Gaspreis soll um 11 Prozent steigen:"Der einzelne Kunde ist machtlos"

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Die Stadtwerke wollen die Gaspreise zum 1. Juli drastisch erhöhen. Verbraucherschützer halten den Anstieg für übertrieben und sehen die Kartellbehörden in der Pflicht.

Jan Bielicki

Wer mit Gas heizt, kocht oder das Wasser wärmt, muss von Juli an deutlich mehr zahlen. Die Stadtwerke haben angekündigt, ihre Preise um elf Prozent zu erhöhen. Die Preissteigerung, die sowohl Tarif- wie Vertragskunden trifft, begründen die Werke mit den erhöhten Einkaufspreisen. Auch einzelne Konkurrenzanbieter wollen bald mehr für Gas verlangen.

Die Preise für Erdgas sind deutlich langsamer gestiegen als für Heizöl. (Foto: Foto: SZ-Grafik)

Um wie viel steigen die Gaspreise der Stadtwerke?

Das hängt davon ab, wie viel Gas der Kunde verbraucht, und davon, ob er es nach den Tarifen der Grundversorgung oder einem eigenen Vertrag bekommt. Im Schnitt, so geben die Stadtwerke an, erhöhen sich die Preise am 1. Juli um rund zehn Prozent. So zahlt ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt, der im Jahr 30.900 Kilowattstunden Gas verbrennt, im Vollversorgungstarif künftig rund 2160 Euro dafür, knapp 220 Euro oder 11,3 Prozent mehr als bisher. Hat dieser Haushalt einen Vertrag abgeschlossen und zahlt die sogenannten M-Erdgas-Basispreise, ist der Anstieg geringfügig weniger steil. Für ihn sind künftig 2045 Euro im Jahr fällig, 195 Euro oder 10,5 Prozent mehr als bisher.

Ein durchschnittlicher Zwei-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 17.510 Kilowattstunden ist künftig mit 1273 Euro jährlich dabei, also mit 124 Euro oder 10,8 Prozent mehr als bisher, wenn er Tarifkunde ist. Für einen Vertragskunden koste die gleiche Menge 1209 Euro, also 110 Euro oder 10,1 Prozent mehr als bisher. Am günstigsten kommt noch ein Single mit Vertrag und einem Verbrauch von 10.300 Kilowattstunden weg: Er zahlt künftig 758 Euro im Jahr, 65 Euro oder 9,4 Prozent mehr als bisher.

Wieso erhöhen die Stadtwerke ihre Preise?

Die von ihm so genannte Anpassung begründet der städtische Gasversorger mit "weltweit drastisch gestiegenen" Energiepreisen. Tatsächlich schlägt die an jeder Tankstelle zu beobachtende Preisexplosion für Benzin auch auf den Gasmarkt durch. Im internationalen Handel richten sich die Preise für Gas nach denen für Rohöl - und die haben sich seit Anfang 2007 fast verdoppelt. Auch die Preise für Heizöl, an denen sich die Einkaufspreise orientieren, die Gasversorger ihren Lieferanten zahlen, sind seither von 53 auf mehr als 92 Euro pro Hektoliter gestiegen.

Die höchst umstrittene Ölpreisbindung im Gashandel bewirkt, dass die Gaspreise denen des Öls mit einem Rückstand von sechs Monaten folgen. So lag der Importpreis für Gas im März bei etwa 2,38 Cent pro Kilowattstunde und damit um 18,2 Prozent höher als im Jahr zuvor. Seit 2004 hat sich dieser Preis für das zu mehr als drei Viertel aus Russland, Norwegen und Holland kommende Gas mehr als verdoppelt.

Wie setzt sich der Gaspreis zusammen?

Der Kosten für die Förderung des Gases und dessen Transport nach Deutschland machen nur knapp ein Drittel des Gaspreises aus. Wie die Stadtwerke ihre Preise genau kalkulieren, wollen sie nicht verraten, seit sie im Wettbewerb stehen. Zuletzt rechneten sie Ende 2006 vor, dass mehr als die Hälfte der eingenommenen Gaserlöse an den Vorlieferanten gingen, ein Viertel für Umsatzsteuer, Erdgassteuer und die städtische Konzessionsabgabe an den Fiskus - und der Rest in die Erhaltung des Netzes und in die Vertriebskosten.

Allerdings halten viele Experten die von den Versorgungsunternehmen und ihren Vorlieferanten - im Fall der Stadtwerke das eigene Beteiligungsunternehmen Bayerngas - kalkulierten Netzentgelte für zu hoch. Die Bundesnetzagentur, Aufsichtsbehörde der Branche, verhandelt gerade auch mit den Stadtwerken über die Höhe dieser Entgelte. Die Stadtwerke sehen dagegen bei einer verordneten Senkung den Erhalt des Gasnetzes in Gefahr.

Kann sich der Kunde gegen die Preiserhöhungen wehren?

Kaum. "Der einzelne Verbraucher ist ziemlich machtlos", sagt Markus Saller von der Verbraucherzentrale Bayern. Zwar geben die Verbraucherschützer immer noch Tipps, wie Kunden sich rechtlich gegen ihnen unbillig erscheinende Preiserhöhungen zur Wehr setzen können, aber dieser Streit kostet Nerven - und der Ausgang ist ungewiss. "Wir glauben zwar, dass an der Preisgestaltung der Versorgungsunternehmen einiges nicht stimmt", sagt Saller, "aber die bisherige Rechtsprechung hilft den Verbrauchern nicht wirklich weiter."

Der Verbraucherschützer hält darum den Widerstand Einzelner vor den Gerichten "nicht für den wirklich zielführenden Weg". Er setzt eher auf den Druck der Europäischen Union, der Kartellbehörden und der Politik: "Die Verbraucher brauchen einfach mehr Wettbewerb."

Gibt es Alternativen?

Auf dem Münchner Gasmarkt nur wenige. Der örtliche Energiehändler Montana liefert Gas geringfügig billiger als die Stadtwerke. Das Unternehmen wird seine Preise im Juli jedoch auch anheben. "Wir wollen aber preiswerter bleiben als die Konkurrenten", sagt der Geschäftsführer Stefan Koberger.

Die Billigmarke "E wie Einfach" des Energieriesen Eon liegt mit seinen Preisen etwas unterhalb der Tarife der Stadtwerke, bleibt aber teurer als die Vertragsangebote des städtischen Versorgers. Auch die Stadtwerke selber bieten für Kunden, die alles über das Internet abwickeln, noch einmal drei Prozent Vergünstigung - mit einem großen Nachteil: Kunden müssen dafür ein ganzes Jahr im Voraus zahlen.

Wie entwickeln sich die Preise weiter?

Das weiß niemand. Auch Experten tappen im Dunkeln. Erst im November 2007 sah eine Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums den Rohölpreis bis 2020 kaum über 50 Dollar pro Barrel wachsen. Er liegt jetzt schon bei 125 Dollar. Auch beim Gas geht der Trend steil nach oben. Es wird wohl nicht die letzte Preiserhöhungsrunde gewesen sein. Eine Preisgarantie jedenfalls geben die Stadtwerke nicht mehr.

© SZ vom 20.05.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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