Fundraising:Gutes tun über den Tod hinaus

Lesezeit: 3 min

Das Rote Kreuz wirbt nicht nur um Spenden für seine Arbeit, sondern auch um Erbschaften. (Foto: Catherina Hess)

Vor allem Menschen, die keine Kinder haben, vermachen ihr Vermögen an wohltätige Vereine oder Kirchen - manche Organisationen werben ganz offensiv um die Nachlässe

Von Fridolin Skala, München

2017 war ein gutes Jahr für das Rote Kreuz in München − zumindest in materieller Hinsicht. 5,8 Millionen Euro erhielt der Kreisverband München an Zuwendungen, so steht es im aktuellen Transparenzbericht des Wohlfahrtsverbandes. Besonders interessant an den dort aufgeführten Zahlen sind die sogenannten Testamentspenden, also Fälle, in denen der Kreisverband erbt. Sie machten 2017 mit 1,42 Millionen Euro fast ein Viertel der Zuwendungen aus. Den hohen Betrag kann Peter Behrbohm, der im Kreisverband München bis März dieses Jahres für das Fundraising zuständig war, schnell erklären: "Wir werben seit zehn Jahren sehr aktiv für die Testamentspende. Da wir als gemeinnützige Einrichtung keine Erbschaftssteuer zahlen, kommt das Geld komplett da an, wo es helfen soll."

Der Kreisverband ist mit knapp 60 000 Fördermitgliedern der größte deutschlandweit. Auf der Homepage führt das Rote Kreuz alle bisherigen Erblasser namentlich auf und weist potenziell interessierte Menschen auch direkt auf die korrekte Formulierung im Testament hin. Zusätzlich bietet der Kreisverband eine Beratung zum Thema Erbschaft an. "Wir sagen da ganz offen, dass wir das wollen und bieten im Gegenzug an, dass wir uns um die Nachlassverwaltung kümmern", sagt Behrbohm. Meist interessiere das Menschen, die mit ihrer Familie zerstritten sind oder die keine Kinder haben. Denn wenn ein Verstorbener keine Erben oder erbberechtigten Verwandten hinterlässt, erhält automatisch der Freistaat Bayern den Nachlass. "Bevor das Erbe dann dem Staat zufällt, werben wir dafür, Wohlfahrtsverbände und soziale Einrichtungen zu unterstützen", sagt Fundraiser Behrbohm.

Dieser Wunsch ist auch dem evangelisch-lutherischen Dekanatsbezirk München nicht fremd, offensiv geworben wird um Erbschaften allerdings nicht. "Wir beraten zwar auch gemeinsam mit einem Rechtsanwalt kostenlos zu dem Thema, da geht es aber in erster Linie darum, wie man sein Testament richtig aufsetzt", sagt der zuständige Referent Dietmar Frey. Nur in speziellen Fällen, etwa wenn eine Person jahrzehntelang von einem kirchlichen Pflegedienst betreut wurde, weise man auf die Option hin, den Dienst als Erben einzusetzen, oder das Vermögen einer bestehenden Kirchenstiftung zuzuführen, sagt er zurückhaltend. Alle Fälle, in denen eine Münchner Gemeinde direkt als Erbin eingesetzt werde, würden zudem penibel vom Landeskirchenamt überprüft, ob die Vorgaben zum Verwendungszweck eingehalten werden können und ob das potenzielle Erbe Schulden beinhaltet - und deshalb ausgeschlagen werden muss.

Im Landeskirchenamt hat Ottmar Funk den Überblick über die Münchner Gemeinden. "Wir sprechen hier von fünf bis zehn Fällen im Jahr. Dabei kann es mal um 5000 Euro gehen, aber auch mal in die Millionen", sagt er. Meist gingen solchen Erbschaften mit der Auflage einher, bestimmte soziale Zwecke zu unterstützen oder die Grabpflege zu übernehmen. Neben Geld erbten die Gemeinden aber auch Immobilien. In einer Wohnung sei auch einmal eine wertvolle Kunstsammlung entdeckt worden.

Bei der katholischen Kirche wird die Summe der Erbschaften aus den einzelnen Gemeinden nicht zentral erfasst. Bettina Göbner von der Pressestelle des Erzbistums München und Freising kann deshalb nur die Anzahl der Erbschaften in der gesamten Diözese angeben. Die liege im Schnitt im oberen zweistelligen Bereich pro Jahr. Neben Geld sei auch das Vererben von Immobilien an die Kirche verbreitet. Ganze Ländereien wie im Mittelalter erhalte die Kirche heute aber nicht mehr.

Große Ländereien bekommt in der Regel auch der Bund Naturschutz nicht, eher kleinere, brachliegende Grundstücke. Doch vor knapp vier Jahren erhielten die Umweltschützer ein millionenschweres Erbe, mit dem ein Park in Aubing entstehen soll. "Wir sind gemeinsam mit der Stadt an der Umsetzung dran, aber es dauert halt, entsprechende Flächen zu bekommen", erklärt Landesgeschäftsführer Peter Rottner. Durchschnittlich bewege sich die Summe der Erbschaften pro Jahr auf ganz Bayern gerechnet jedoch im deutlich niedrigeren Bereich von mehreren Hunderttausend Euro. Wie viele und wie große Erbschaften eine Einrichtung bekommt, kann sich von Jahr zu Jahr stark unterscheiden. Das weiß man auch im Tierpark Hellabrunn. Der Zoo versuche zwar, Erbschaften etwa bei der Instandsetzung von Gehegen mit einzuplanen, sagt Sprecherin Lisa Reiniger. Das sei aber mitunter schwierig. So habe der Tierpark 2017 rund 640 000 Euro an Erbschaften erhalten, im Jahr zuvor seien es allerdings nur 59 000 Euro gewesen. "2014 war es besonders viel, über drei Millionen Euro", sagt Reininger.

Für viele Einrichtungen in München sind Erbschaften also ein wichtiger Teil ihrer Einnahmen - doch längst nicht alle Verbände und Vereine können damit aufwarten. Trotz seiner langen Vereinsgeschichte hat etwa der 1913 gegründete Cowboy-Club München bislang kein Geld geerbt. Fast entschuldigend schreibt Vorstand Herbert Köpf, dass der Club nur einmal mit zwei originalen Cowboy-Sätteln aus den USA bedacht worden sei. Auch der mehrere Hausnummern größere TSV 1860 München ist bislang leer ausgegangen, teilt Pressesprecher Rainer Kmeth mit. Obwohl der Fußball oft hochemotional sei, gebe es bei den Löwen anscheinend keine Liebe über den Tod hinaus.

© SZ vom 12.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: