Gasteig-Ausweichquartier:Sehnsüchte - und Klagelieder

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Die Sendling-Lösung hätte auch ihre Schattenseiten

"Zittern um das Biotop der Kreativität" vom 30. Juni, "Ziemlich urban, da draußen" vom 24. Juni und "Sendling elektrisiert" vom 23. Juni:

Traut Euch mal was!

München zeigt ja viel Mut, mit wichtigen öffentlichen Einrichtungen in Zukunft aus der kulturellen Bündelung um den erweiterten S-Bahn-Knotenpunkt Marienplatz und der resthistorischen Altstadt herauszukommen. Erst die Pfanni-Philharmonie im ehemaligen Industriegebiet - ein Licht am Ende des Tunnels unter den vielen Gleisen am Ostbahnhof? Und recht bald womöglich Konzerte beim Heizkraftwerk an der Brudermühlstraße in einer denkmalgeschützten Werkshalle, deren kantige Form wie die alten Musikhallen gute Akustik versprechen könnten. Soll ja nur ein Provisorium sein, aber wir wissen ja alle, wie dauerhaft Provisorien sein können.

In fünf Jahren soll das dort gebaut sein. Kann man das bei dem gewohnten Münchner Tempo der rotierenden runden Tische und wortfeiler Ankündigungen und Behauptungen wirklich glauben? Auch wenn jetzt alle gewohntermaßen sehr begeistert wirken. Denn man hätte dann gerade noch im Innenbereich des Mittleren Rings eine hochrangige Kultureinrichtung, die man eigentlich gleich mit Mut für die Zukunft als Isar-Philharmonie bauen könnte. München wächst zwar schneller als Hamburg; aber so ein sensationelles Highlight wie die Elbphilharmonie fehlt hier doch noch, um das Münchner Selbstverständnis der Kulturstadt prächtig zu behaupten.

Das Gasteig-Kulturzentrum bauten Hamburger Architekten, die aber mehr Kontor-Verwaltungsbauten planten. Statt dem "Muckefuck" eines Provisoriums sollten man vielleicht gleich den vollaromatischen doppelten Espresso einer richtigen Isar-Philharmonie genießen. Mit einem Mut, den es in München 45 Jahre nach den Olympischen Spielen von 1972 durchaus mal wieder geben sollte! Frank Becker-Nickels, München

Es geht um Existenzen

Bürgermeister Josef Schmid scheint zu jubeln über die Möglichkeit, die Kulturkonzentration des Gasteigs für mehrere Jahre in Sendling unterzubringen. In Wirklichkeit ist dieses Gelände ein für München (mittlerweile) einzigartiges Biotop der Kreativität, hier sind mindestens 50, eher 80 erfolgreiche, kleine Gewerbetreibende, die sich auf dem überteuerten Münchner Gewerbeimmobilienmarkt sehr schwer täten, eine neue Bleibe zu finden. Wenn dann mit beschönigenden Worten gesagt wird, dass "lediglich einige alte Garagen dem Interimsbau einer Konzerthalle weichen müssten", geht das an der für viele Betriebe existenzgefährdenden Realität dieses Vorhabens vorbei. All diese Betriebe hier arbeiten zum Teil seit vielen Jahren hier, zahlen ihre Gewerbesteuern, haben ihre Stammkundschaft in Sendling und Thalkirchen und nehmen all die Nachteile des Gewerbestandorts München in Kauf. All diese Betriebe sind nun in ihrer Existenz gefährdet, wegen einer "nur" 30 Millionen Euro teuren, nur fünf Jahre dauernden Interimsnutzung durch die Hochkultur (über deren Finanzbedarf man angesichts der täglichen existenziellen Probleme vieler Gewerbetreibender durchaus nachdenken könnte). Zumindest sollte man nicht mit einem Achselzucken all diese Gewerbebetriebe ins Jenseits schicken. Peter Hornung, München

© SZ vom 14.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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