Zukunftssorgen der Kirche:Getrübte Osterfreude

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Zwei von acht Pfarrern verlassen das Dekanat Fürstenfeldbruck, ein weiterer ist seit längerem schwer krank. Damit ist es für 35 000 Katholiken ungewiss, wie es in ihren Gemeinden seelsorgerisch weitergeht. Und der Priestermangel wird sich noch verschärfen

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Liturgisch gesehen haben die Karwoche und an deren Ende die Ostertage mit großen prunkvollen Messen Gläubigen viel zu bieten. Im Landkreis werden die Gotteshäuser trotz des allgemeinen Rückgangs an Kirchenbesuchern deshalb an Ostern wieder so voll sein, wie sonst nur noch an Weihnachten. Entsprechend gefordert sind Pfarrer, Priester und Seelsorger, die schon in normalen Zeiten bis zum Anschlag arbeiten und aufgrund des Priestermangels häufig überlastet sind. Die Osterfreude mischt sich diesmal in den drei größten Pfarreien und Pfarrverbänden des katholischen Dekanats Fürstenfeldbruck mit Zukunftssorgen. Das sind der Pfarrverband Fürstenfeld mit der Kreisstadt, Emmering sowie Biburg-Pfaffing, der Pfarrverband Puchheim und die Pfarrei Gröbenzell. Dort ist die personelle Situation ungeklärt. Zwei der dort tätigen Pfarrer mit Leitungsfunktion werden demnächst das Dekanat ganz verlassen. Ein dritter Pfarrer, Dekan Albert Bauernfeind, ist seit Monaten krank. Er kehrt frühestens im Juli zurück.

Pfarrer Ulrich Bach, der Stellvertreter von Dekan Bauernfeind, hat seit dem Herbst eine doppelte Belastung zu schultern. Er steht als Leiter dem Pfarrverband Puchheim und als Vertreter dem Pfarrverband Fürstenfeld vor, also insgesamt etwa 27 000 Gläubigen. Bach pendelt zwischen Bruck und Puchheim und wird an Ostern, wie auch sonst seit Monaten, in beiden Pfarrverbänden Messen lesen. An Ostern werden es zwei bis drei am Tag werden.

Für Bach kann diese Situation kein Dauerzustand sein, sondern höchstens eine "Hilfskrücke". Er wird nach 15 Jahren Puchheim verlassen. Aber nicht, weil ihm die Arbeit zu viel geworden ist, sondern weil der Münchner Erzbischof Reinhard Marx es so will. Marx ist der Meinung, ein Pfarrer sollte spätestens nach 15 Jahren die Pfarrei wechseln. Als Bach 2002 seine Stelle in Puchheim antrat, endete dort eine Übergangszeit von eineinhalb Jahren. In der Zeit hatte ein Pfarrbeauftragter den Kleriker vertreten. Die Personalsituation war also ebenfalls schon angespannt, nur gab es damals noch mehr Ruhestandspriester, die Pfarrer entlasteten.

Gehen wird Ulrich Bach voraussichtlich im Juli. Wo er künftig eingesetzt wird, weiß er noch nicht. Ebenfalls im Sommer wird Pfarrer Gregor König, Leiter der einzigen nach der Strukturreform verbliebenen Einzelpfarrei, dem Brucker Dekanat den Rücken kehren. Für seine Pfarrgemeinde Sankt Johann Baptist in Gröbenzell mit etwa 8500 Katholiken ist das eine Zäsur. Wann ein Nachfolger kommt, ist offen. Zumindest ist Königs Stelle ausgeschrieben. Sollte Dekan Bauernfeind im Juli wieder arbeiten können, was viele hoffen, ist noch offen, in welcher Form ihm das möglich sein wird.

Was es bedeutet, wenn gleich in drei großen Pfarreien oder Pfarrverbänden unsicher ist, wie es in einigen Monaten weitergehen wird, lässt sich erst in Relation zur gesamten Personalsituation im Dekanat ermessen. Die Zahl der amtierenden Pfarrer im Dekanat gibt Bach mit acht an, bei insgesamt 26 Pfarreien. Dazu kommen noch einmal zehn bis zwölf zusätzliche Priester. Diese befinden sich entweder bereits im Ruhestand wie in Fürstenfeld Pfarrer Manfred Gehrmann, springen also mit ein, wie ebenfalls in Fürstenfeld der Krankenseelsorger Otmar Klein, oder sie arbeiten in Teilzeit und helfen aus wie die Patres des Franziskanerklosters in Grafrath.

Die von Bach geschilderte Situation deckt sich mit den Angaben der Pressestelle des Ordinariats. Diese gibt die Zahl der aktiven Priester im Dekanat mit 19 an, unterscheidet aber nicht zwischen verantwortlichen Pfarrern mit Leitungsfunktion und Priestern oder nach Haupt- und Teilzeitstellen. Vor sieben Jahren waren es noch 22 Priester, also drei mehr. Allein dem Pfarrverband Fürstenfeld stünden laut dem Personalplan des Erzbistums eigentlich drei Priester zu, gearbeitet wird zurzeit aber nur mit Aushilfen wie Bach oder dem Militärdekan aus dem Fliegerhorst. Und es helfen Priester aus der Nachbarschaft mit. In der Broschüre "Struktur- und Personalplanung 2020" des Ordinariats wird der Bedarf an Priestern in der Diözese mit 1200 angegeben, zur Verfügung stehen aber nur 576. Die restlichen Stellen sollen mit Diakonen sowie Pastoral- und Gemeindereferenten besetzt werden.

"Wir wursteln uns so durch", umschreibt der stellvertretende Dekan seinen Alltag. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Dafür zeichnen sich andere Erleichterungen ab. Um Pfarrer wenigstens von den Verwaltungsaufgaben zu entlasten, verfügt der Pfarrverband Fürstenfeld inzwischen über einen hauptamtlichen Verwaltungsleiter. Das entspricht dem neuen Leitungsmodell, mit dem Kardinal Marx auf den Priesternotstand regiert. Vorgesehen sind im Erzbistum insgesamt 67 Stellen für solche Verwaltungsleiter. Es gäbe noch eine andere Lösung, aber so weit ist die Kirche noch nicht. Was das sein könnte, umschreibt Bach mit dem "Warten auf eine Entscheidung, die Zulassungsbedingungen zum Priesterberuf zu ändern".

Laut Erzbischof Reinhard Marx lässt sich der Priestermangel nicht dadurch lösen, dass die Seelsorgeeinheiten, also Pfarrverbände, immer noch größer werden. Würde das gemacht, könnte man nicht mehr von "Ortskirchen" reden.

Etwa ähnlich groß wie die Zahl der Priester ist im Dekanat die Zahl der Seelsorger, die keine Priesterweihe empfangen haben, also derjenigen, die die Priester ersetzen sollen. Gemeindereferenten und -asistenten, der Pastoralreferenten und -assistenten sowie der Seelsorgehelfer. Deren Zahl wird mit 22 angegeben, dazu kommen noch zwölf Diakone. Diakone werden dort eingesetzt, wo ein einzelner Priester mehrere Pfarreien betreuen muss. Diakone können taufen und beerdigen, aber keine Euraristie feiern. Während Diakone zu den Klerikern zählen, gilt das nicht für Gemeinde- oder Pastoralreferenten.

Der Pfarrverband der Stadtkirche Germering gehört zum Dekanat Pasing und umfasst etwa 16 000 Katholiken. Hier sind in drei Pfarreien neben einem Pfarrer, einem Kaplan und einem Diakon in der Seelsorge noch eine Gemeindereferentin und zwei Pastoralreferenten tätig.

Auf Pfarreiebene wirken Laien im Pfarrgemeinderat beratend mit, auf Dekanatsebene entspricht dem der Dekanatsrat, dessen Vorsitzender Bernhard Utters ist. Der pensionierte Bankdirektor sitzt auch im Vorstand des Diözesanrats und verbindet mit der im Landkreis abgeschlossenen Strukturreform und dem Zusammenschluss mehrerer Pfarreien zu Pfarrverbänden nicht nur Verluste, sondern auch Chancen. Das Angebot an Gottesdiensten sei nicht weniger geworden, es sei nur zeitlich gestreckt und vielfältiger geworden, meint er. Von Gläubigen ist Flexibilität gefordert, sie wählen aus, wo im Pfarrverband sie welchen Gottesdienst besuchen.

Das findet Utters komplizierter, aber nicht schlechter. Er verweist darauf, dass es früher in jeder Pfarrei am Sonntag um neun oder zehn Uhr eine Messe mit Eucharistiefeier gegeben habe. Aufgrund des Priestermangels ist so ein gleichbleibendes festes Angebot in einem Pfarrverband nur in einer einzigen Pfarrei möglich. Der Grund: Der Pfarrer muss wandern, er und die ihn unterstützende Priester können nicht überall sein. Dafür können Mitarbeiter aus dem Seelsorgeteam oder auch mal Laien Wortgottesdienste halten, also das Wort Gottes verkündigen. Ein Wortgottesdienst unterscheidet sich von einer Heiligen Messe, die ebenfalls ein Gottesdienst ist, laut Utters durch das Fehlen von Hochgebet, Opfer, Wandlung und Sanktus.

"Es kommt auf uns an. Wenn wir etwas haben wollen, müssen wir uns auf die Hinterbeine stellen", sagt Utters. Mit dem in den nächsten Jahren zunehmenden Priestermangel - so habe das Priesterseminar der Diözese in diesem Jahr nur einen Seminaristen aufgenommen - verbindet der Biburger die Chance, dass sich eine größere Vielfalt entwickelt, den Glauben zu leben, dass nun andere Seelsorgeberufe ebenso gefragt sind wie das Engagement von Laien. Man müsse sich von lieb gewordenen Traditionen verabschieden und könne nicht mehr erwarten "von oben versorgt" zu werden, sagt Utters. Kirchenleben sei zu sehr auf den Priester zentriert. Der Biburger setzt auf das Laienapostolat. "Wir haben über Jahrhunderte die Menschen darauf getrimmt, dass alles eine Messe sein muss. Jetzt muss man schauen, dass andere Formen Akzeptanz finden", meint dazu Pfarrer Bach.

© SZ vom 15.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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