Garching-Forschungszentrum:Umstrittene Ehrung für Hitlers Flugzeugbauer

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Gedankenlos, peinlich, oder beides? Die Münchner TU will im neuen U-Bahnhof am viel gelobten Garchinger Forschungszentrum unter anderem ehrende Tafeln für Willy Messerschmitt und Claude Dornier anbringen - ohne ein Wort über deren Nazi-Vergangenheit. Ob sich das auf der Bewerbung als internationale Elite-Uni gut macht?

Bernd Kastner

Den U-Bahnhof, dessen Eröffnung für Oktober geplant ist, sollen 26 Bildtafeln zieren, die an große Wissenschaftler wie Rudolf Diesel, Max Planck, Wilhelm Conrad Röntgen oder Albert Einstein erinnern. Und auch an Claude Dornier und Willy Messerschmitt. In deren Werken waren Tausende Zwangsarbeiter beschäftigt. Bei Dornier in Neuaubing etwa waren es mehr als 1900, ist im Katalog zur aktuellen Ausstellung "Ort und Erinnerung" in der Pinakothek der Moderne zu lesen: "An anderen Produktionsstandorten beutete Dornier auch Häftlinge aus dem KZ Dachau aus."

(Foto: Claude Dornier (Foto: dpa))

Die Firma Messerschmitt setzte nach Angaben von Albert Knoll von der KZ-Gedenkstätte Dachau mehrere tausend Häftlinge in zahlreichen KZ-Außenlagern ein. Auch unmittelbar neben dem Dachauer Lager gab es eine Produktionsstätte. Zudem mussten viele in unterirdischen Produk-tionsanlagen arbeiten.

Zuständig für den Bahnhofsbau ist die Stadt Garching. Bürgermeister Manfred Solbrig (SPD) erklärt, er habe kein Problem mit der Vergangenheit der beiden "anerkannten Wissenschaftler", räumt aber ein, dass deren NS-Vergangenheit im Stadtrat "nicht thematisiert" worden sei. Die Namensliste sei im Paket beschlossen worden, einstimmig.

Geschnürt hat dieses Paket eine Kommission, bestehend aus Vertretern der in Garching beheimateten Forschungsinstitute, unter anderem der beiden Münchner Unis. Dornier und Messerschmitt kamen als der Technischen Universität München verbundene Wissenschaftler auf die Liste.

TU-Präsident Wolfgang Herrmann versichert, man habe sich "sehr, sehr intensiv befasst" mit den beiden "begnadeten Flugzeugbauern", habe eigens einen Historiker mit Recherche beauftragt. Einer Ehrung stehe nichts im Wege. Messerschmitt (1898-1978) etwa sei zwar 1933 in die NSDAP eingetreten, habe aber, so Hermann, mit dem NS-System "nichts am Hut gehabt". Er sei 1942 in seiner eigenen Firma vom Regime kalt gestellt worden und daher für den Einsatz von Zwangsarbeitern von 1943 an nicht verantwortlich zu machen.

Dornier (1884-1969) habe in seinen Werken Aufträge der Luftwaffe nur "zögerlich" abgearbeitet, weshalb seine Fabriken als "Dornröschen-Werke" gegolten hätten, so Herrmann. Es sei davon auszugehen, dass man Dornier die Zwangsarbeiter aufgedrängt habe. Herrmann: "Es gibt keine Hinweise, dass er sich schlecht verhalten hätte."

Diesen Darstellungen widerspricht Lutz Budraß vehement. Der Historiker an der Universität Bochum hat das Standardwerk über "Flugzeugindustrie und Luftrüstung" geschrieben. "Messerschmitt hat sich mehr als alle anderen Flugzeugbauer mit Hitler eingelassen", so sein Urteil.

Messerschmitts "Entmachtung" sei formaler Art gewesen. Nach 1942 habe er sich zudem direkt an Hitler gewandt, "er war des Führers Lieblingskonstrukteur". Messerschmitt habe sich persönlich für die Flugzeugfertigung in unterirdischen Anlagen eingesetzt. Ausdrücklich habe er sich auch für den Einsatz von Sklavenarbeitern aus KZs stark gemacht, unzählige Menschen kamen dabei zu Tode.

Im Juli 1943 schrieb Messerschmitt an den Dachauer KZ-Kommandanten: "Meine Herren berichten mir von den beträchtlichen Leistungssteigerungen, die durch den Einsatz der KZ-Häftlinge im Werk Augsburg erzielt worden sind, wie auch von den hervorragenden Erfolgen, die bei der Verlagerung eines Teiles unserer elektrischen Fertigung in das Lager Dachau erreicht wurden. Ich bin mir bewusst, dass diese Erfolge vor allem dank Ihrer persönlichen Initiative und Einsatzfreudigkeit für diese neuen Aufgaben erzielt wurden."

Zu Dornier sagt Budraß: "Er war kein Anti-Nazi, er hat an vorderster Stelle an der Aufrüstung mitgearbeitet". Der Historiker warnt vor der geplanten Ehrung: "Ich halte es für sehr problematisch, Personen, die so stark belastet sind, auf diese Weise zu ehren." Er wie auch Ulrich Herbert, Geschichts-Professor an der Uni Freiburg, plädieren dafür, auf den Ehren-Tafeln differenziert auf beide Facetten der Vita hinzuweisen. Herbert: "Wir dürfen Geschichte nicht reduzieren auf Helden- und Schurkengedichte."

Obwohl es sich in Garching um die Endstation einer Münchner U-Bahnlinie handelt, hat man sich in der Stadt damit offenbar noch nicht beschäftigt. OB Christian Ude lässt ausrichten, er wolle sich dazu nicht äußern, es handle sich um eine Garchinger Angelegenheit. Bislang stören die Tafeln nur Siegfried Benker, Chef der Rathaus-Grünen: "Können Waffenproduzenten des NS-Regimes unschuldig sein?"

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