Die Nürnberger Justiz hat das Ermittlungsverfahren gegen einen Münchner Oberstaatsanwalt im Zusammenhang mit der Gaddafi-Affäre eingestellt. Die Initiative Bayerischer Strafverteidiger hatte August Stern im Juni 2011 wegen des Verdachts auf Strafvereitelung im Amt und Geheimnisverrat angezeigt.
Ihm wurde vorgeworfen, einen in München lebenden Sohn des libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi vor einer Hausdurchsuchung gewarnt zu haben. In der Villa von Saif al-Arab Gaddafi waren Waffen und Drogen vermutet worden.
Der Nürnberger Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich hatte das Verfahren gegen seinen Münchner Kollegen an sich gezogen. Ein Justizsprecher bestätigte Informationen der Süddeutschen Zeitung, wonach die ursprünglich ermittelnde Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth das Verfahren vermutlich wegen geringer Schuld einstellen wollte, ob mit oder ohne Geldauflage ist ungewiss.
Der Generalstaatsanwalt sei mit solch einer Schuldzuweisung aber "nicht einverstanden" gewesen, weil er bei Oberstaatsanwalt Stern gar keinen Hinweis auf strafbares Handeln sehe. Deshalb habe der Generalstaatsanwalt als übergeordneter Behördenleiter das Verfahren an sich gezogen. Anders als Gerichte, die unabhängig arbeiten, sind Staatsanwaltschaften weisungsgebunden.
Stern war, wie berichtet, 2007 in Berlin bei der libyschen Vertretung vorstellig geworden, um zu klären, ob Gaddafi diplomatische Immunität genießt und damit für die Justiz tabu ist. Dabei informierte der Oberstaatsanwalt den Botschafter auch über eine anstehende Durchsuchung von Gaddafis Villa in Waldperlach und den von ihm angemieteten Zimmern im Hotel Bayerischer Hof.
Die Durchsuchung erfolgte Wochen später und brachte keine Beweise zutage. Gegen Gaddafi wurde immer wieder ermittelt - von Waffenhandel bis zur Anstiftung zum Mord. Abgesehen von Verkehrsdelikten verliefen alle Verfahren laut Staatsanwaltschaft ergebnislos.
Der Nürnberger Generalstaatsanwalt kommt nun zu dem Ergebnis, dass sich Stern korrekt verhalten habe. Die libysche Botschaft sei für ihn durchaus der richtige Ansprechpartner gewesen, weil für Fragen der Immunität nicht ausschließlich das Auswärtige Amt zuständig sei. Äußerungen des Außenministeriums seien für die Justiz "nicht bindende Gutachten". Außerdem habe Gaddafi damals in München in einem "Gästehaus der libyschen Botschaft" gewohnt.
Angelika Lex, die als Vorsitzende der Initiative Bayerischer Strafverteidiger die Anzeige erstattet hat, zeigt sich verwundert über die Begründung: Diese wirke "sehr bemüht, um einen Grund für die Einstellung zu finden". Irgendjemand müsse den genauen Durchsuchungstermin ja verraten haben, da die Beamten schon erwartet wurden. Wenn nicht August Stern selbst, dann wohl jemand anderes aus der Justiz, vermutet Lex. Man müsse also weiter ermitteln, um das Leck zu finden, fordert die Anwältin.
Für Christine Stahl, Landtagsabgeordnete der Grünen, hat "die bayerische Justiz die Chance zur Aufarbeitung der Gaddafi-Affäre vertan". Es sei sehr verwunderlich, dass die Justiz der libyschen Botschaft mehr Glauben schenke als dem Auswärtigen Amt. Wie schon bei Gaddafi glaubt Stahl, dass auch bei den Ermittlungen gegen den Münchner Oberstaatsanwalt Stern "eine schützende Hand" im Spiel gewesen sei. Man müsse Stern aber zugestehen, dass er keinen leichten Stand im heiklen Fall Gaddafi gehabt habe, so Stahl.
Für die Nürnberger Staatsanwälte ist die Causa Stern vorerst abgeschlossen, erklärt der Justizsprecher. Man habe von den Münchner Kollegen nur den Auftrag bekommen, gegen Stern zu ermitteln, und werde die Akte nun nach München zurückschicken. Dort werde alles weitere entschieden.