Fußball-Puzzle:Die WM in 3000 Teilchen

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Julia Obmann, Redakteurin beim Heye-Verlag, hat eine Eigenschaft, die fürs Puzzeln äußerst nützlich ist: Sie ist beharrlich. (Foto: Claus Schunk)

Beißer Suárez, Rekordtorschütze Klose und der verletzte Neymar: Zeichner Alex Bennett baut die Schlüsselszenen der Fußball-WM in sein Wimmelbild ein. Julia Obmann bringt es als Puzzle auf den Markt - sehnsüchtig erwartet von Tausenden Fans.

Von Sabine Buchwald

Fußballschauen ist für Alex Bennett Arbeit. Arbeit, die ihm Spaß macht. Fast vier Wochen WM-Vergnügen liegen nun hinter ihm, abgesehen von dem frühen Aus der englischen Nationalmannschaft. Denn Alex Bennett ist Brite. Sein berufliches Interesse am Fußball hat ihm über den Frust hinweg geholfen. Als Zeichner mit einem Auftrag ist er dabei geblieben am Fernseher. 2012 begann Bennett, die internationale Fußballgeschichte mit einem Wimmelbild aufzuarbeiten: 2000 handgezeichnete Spieler, Funktionäre, Zuschauer mit und ohne Kleider; 500 Szenen, die unvergesslich bleiben wie Zinédine Zidanes Kopfstoß gegen Marco Materazzi.

Wer sich mit den Augen durchwuselt auf der postergroßen Zeichnung, findet Kickerlegenden wie Beckenbauer, Beckham oder Balotelli - und sechs Mal Stefan Kuntz, der 1996 bei der EM aus englischer Sicht ein fatales Tor schoss. Er wird die Spieler vor allem an Äußerlichkeiten wie Frisuren oder Trikots erkennen, weniger an ihrer Nasenspitze, denn die sind bei Bennetts Figuren alle comicartig rund.

Neue Szenen aus Brasilien

Geschätzte 1800 Arbeitsstunden stecken in dem Bild, das eigentlich fertig und seit Anfang vergangenen Jahres zu kaufen ist. Wegen einer Münchnerin sitzt Alex Bennett in diesen fußballfreudigen Tagen erneut über dem Werk und ergänzt es mit Szenen aus Brasilien. So viel steht schon fest: Er wird Luis Suárez, den Beißer aus Uruguay, mit einem Maulkorb verewigen, Rekordschütze Miro Klose und den verletzten Brasilianer Neymar.

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Eine Woche bleibt Bennett Zeit nach dem Abpfiff des Endspiels in Rio de Janeiro. Dann will Julia Obmann, Redakteurin des Heye-Verlags, die Druckvorlage auf ihrem Tisch. Daraus soll schnellstmöglich ein Puzzle werden mit 3000 Teilen und glänzendem Goldfoliendruck für den WM-Pokal, den vielleicht Philipp Lahm diesen Sonntag jubelnd in die Höhe wuchten wird.

Mit dem Bennett-Puzzle hat Julia Obmann eine vielversprechende Idee. Heye, Teil des KV&H Verlags in Unterhaching, hat sich auf Puzzle mit gezeichneten Motiven und Cartoons spezialisiert. Obmann weiß, dass klare Farbigkeit und kleinteilige Elemente Kriterien sind, die viele Puzzle-Fans schätzen, weil die gestanzten Teilchen leichter identifizierbar und unterscheidbar sind.

Drei Kategorien von Puzzlern

Seit fast zwei Jahrzehnten sind diese Spiele ihr Arbeitsinhalt. Sie teilt die Käufer in drei Kategorien: Leute, die einfache Puzzle mögen, weil sie in wenigen Stunden fertig gelegt sind und schnell ein Erfolgserlebnis bringen; andere, die sich gerne herausfordern und nicht schrecken lassen - etwa von nur leichten variierenden Farbnuancen; und eine dritte Gruppe, die Puzzle vor allem wegen des Motivs kauft und ein fertiges Werk zusammenklebt und ins Wohnzimmer hängt. Für Puzzle-Wahnsinnige mit sehr viel Zeit bringt Heye Panorama-Sondereditionen heraus, wie die Weltkarte im antiken Stil oder eine blühende Gartenlandschaft mit 6000 Teilen, die mit fast zweieinhalb Metern Länge kaum auf einen Esstisch passen. Es gibt auch viele Puzzle-Sammler, die auf immer neue Motive bekannter Zeichner warten.

Auf Mordillo etwa. Die Menschlein des 82-jährigen Argentiniers, unverkennbar allein wegen ihrer ballonartigen Nasen, gehören seit Ende der Siebzigerjahre zum Repertoire des Heye-Verlags. Auch von Motiven deutscher Zeichner wie Walter Moers, Quint Buchholz, Rudi Hurzlmeier oder der Lüpertz-Schülerin Ruth Grünbein kann man sich Stück für Stück ein Bild machen. Am Ende ist es dann zwar kein Original, wie man es gerne von Werken renommierter Künstler hätte, aber durch die eigene Such- und Handarbeit doch individueller als nur ein Posterdruck.

230 Motive hat Heye im Augenblick, und Julia Obmann ist ständig auf der Suche nach neuen Bildern. Auch Fotografien sind im Programm des Verlags, der vor allem hochwertige Kalender produziert. Sie füllen jährlich zwei Kataloge. Die Puzzle einen, sagt Obmann, um zu verdeutlichen, welchen Stellenwert die Spiele bei ihrem Arbeitgeber haben. Dennoch: Die Unterhachinger Firma steht auf dem Ranking der deutschen Puzzle-Firmen nach den Branchenriesen Ravensburger und Schmidt auf Platz drei mit sechs Prozent Marktanteil in Deutschland. "Ganz wichtig ist auch der Export ins Ausland", sagt Obmann.

Um sich auf dem in- wie dem ausländischen Markt zu behaupten, hält Obmann Kontakt zu Zeichnern und Illustratoren auf der ganzen Welt. Eine Erhebung der Export-Abteilung hat ergeben: In sonnigen Gefilden mag man es bunt mit starken Farben, im Norden darf es dezenter sein - wie die Katzenbilder der Britin Jane Crowther oder die Frauenporträts der Gothic-Künstlerin Victoria Francés.

Die meisten Puzzler sind Frauen

Überhaupt Frauen. Etwa 80 Prozent der Puzzler sind weiblich. Genau aber weiß Julia Obmann nicht, für wen sie die Motive wählt. "Auf Messen sind wir oft erstaunt, dass es ein Publikum gibt, das ganz anders ist, als wir denken", sagt sie. Auch von ihr selbst würde man auf den ersten Blick auch nicht vermuten, dass sie etwas mit dem zeitfressenden Hobby zu tun hat.

Die gebürtige Schwäbin hat Kommunikationswissenschaften an der Münchner LMU studiert. Ein Studiengang, mit dem man "alles machen kann, oder auch nichts". Gleich nach dem Magister hat sie bei dem Puzzle-Verlag volontiert. Inzwischen ist sie 46 Jahre alt und seit mehr als 18 Jahren dabei. Ihre Redakteursstelle trat sie zum 1. April 1996 mit roten Haaren an. Haare so kräftig rot gefärbt wie das neue Logo von Heye. Sie reichen ihr bis über die Schultern. Julia Obmann fällt auf, wenn sie vom S-Bahnhof vorbei an Einfamilienhäusern ins Büro rollert.

Viele kommen zum Puzzle zurück

Unterhaching ist nicht gerade ein Kreativquartier. Inspiration holt sich Obmann eher im quirligen Stadtteil Neuhausen, wo sie mit ihrer Familie wohnt. Sie selbst bezeichnet sich als "Firmen-Freak". Nicht wegen ihrer auffälligen Mähne, sondern weil sie so lange durchhält in dem Unternehmen, das schon mehrmals den Besitzer gewechselt hat. Aber Julia Obmann ist beharrlich, eine Eigenschaft, die alle Puzzler brauchen. Und man lässt ihr die Freiheit, kreativ zu reagieren auf Trends wie Graffiti-Kunst oder dem Heimat-Stil. Disney-Lizenz-Produkte machen andere, dafür zerlegt Heye Bilder des australischen Oscar-Preisträgers Shaun Tan in 1000 Teile.

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Obmann will zeigen, was mit dem Genre Puzzle alles möglich ist. "Leute, die früher mit ihren Eltern Neuschwanstein gelegt haben und Puzzle altmodisch fanden, fangen wieder an, wenn sie unsere Motive sehen", sagt Obmann. Das hofft sie jedenfalls, weil es ihr selbst so geht. Ja, sie puzzle gern, sagt sie. Aus eigenem Bedürfnis hat sie vor kurzem ein sechsteiliges Schachtelsystem entwickelt, das man mit sortierten Teilen ineinander stellen kann. Praktisch ist auch die Legematte zum Aufrollen. Nicht ganz so praktisch, aber unverwechselbar sind die Dreiecks-Kartons, in denen Puzzle verkauft werden, die exklusiv für Heye gemalt wurden. Mordillo zum Beispiel, von dem es übrigens auch ein Fußball-Motiv gibt. Das von Alex Bennett überarbeitete "Football-Mishmash" wird nun ein besonderes Stück. Eine Art "historisches Monumentalwerk" wie Die Zeit über das 7:1-Ergebnis Deutschland gegen Brasilien schrieb.

© SZ vom 11.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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