Gegen das Tabu:Aufstören

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Mit einem Plakatturm am Marienhof wirbt Gesundheitsministerin Melanie Huml dafür, psychisch kranke Menschen aus der Tabuzone zu holen. (Foto: Robert Haas)

Eine Kampagne soll helfen, Depressive anzusprechen

Von Dietrich Mittler

Ein acht Meter hoher Gerüstturm als solcher ist ja nicht unbedingt gleich ein Blickfang - der auf dem Marienhof allerdings schon. "Bitte stör mich!" steht dort mit Großbuchstaben auf signalrotem Hintergrund geschrieben. Jugendliche hatten das "Bitte stör mich!" offenbar so verstanden, den Turm unten auf der Rückseite mit eher dämlichen Sprüchen und Telefonnummern zu beschmieren. Auf einige andere Betrachter wiederum, die da am frühen Montagnachmittag am Turm entlangschlenderten, mochte die Aufforderung zu stören gar irritierend wirken - noch dazu im Zusammenhang mit einer Kampagne zum Thema Depression.

Doch das, so sagte Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU), sei bezweckt: "Der Turm hier soll durchaus stören", sagt sie, "im positiven Sinne." Es gelte, die Gesellschaft aufzurütteln für eine Krankheit, die für viele immer noch ein Tabu darstelle. "Es ist aber wichtig, psychische Erkrankungen aus der Tabuzone zu holen", sagte die Ministerin. Immerhin habe die Zahl stationär behandelter Fälle erheblich zugenommen. In Gesprächen mit von Depression betroffenen Menschen lasse sich die Erfahrung machen, dass diese dankbar dafür gewesen wären, hätte sie nur jemand auf ihr verändertes Verhalten angesprochen. "Leider aber zieht sich das Umfeld einer an Depression leidenden Person oft zurück, weil man nicht weiß, wie man damit umzugehen hat", sagte Huml. Dabei sei eine Botschaft zentral: "Depression ist behandelbar." Insofern sei es zum Wohl der Betroffenen, sie "zu stören, sie anzusprechen" und ihnen den Tipp zu geben, sich in ärztliche Behandlung, zum Therapeuten, zu begeben. Sie selbst hoffe, mit der Kampagne, die noch bis zum Frühjahr 2017 laufe, möglichst viele Bürgerinnen und Bürger zu erreichen.

Wer mehr hier mehr Informationen wünsche, bekomme sie jederzeit im Internet unter www.bitte-stoer-mich.de, der Turm am Marienhof bleibe indes lediglich für vier Wochen stehen. Im kommenden Frühjahr will Huml noch einen Bericht zum Thema Depression vorlegen. Erste Ergebnisse lägen bereits vor. 2014 etwa hätten in Bayern rund 1,1 Millionen gesetzlich versicherte Patienten die ambulante Diagnose "Depression" bekommen, wie aus den Daten der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns hervorgehe. Rechne man die Privatversicherten hinzu, müsse von 1,2 Millionen Betroffenen im Freistaat ausgegangen werden.

© SZ vom 11.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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