Zu wenig Nachwuchs:Doppelqualifikation gegen Fachkräftemangel

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Vertreter von Handwerk, Handel und Industrie werben für das neue Berufsabitur an der Berufsschule in Fürstenfeldbruck

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Fachkräftemangel und zunehmende Konkurrenz durch akademische Bildungswege: Die Betriebe klagen immer mehr über zu wenig Nachwuchs und zu wenig geeigneten Nachwuchs. Solchen zu generieren, dazu soll nun das Berufsabitur beitragen, das unter der Bezeichnung "Berufsschule plus" von Herbst an an der Berufsschule Fürstenfeldbruck angeboten wird. Mehr als 60 Schüler und Eltern bekundeten Interesse daran und kamen jetzt zu einem Informationsabend in den Sparkassensaal.

Dort warben die Vertreter von Handwerk, Industrie und Handel für das neue Angebot, das eine dreijährige Berufsausbildung mit dem Fachabitur verbindet. Damit möchten sie junge Menschen zurückgewinnen, die mehrheitlich der akademischen Bildung gegenüber der beruflichen Bildung den Vorzug geben. Denn Fachkräfte- und Lehrlingsmangel seien ein "immer drängender werdendes Problem" für die Betriebe, sagt Frank Hüpers, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Viele Schulabsolventen mit mittlerer Reife wechselten "häufig in ganzen Klassenverbänden" auf die Fachoberschulen, obwohl sie im Anschluss gar nicht unbedingt studieren wollten. Mit der Doppelqualifikation von abgeschlossener Berufsausbildung und Fachabitur hätten die Absolventen indes "von Verdienst und Karriereperspektiven her gleichwertige Chancen" wie bei einer akademischen Laufbahn, ergänzt Hubert Schöffmann, Leiter des Referates Berufsausbildung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern. Es müsse deshalb auch im Interesse der Betriebe sein, die Ausbildung attraktiv zu gestalten. Kreishandwerksmeister Harald Volkwein, der selbst eine Schreinerei in Gröbenzell führt, weiß, dass "wir Leute brauchen, die gut ausgebildet und belastbar sind".

An der Berufsschule Fürstenfeldbruck hat die Hälfte der Auszubildenden die mittlere Reife. Außerdem würde man jedes Jahr 70 Staatspreise an Absolventen mit einer Durchschnittsnote von 1,5 und besser verleihen, erzählt Schulleiterin Andrea Reuß, die deshalb ausreichend Potenzial für das neue Angebot an ihrer Schule sieht. 16 Schüler müssen sich mindestens dafür anmelden, damit eine Klasse im kommenden Schuljahr zustande kommt. Anmeldeschluss ist der 21. September.

"Ambitioniert, um nicht zu sagen sportlich" nennt Frank Hüpers den Plan, nach drei Jahren gleich zwei Abschlüsse in der Tasche zu haben. Er richtet sich an leistungsstarke Schüler, die sich zutrauen, parallel zu ihrer Ausbildung in Betrieb und Berufsschule abends und an Wochenenden auch noch für das Fachabitur zu pauken. Immerhin müssten die Kandidaten bereit sein, Freizeit dafür zu opfern. Auf Fragen aus dem Publikum stellt Andrea Reuß klar, dass im wöchentlich sechsstündigen Berufsschule-plus-Unterricht (sieben Stunden im dritten Jahr) sehr wohl auch Schulaufgaben geschrieben und mündliche Leistungsnachweise erbracht werden müssen. An welchen Wochentagen der Abendunterricht stattfindet, werde in Absprache mit den Schülern festgelegt, am wahrscheinlichsten seien dabei Dienstag und Donnerstag.

Ein weiterer Unterschied gegenüber der Option, das Fachabitur an einer Fachoberschule (FOS) zu erwerben, ist die Tatsache, dass die Fachabiturprüfungen zwar ebenfalls in Deutsch, Mathematik und Englisch abgelegt werden, es aber kein viertes Fach wie das Profilfach an der Fachoberschule gibt. Der Abschluss gilt dennoch als gleichwertig, weil die Absolventen während ihrer Ausbildung bereits Berufspraxis sammeln. Jennifer Kolouch, die während ihrer Ausbildung ihren Berufsschulunterricht in Fürstenfeldbruck und parallel dazu die Berufsschule plus in Starnberg absolviert hat (und nun ein duales Studium in Elektrotechnik in Friedrichshafen macht), berichtet davon, dass sie sich regelmäßig an den Wochenenden auf den zusätzlichen Schulstoff vorbereitet habe. Allerdings kamen längst nicht alle ihrer Klassenkameraden zum Abschluss. Die meisten würden während des ersten Jahres abbrechen, erzählt Andrea Reuß. Von den 33 Schülern, die mit Jennifer Kolouch gestartet waren, kamen am Ende elf ins Ziel.

© SZ vom 28.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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