Zwischen Germering und Gilching:Riesiges Bauwerk gegen den Lärm

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Der an einer Seite offene Autobahntunnel bei Germering ist fertig. Bei einer Besichtigung machen sich Lokalpolitiker aus der Großen Kreisstadt und der benachbarten Gemeinde Gilching selbst ein Bild von der Schallschutzmaßnahme

Von Andreas Ostermeier, Germering

Der Lärm ist enorm. Auf der südlichen Fahrbahn der A 96 herrscht reger Verkehr. Personenwagen und Sattelschlepper sind unterwegs. Sie kommen aus Richtung München oder fahren dorthin. Ihr Motorenlärm füllt den offenen Tunnel bei Germering. Er befindet sich auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite und ist noch gesperrt. In dem Tunnel stehen die Bürgermeister von Germering und Gilching, Andreas Haas (CSU) und Manfred Walter (SPD), etliche Lokalpolitiker aus beiden Kommunen sowie Vertreter von Straßenbaubehörden. Heiner Glückmann, zuständig für die beiden neuen Tunnelbauten auf der Lindauer Autobahn, benötigt eine Lautsprecheranlage, um sich verständlich machen zu können. Schließlich will der Projektleiter, dass die zwei Dutzend Teilnehmer, die sich das riesige Betonbauwerk ansehen möchten, auch verstehen, was er ihnen zu berichten hat.

Knapp einen Kilometer lang ist das zu einer Seite offene Tunnelbauwerk, auch Galerie genannt. Auf der Höhe von Gilching folgt ein zweites solches Bauwerk, gut 500 Meter lang ist dieses. Gilchings Bürgermeister Walter und einige Gemeinderäte sind zur Präsentation der fertigen Galerien nach Germering gekommen, schließlich sollte die Besichtigung im größeren Tunnel stattfinden, und nicht in der "Bonsai-Variante", wie Walter den Betonbau bei Gilching scherzhaft nennt.

Große Dimensionen: Auf der Südseite tragen mächtige V-förmige Pfeiler die Decke des offenen Autobahntunnels. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die beiden Galerien dienen dem Lärmschutz. Sie sollen verhindern, dass der Verkehrslärm von der Autobahn in die angrenzenden Siedlungsgebiete dringt. Deshalb überdecken beide einen Teil der nördlichen Fahrbahn, die in Richtung Lindau führt. Denn die Wohngebiete von Germering und Gilching, die geschützt werden sollen, liegen nördlich der A 96.

Seit Jahren wird an der Autobahn gebaut, sie soll auf jeweils drei Fahrspuren in jede Richtung verbreitert werden, um den stetig steigenden Verkehr von und nach München besser aufnehmen zu können. Vor allem zu den Stoßzeiten am Morgen und am Abend reihen sich die Fahrzeuge der Berufspendler in langen Staus. Der sechsspurige Ausbau reicht von der Verbindung mit der A 99 bei Germering bis zur Anschlussstelle Oberpfaffenhofen.

Die beiden Galerien sind nun fertig. Etwa 39 Millionen Euro kosten sie, wie Glückmann die Teilnehmer der Präsentation informiert. Die drei Fahrspuren und einen Sicherheitsstreifen breite Fahrbahn besteht aus Waschbeton. Asphaltiert wird innerhalb der Galerien nicht, denn das würde mit den Jahren mehr Reparaturarbeiten bedingen, die die Straßenbauer in einem Tunnel nach Möglichkeit vermeiden möchten.

Über die Fahrbahn wölbt sich ein riesiger Bau, zur Nordseite hin durch eine Wand begrenzt, zur Südseite hin offen und mit V-förmigen Trägern versehen. 27 500 Kubikmeter Stahlbeton seien allein für die Germeringer Galerie verbaut worden, sagt Tobias Ehrmann, Leiter der Dienststelle Kempten der Autobahndirektion Südbayern, die für die A 96 bis zur Stadtgrenze von München zuständig ist. Abgesehen von der offenen Seite ist die Galerie wie ein Tunnel ausgebaut. Sie verfügt über eine Beleuchtung und über eine Löschwasserversorgung für den Brandfall. Auch eine Nottür gibt es, ebenso ein Telefon zur Alarmierung von Hilfskräften. Rußflecken an einem Teil der Decke des Tunnels künden davon, dass die Feuerwehr bereits eine Brandübung unternommen hat. Bei dieser sei so viel Benzin verbrannt worden, wie das bei einem Lastwagenunfall anzunehmen sei, sagt Glückmann. Seinen Worten nach hat sich der Rauch des verbrannten Benzins erst unter der Tunneldecke gesammelt und ist dann abgezogen. Genau so solle es im Fall eines echten Unfalls auch sein.

Der Tunnel bei Germering hat eine Länge von knapp einem Kilometer. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Als Ergänzung zu den beiden Galerien sind aus Gründen des Lärmschutzes entlang der Autobahn zudem Wände aufgestellt worden. Außerdem soll dort sogenannter Flüsterasphalt helfen, die Lärmbelästigung von Anwohnern gering zu halten. Der Asphalt ist recht grobkörnig. Auf diese Weise schluckt er Fahrgeräusche bereits am Boden. Nach Glückmanns Worten kann durch diese Fahrbahnauflage der Schallschutz bedeutend verbessert werden. Zwischen vier und neun Dezibel lasse sich der Lärm in verschiedenen Bereichen der Autobahn vermindern, sagt der Projektleiter. Zur Einordnung: Eine Absenkung des Lärms um drei Dezibel wird vom Gehör als Halbierung wahrgenommen. Noch ist der Flüsterasphalt aber nicht auf der gesamten Strecke zwischen Germering und Gilching aufgebracht. Das soll in der kommenden Woche geschehen.

Anfang Juli soll die Nordfahrbahn fertig sein. Dann wird der Verkehr von und nach München auf diese Seite der Autobahn verlegt. Autos und Lastwagen rollen dann durch die beiden Tunnel. Die Bauarbeiten gehen auf der Südseite weiter. Dort muss die Fahrbahn komplett neu hergestellt werden, bislang ist sie nur behelfsmäßig verbreitert worden, um den Verkehr aufnehmen zu können. Die Freigabe der sechsspurigen Autobahn ist laut Glückmann für November vorgesehen.

Und wie funktioniert der Lärmschutz? Hört man den Verkehr auf der Nordseite des Tunnels? In dem war es während der Besichtigung recht laut. Die Teilnehmer verlassen das Bauwerk durch die Nottüre auf Höhe des Fußballgeländes an der Pestalozzistraße in Germering. Sofort wird es ruhiger. Vom Fahrtlärm der Autos und Lastwagen ist nicht mehr viel zu hören. Zumindest auf Straßenhöhe ist kein Lärm wahrzunehmen. Und wärmer kommt es einem auch vor. Denn im Tunnel war der Durchzug von kühler Luft deutlich zu merken.

© SZ vom 19.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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