. Dahinter warten weder bordeauxfarbener Plüsch, noch aufgehübschte Pubertierende. Und auch keine glitzernden Disco-Kugeln oder ein braungebrannter Lehrer mit halboffenem Hemd und enger Hose. Die üblichen Tanzschul-Klischees greifen beim Münchner Gelb-Schwarz-Casino nicht.

Trainer Carsten zeigt, wie man sich als Dame beim Paso Doble richtig hält. Der Tanzkreis des GSC trainiert jeden Freitag Abend Latein- und Standardtänze. (Foto: Foto: Agnes Fazekas)

Stattdessen erinnert der Tanzsaal eher an ein Ballettstudio aus den Siebzigern. Mit bunt beklebten Säulen, einer einfachen Holztheke und Plakaten an der Spiegelwand: "Was denkst Du?", steht da mit Edding und darunter sind schon einige Antworten hingekritzelt. Es sind Vorschläge für den geplanten Umbau. Die Mitglieder wollen einen dritten Übungsraum.

Tanzen ist wieder angesagt - und im GSC trainieren Hobbysportler neben erfolgreichen Turnierpaaren. Zusammen tanzen Profis und Amateurpaare auch beim "Ball der Nationen", der dieses Wochenende im Deutschen Theater stattfindet. Seit über fünfzig Jahren richtet Bayerns ältester Tanzclub diesen Ball aus. Jedes Jahr wird dort zur Musik von Hugo Strassers Orchester getanzt und gefeiert und außerdem der Latein-Contest um den Europapokal ausgetragen - ein Großereignis für Münchner Tänzer. Im Organisations-Komitee für den Ball sitzen meistens die Breitensportler: "Wir sind das Gerüst, das den Club trägt."

Als 1925 der Graf von Askani mit dem Fräulein Pferkorn im Boston Waltz über das Parkett des Cherubin-Palasts im Hotel Vier-Jahreszeiten wirbelte, war das Gelb-Schwarz-Casino gerade einmal ein Jahr alt und der einzige Tanzsportverein Münchens. Gegründet von Dr. Fritz Neuroth als Zusammenschluss tanzbegeisterter junger Leute, entwickelte sich der Verein durch Kontakte zum Königshaus bald zu einem exklusiven Gesellschafts-Club. Bis zum zweiten Weltkrieg veranstaltete der GSC große Turniere, 1939 sogar die Weltmeisterschaft im Deutschen Theater. Nach dem Krieg wurde die Etikette dann immer unwichtiger und dafür konzentrierten sich die Mitglieder auf die sportlichen und geselligen Aspekte des Tanzens.

Zwischen Reha und Rumba

2009 ist Freizeittänzer Erich Oppenheim fast so alt wie der Club heute. "Einer hier sieht noch älter aus als ich - ist er aber nicht", sagt er und grinst spitzbübisch. Für ihn und seine Frau ist der Abend ein fester Termin, einer von vielen im Programm der sportiven Rentner.

Montag Reha, Dienstag Jazz-Dance, Mittwoch Aerobic und Freitag eben das Tanztraining. Die Reha besucht Oppenheim, weil er als Turniertänzer in der C-Klasse seinen dritten Herzinfarkt hatte. "Jetzt machen wir ein bisschen ruhiger, hier in der Hobbygruppe", erkärt Oppenheim. Allerdings ist er sich sicher, dass das Tanzen ihn am Leben hält. Alle Herzkranzgefäße seien zu, nur eines nicht - und dafür ist seiner Meinung nach der Sport verantwortlich.

Sogar am ersten Tag des neuen Jahres zog es ihn mit seiner Partnerin in den Club in der Sonnenstraße, und das um acht Uhr morgens. "Da gehörte die Welt uns", lacht seine Frau. Sie trägt einen gelben Pullover und goldene Tanzschuhe und ruht sich nur gerade einmal kurz aus. Heute ist Latein dran: Eineinhalb Stunden Paso-Doble-Figuren haben die beiden schon hinter sich. Der Paso Doble ist der schnellste lateinamerikanische Gesellschaftstanz - ein stilisierter Stierkampf: Der Herr gibt den Torerro, die Dame das Tuch. Im Gegensatz zu den Standardtänzen, die in enger Tanzhaltung getanzt werden, stehen die Partner beim Latein weit auseinander.

Wo ist der Stier?

Anstrengend sieht das aus: Trainer Carsten besteht auf perfekte Armhaltung, bis in die Fingerspitzen. Nach jeweils zwei gezählten Takten korrigiert er die Paare: Eins, zwei, Stopp! Wo steht der Herr, wo die Dame - und vorallem: wo der Stier? Drei, vier, Stopp! Was machen die Schultern da und wo bleibt der stolze Blick? Fünf, sechs, Stopp! Der Herr im Chassé, die Dame im Lock Step! Das sind Wechselschritt und Kreuzschritt und beides sehr schnell.

Zu den Damen: "Etwas mehr Grandezza, auch wenn das hammermäßg arrogant aussieht." Und: "Eigentlich sollten ja die Herren führen, aber macht das ruhig mal freiwillig." Zu den Männern gewandt: "Es ist ein Zeichen von Mut, dem Stier seine empfindlichen Körperteile entgegenzurecken. Früher hat man gesagt, man muss die Pobacken dabei so fest anspannen, dass ein Fünf-Mark-Stück die Prägung verliert." Jetzt bemühen sich die Torreros das Becken vorzukippen und auszusehen, als ob sie gerade einen rasenden Stier erlegt hätten.

Gelb-Schwarz-Casino
:Tanz der Generationen

Im ältesten Tanzverein Münchens wird hart trainiert und viel gelacht. Am Samstag richtet das Gelb-Schwarz-Casino wieder den "Ball der Nationen" im Deutschen Theater aus.

Agnes Fazekas

Wer im Tanzkurs gelernt hat, dass beim Tanzen nur die Schrittfolge eingehalten und der Dame nicht auf die Füße getreten werden müsse, der erhält im GSC eine bittere Lektion. "Melone", ruft Trainer Carsten beispielsweise, dann bemühen sich seine Eleven, einen imaginären Basketball im Arm zu halten. "Und jetzt noch ein kleiner Akzent mit der Hand", der Trainer macht es vor und sieht trotz Jeans, hoher Absätze und ganz ohne die Optik eines glühenden Flamenco-Tänzers irgendwie elegant aus.

Breitensport und Turniertanz

Während zehn Paare gemischten Alters sich konzentriert in ihren Stierkampf hineinfühlen, üben im Nebensaal Michaela und Stefan. Man schaut sie gerne an: hübsch und fit, er dunkel, sie blond. Er in Anzugshose und schwarzem Shirt, sie in fadenscheiniger schwarzer Strumpfhose und einem langen, knallblauen Oberteil. Nur als Tanzpartner ein Paar wohlgemerkt - beide würden sich hüten, mit dem Lebensgefährten Turniertanz zu trainieren. "Vorprogrammierter Stress", glaubt Michaela.

Trotzdem müsse man sich gut verstehen als Tanzpartner. Und dann sei da ja auch noch das körperliche Zusammenspiel: "Es gibt schwere Damen und leichte Damen", erklärt Alex. Nein, das tatsächliche Gewicht meine er nicht, es gehe um das gefühlte Gewicht. Die eine brächte mehr Körperspannung auf, die andere weniger. Je mehr Spannung im Körper, desto weniger Gewicht liegt in den Armen des Herren. Zum Training mit Bankkauffrau Michaela kam Alex heute nachmittag extra aus Essen angeflogen. Dort hatte er einen Termin als Unternehmensberater. Morgen früh geht es zurück zum Kunden.

Michaelas fester Freund bringt die ideale Voraussetzung mit, er hat selbst mal Turniere getanzt und kennt das, wenn fünf Abende mit dem "Zweitpartner" trainiert wird und das Wochenende fürs Turnier in Berlin oder Hamburg draufgeht.

Die Kostüme, die Schminke, das Anfeuern

Die Kostüme, die Schminke, das Anfeuern. All das fällt im Wettkampf ziemlich übertrieben aus. Mit aufwändigen Trikots und extremem Make Up versuchen die Tanzpaare selbst aufzufallen, mit lautem Beifall aus dem Publikum sollen die Kampfrichter in ihrer Wertung beeinflusst werden - wie am Samstag wieder zu sehen.

Michaela und Stefan sind fertig für heute, keuchend und verschwitzt verlassen sie die Tanzfläche. Die Oppermanns dagegen zögern gerade noch: "EIn Jive! Wollen wir probieren? Ist das nicht zu schnell?" Sie stehen auf: "Ach, was!"

Nach dem Training sitzen die meisten Paare noch gemütlich beisammen. Eine der Damen schüttet Kekse in eine Schüssel - und dann wird geratscht: Über die letzte Kreuzfahrt, übers Tennisspielen, die Kinder, die Enkelkinder und natürlich über den "Ball der Nationen". Zum Europapokal im Lateintanz werden dort die deutschen Meister Anastasiya Kravchenko und Jespeper Birkehoj antreten sowie das Weltmeisterpaar Anna Melnikova und Stefano Di Filippo aus Italien. Außerdem zeigen die German-Open-Sieger Benedetto Ferruggia und Claudia Köhler im Showprogramm Standardtänze. Da die Veranstaltung diesmal im provisorischen Fröttmaninger Zeltbau stattfindet, gibt es auch für das Publikum viel Platz auf dem Parkett.

Carsten hat inzwischen die Rolle des DJs übernommen und legt ein neues Lied auf. Die Oppenheims nicken sich zu, strahlen sich an und gehen auf die Tanzfläche. "Wenn wir Rumba tanzen, zerfließe ich vor Glück", sagt sie.

Gelb-Schwarz-Casino München e.V., Sonnenstraße 12, www.gsc-muenchen.de Der Ball der Nationen findet am 7. Februar 2009 im ausgelagerten Deutschen Theater in Fröttmaning, Werner-Heisenberg-Allee 11 statt, Tickets kosten 29 bis 126 Euro, Informationen unter 089/55 23 44 44, neben einem Showprogramm im Standardtanz wird der Europapokal im Latein ausgetragen, für tanzbare Musik sorgt Hugo Strasser mit seiner Band, www.balldernationen.eu/

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