Gedenken zum Kriegsende:Die Mahnblumen

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Auf dem Königsplatz setzt Künstler Walter Kuhn mit seiner Aktion ein Zeichen für den Frieden

Von Sabine Buchwald, München

Beeindruckendes Gemälde von oben: der Königsplatz mit Blumenschmuck. (Foto: Herbert Stolz)

Während Staatsoberhäupter in Paris über höhere Verteidigungsausgaben sprechen, ist in München das Ende des Ersten Weltkriegs vielen Hundert Menschen Anlass, für Abrüstung und Frieden zu demonstrieren. Am Sonntag um kurz nach elf Uhr steht Walter Kuhn auf der mobilen Bühne am Königsplatz und schaut auf die Menschenmenge und 3200 stilisierte Mohnblumen. Sie sind das Erinnerungssymbol im Commonwealth für die Kriegsopfer. Der ehemalige Stadtplaner hat die "Poppies" nähen und in die Wiese stecken lassen. Er hat Plagiatsvorwürfe abgeschüttelt, zwei Bezirksausschüsse und die Stiftung "Kolibri" für seine Idee begeistert, genug Geld dafür gesammelt und sie durchgezogen. Mit großer Geste lässt Kuhn die Schriftzüge des schwarz gestrichenen Containers enthüllen: "Niemals wieder" steht hier in mehreren Sprachen weithin sichtbar zu lesen. Nie wieder Krieg, das ist Kuhns zentrales Anliegen. Auch die Redner nach ihm rufen allesamt zur Friedensarbeit auf, jeder freilich aus einem anderen Blickwinkel. "Ein Krieg ist das Schlimmste, was einem Volk passieren kann", sagt etwa Tatjana Lukina, die Gründerin des Zentrums russischer Kultur in München (MIR), und philosophiert über die angebliche "Größe" des Krieges. "La Grande Guerre" nennen die Franzosen den Ersten Weltkrieg. Für Lukina ist Krieg "widerlich, grausam, unmenschlich, aber nicht groß". Nimmermüde, sich gegen Atomwaffen auszusprechen, sagt Martin Hinrichs, Geschäftsführender Vorstand von ICAN Deutschland: "Wir werden Kriege nicht verhindern können, wenn wir nicht von der Falschheit von Kriegen überzeugt sind."

Wer an diesem Vormittag auf dem Königsplatz steht, muss nicht überzeugt werden. Auffällig viele Personen mit grauen Haaren. Es sind Kinder und Kindeskinder des Zweiten Weltkrieges, die vielleicht die Auswirkung von Verlust und Vertreibung in ihren Familien kennen. Geduldig warten sie auf den Syrischen Friedenschor, der aus technischen Gründen länger nicht zu hören ist. Die Musiker sind die neuen Kriegskinder und sie singen von Heimat.

Für viele Besucher ist die Kunstaktion, die an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erinnern soll, auch ein beliebtes Fotomotiv. (Foto: Herbert Stolz)

Achtsamkeit ist hier am Platz und Beharrlichkeit. Mit dieser Tugend sammeln Mitglieder der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK) Unterschriften auf bunten Zetteln und lassen sie wie tibetanische Gebetsfahnen an einer langen Leine flattern. Kulturreferent Hans-Georg Küppers bedankt sich öffentlich bei Kuhn und fordert indirekt auf, es ihm gleich zu tun: Dies sei ein Beispiel, wie aus dem Antrieb eines Einzelnen das Bewusstsein der Bevölkerung erreicht wird.

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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