Gebrochene Herzen:Verhinderter Weltenbummler

Lesezeit: 2 min

Horatio Vallone verliebte sich als junger Mann in München, obwohl er in Sizilien schon verlobt war. (Foto: Stephan Rumpf)

Horatio Vallone verließ seine Heimat Sizilien - der Liebe und seines Gewissens wegen

Die Geschichte, wie Orazio Vallone von Sizilien nach Deutschland kam, ist eine, in der drei gebrochene Herzen und eine gute Portion schlechtes Gewissen stecken. Wenn der 73-Jährige sie erzählt, beginnt er die Sätze oft mit: "Mein Gott." Alles begann damit, dass Vallone mit 19 Jahren die ganze Welt sehen wollte. Frankreich, England, Amerika. Aber zuvor brauchte er Geld. Und das ließ sich in München schneller verdienen als auf Sizilien. Er arbeitete hier in einem Lager, 400 Mark verdiente er im Monat. 1,50 Mark davon waren jeden Tag gleich wieder weg, für sein Zimmer in einem Wohnheim in Giesing, das er sich mit elf anderen Italienern teilte. "Sie waren sehr laut, haben viel geschimpft, viel geraucht und waren immer unter sich", sagt Vallone. Er sei anders gewesen. Zusammen mit einem Freund zog er um die Häuser und lernte schnell, wie Vallone es ausdrückt, die "deutschen Madl" kennen. Er verliebte sich eines - und das Madl verliebte sich zurück. So ging es 18 Monate lang - bis Vallone beschloss, wieder nach Italien zurückzukehren. Denn was er nicht verriet: In Sizilien war er bereits verlobt. Doch eine Woche vor seiner Abreise gestand ihm seine deutsche Freundin, dass sie schwanger sei. "Ich war in einer Zwickmühle", sagt Vallone. Er beschloss, dass die Welt zu bunt und er zu jung zum Vater sein war und stieg in den Zug Richtung Italien - seine Freundin wollte ihn jetzt aber auch nicht mehr heiraten.

"Ich war jung und dumm", sagt Vallone. "Und das schlechte Gewissen hat mich immer begleitet." Erst als sein Sohn fünf Jahre alt war, nach vielen Briefen mit Fotos, auf denen er jedes Mal ein bisschen größer aussah, stand Vallone Weihnachten 1971 mit einem Strauß Blumen in der einen und einem kleinen Koffer in der anderen Hand vor ihrer Haustüre in München. Sie heirateten, bekamen noch ein Kind und heute sagt Vallone: "München ist meine Stadt. Ich gehe hier nicht mehr weg."

Vallone arbeitete zuerst bei einer Firma, die Jalousien herstellte, dann sortierte er Briefe bei der Post. Probleme mit den Deutschen habe er nur einmal gehabt: Weil er so lange Beatles-Haare hatte, fragte ihn ein Kollege, ob er ein Mädchen sei oder ein Mann. "Das war wirklich die einzige Episode. Ich habe schnell viele Kontakte geknüpft." Er trat der italienischen Kommunistischen Partei in München bei, gründete einen italienischen Kulturverein und spielte bei einer Theatergruppe mit. Viele seiner Landsleute hätten ihm aber erzählt, dass ihnen der Start im neuen Land schwerer fiel: "Die Deutschen haben für die Italiener viel Liebe, aber keinen Respekt. Und für die Italiener ist es andersherum genauso. Das ist leider bis heute so."

© SZ vom 20.09.2018 / chrh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: