Gancia-Award: Emiko:Das Staunen der Feinschmecker

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Rudi Kull und Albert Weinzierl haben mit ihrem Restaurant "Emiko" die japanische Haute Cuisine nach München gebracht.

Anne Goebel

Rudi Kull erzählt die Geschichte immer wieder gern, es ist eine Art Gründungsmythos des "Emiko", und bei einer gewagten Neuerfindung kann ja das Beschwören eines übernatürlich anmutenden Auftakts nicht schaden. Es war also ein früher Morgen des Jahres 2005, als der damals schon erfolgsverwöhnte Gastronom in der ausgedienten Schalterhalle einer Bank am Viktualienmarkt stand, ins gleißende Morgenlicht blickte und genau hier seine Idee von einem Hotel zu realisieren beschloss. Inzwischen ist Kull gemeinsam mit seinem Partner Albert Weinzierl Inhaber des Hotel Louis im Kustermann-Bau, vielgepriesen ob seiner dezent coolen Gemütlichkeit. "Austerity chic", eine raffinierte Kargheit bescheinigten dem Haus zum Beispiel die Stilwächter des Designmagazins Wallpaper. Für das erfindungsreiche Gastronom&Architekt-Duo Kull und Weinzierl war eine edle Herberge in Toplage das überfällige Element in ihrer Münchner Erfolgsstory mit Lokalen wie Brenner, Bar Centrale und dem Hotel Cortiina. Andererseits ist Rudi Kull so durch und durch Gastronom, dass er bei seinem morgendlichen Initialerlebnis von Anfang an auch ein Lokal im Sinn hatte. Und zwar sollte es etwas ganz Neues sein. "Also haben wir uns 'traut", sagt er mit seinem österreichisch angehauchten Singsang und löffelt einen Happen vegane Pastete aus einem hohen Glas.

Wer sich mit Rudi Kull in seinem japanischen Restaurant "Emiko" trifft, merkt schnell, wie sehr ihm das, was er sich da getraut hat, am Herzen liegt, und zwar in jedem Detail. Bei auffallend schön angerichteten Kleinigkeiten vom Frühstücksbuffet, einer Schale Milchreis mit gedünsteten Äpfeln, vegetarischen Brotaufstrichen, Tee in durchscheinenden Porzellantassen, gerät der 42-Jährige anderthalb Jahre nach der Eröffnung noch ins Schwärmen. Über Weinzierls Entwürfe für die Holzmöbel aus weißem Ahorn, die Lampenschirme aus Wasserhyazinthe, das Geflecht an den Wänden - japanische Elemente, dezent europäisiert. Und was war das Wagnis? "Die Nische", sagt Kull. Mit gehobener italienischer oder bayerischer Küche in exponierter Lage könne man in München nichts falsch machen. Aber "Modern japanese cuisine", wie sie die pistaziengrüne Visitenkarte des Emiko verheißt, das ist neu. Natürlich kennt man hier japanische Restaurants, auch der Unterschied zwischen Straßensushi und ambitionierteren Speisekarten ist dem weitergereisten Restaurantbesucher klar. Haute Cuisine aus Tokio - weltweit der Ort mit den meisten Sterneköchen - haben erst Kull und Weinzierl den Münchnern beschert.

Nun wird kein Gastronom und erst recht kein Kull für sein liebstes Experiment zweiflerische Worte finden - der Hausherr jedenfalls preist seine vierköpfige Küchencrew aus Japan genauso euphorisch wie die aus Osaka importierte Patissière, die virtuos mit Jasminblütenessenz und Aroma vom Grünen Tee umzugehen weiß. Man verständige sich übrigens auf Englisch und Italienisch, nur Küchenchef Tajima Atsushi spricht deutsch. Und was aus dem verblüffend kleinen Kochlabor hier jeden Mittag und Abend auf die Tische kommt, hat beim Publikum so eingeschlagen, dass Rudi Kull manchmal bang bei der Frage wird, wie er bei möglichen Engpässen an Verstärkung kommt. "Japanische Spitzenköche sind schwer zu finden", sagt er. Und solche Dinge können eben nur Meister zubereiten: Hauchdünn geschnittene Jakobsmuscheln mit den Zitrusaromen der Yuzufrucht, Lotuswurzelgemüse mit Bergpfeffersauce, kunstvoll dekorierte Makis aus Dorade und japanischer Pflaume. Die hohe (und bekömmliche) Kochkunst Japans mit ihrem rigorosen Qualitätsanspruch an die von Spezialhändlern gelieferten Zutaten werde im Emiko hochgehalten, die traditionell starre Speisenfolge zugunsten eines "Sharing-Prinzips" gefälliger gemacht, erklärt Kull: Sämtliche Gerichte kommen in die Mitte des Tischs, so könne jeder aus der Runde alles probieren. Die angeregten Tafelgespräche, der spontane Beifall von Gästen, die gemeinsam ihr erstes butterzartes Filetstück vom berühmten Wagyu-Rind kosteten oder ein Stück weißen Lachs aus der Arktis, eine Rarität - Kull erinnert sich besonders gern an die erste Zeit im Emiko, als jeden Abend Aufbruchstimmung herrschte bei den Entdeckungsreisen in neue gastronomische Gefilde. Inzwischen gibt es viele Stammgäste. Ins Staunen geraten sie immer noch.

© SZ vom 05.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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