Gefährlicher als Trunkenheitsfahrten:Mit 120 Sachen im Zickzack-Kurs

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Rennen auf dem Mittleren Ring mündet in Rechtsgespräch

Von Susi Wimmer

In der bayerischen Umgangssprache gibt es einen saloppen Begriff, der einen Geschwindigkeitswettbewerb auf der Straße mit den Worten "a Wurstsemmel ausfahr'n" umschreibt. Der Gesetzgeber hingegen subsumiert derartige PS-Vergleiche unter dem Paragrafen 315d im Strafgesetzbuch mit der Überschrift "Verbotene Kraftfahrzeugrennen". Und er versteht da keinen Spaß mehr: Seit 2017 gelten illegale Autorennen als Straftat, es drohen sogar Haftstrafen. So gesehen hatten Dino G. und Kreshnik B. am Freitag vor dem Amtsgericht Glück. Weil sie im Februar mit 120 km/h nebeneinander über den Mittleren Ring gebrettert sind, müssen sie 1000, beziehungsweise 1250 Euro berappen, zudem wurde beiden der Führerschein für elf Monate entzogen.

Angeblich kennen sie sich nicht, der 23 Jahre alte Student und der 26 Jahre alte Arbeitssuchende. Ihre Fahrzeuge würde man nicht unbedingt als Rennautos einstufen: ein VW Golf und ein BMW Mini. Zufällig sollen sich die beiden Autofahrer in der Nacht von 1. auf den 2. Februar dieses Jahres auf der Landshuter Allee begegnet sein. Spätestens auf Höhe des Landshuter Tunnels in nördlicher Richtung sollen beide Gas gegeben und mit überhöhter Geschwindigkeit im Tunnel ein Auto überholt haben. Dass es sich dabei um eine zivile Polizeistreife handelte, bemerkten sie nicht.

Mit mehr als 100 km/h fuhren die Männer nebeneinander her, bremsten vor einer Radaranlage auf Höhe der Dachauer Straße gleichzeitig ab, um danach wieder zu beschleunigen. Laut Anklage ging das Rennen mit ständigen Spurwechseln mit 120 km/h weiter, erlaubt sind 50. Die Zivilpolizisten stoppten Dino G. noch auf dem Mittleren Ring, von Kreshnik B. notierten sie das Kennzeichen. Ihn klingelten sie später aus dem Bett, um ihn als Halter des Wagens zu identifizieren. Allerdings hatten die Zivilpolizisten einen Mann mit Brille hinter dem Steuer erkannt, "mein Mandant trägt aber keine Brille", erklärte Rechtsanwalt Timo Westermann am Rande der Verhandlung. Vor Gericht erschien Kreshnik B. mit seinem Bruder, der ihm auffallend ähnlich sieht. Die Zivilpolizisten sollten vor Gericht aussagen, wer denn tatsächlich gefahren sei.

Doch so weit kam es gar nicht. Die Amtsrichterin schlug ein Rechtsgespräch vor und gab bei Geständnissen einen Strafrahmen vor, den alle Beteiligten am Ende befürworteten. Der Staatsanwalt hob in seinem Plädoyer den mahnenden Zeigefinger und erklärte, dass der Gesetzgeber bei derartigen Rennen einen Rahmen von Geldstrafen bis zu zwei Jahren Gefängnis vorsieht, "höher als bei Trunkenheitsfahrten". Die Aufmerksamkeit der Fahrer gelte nicht mehr dem Straßenverkehr, sondern dem Konkurrenten, "und sie bestärken sich gegenseitig, die Regeln außer Acht zu lassen".

Auch Rechtsanwalt Timo Westermann sagte nach dem Urteil, dass der Begriff "Rennen" längst nicht mehr einen Wettbewerb mit Start und Ziel beinhalte. "Auch wer auf kurzen Strecken Gas gibt, ist schnell in einem verschärften Strafrahmen."

© SZ vom 19.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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