Zeitung hautnah:Der Praktikant aus der Politik

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Blattkritiker und Praktikant: Landrat Thomas Karmasin (an der Stirnseite des Tisches) bei seinem eintägigen Einsatz in der Brucker SZ-Redaktion. (Foto: Florian Haamann)

Landrat Thomas Karmasin arbeitet einen Tag lang in der Fürstenfeldbrucker Lokalredaktion der SZ mit

Von Christian Hufnagel, Fürstenfeldbruck

Fürstenfeldbrucks Landrat Thomas Karmasin kennt die Arbeit des Lokaljournalisten natürlich besser als viele andere Menschen. Zumindest aus der Erfahrung heraus, dass über ihn und Themen, in die er durch sein Amt involviert ist, berichtet wird. Und was der Rezipient da liest, drängt ihn unwillkürlich immer wieder zu einem Urteil: Es kommt ihm zuweilen vor, dass "nur die Hälfte oder Falsches" geschrieben werde. Aber weil einem Juristen das Bemühen um Objektivität nicht fremd ist, hat es ihn gereizt, die andere Seite zu erleben: "Ich wollte einmal kennenlernen, wie es sich für mich anfühlt." Wie sich also der Arbeitsalltag eines Lokaljournalisten im Speziellen und in der Redaktion im Allgemeinen gestaltet. Und wie es ist, auf eine Pressekonferenz zu gehen, um danach deren Inhalt unter Zeitdruck und Zeilenvorgabe in einen Artikel gießen.

Ein Rollenwechsel also in einen anderen Beruf, den Politiker zwar schon seit Jahren immer mal wieder unternehmen, indem sie sich durchaus eifrig an der gleichnamigen Aktion sozialer Einrichtungen in Bayern beteiligen. Doch während viele Berufskollegen dann nur ein, zwei Stunden im Kindergarten, Altenheim oder Pflegedienst vorbeischauen und vielleicht auf ein gutes Foto in der Presse hoffen, hat der Brucker Landrat diesen Wechsel sehr ernst genommen und so viel Zeit investiert, wie ihm sein eigener Arbeitsalltag gerade zulässt: Zwei Tage verbrachte Karmasin bei der Süddeutschen Zeitung, einen im Münchner Stammhaus, den anderen in der Fürstenfeldbrucker Redaktion.

Letzteren begann der 53-Jährige mit einer Blattkritik, in der sich bei ihm der private wie berufliche Leser natürlich mische: "Das ist gar nicht zu trennen." Er selbst bezeichnet sich als "relativ genauen" Leser. Seiner kritischen Analyse hält die Fürstenfeldbrucker SZ durchaus Stand: Dem Lokalteil gelinge es, einen Heimatbezug herzustellen, stellte der Kommunalpolitiker fest, dem wenig Themen abgingen: "Da habe ich keinen großen Leidensdruck." Im Gegenteil: "Viele Dinge sind gut und anspruchsvoll im Blatt umgesetzt", lobte er. Beispielhaft nannte er die Debatte um die Unterbringung der Asylbewerber.

Eine Schwäche will der Landrat aber erkannt haben. Ihm sei nicht klar, warum sich die Zeitung manchmal den Gesetzen der Logik verschließe. Damit nahm er auf den Fall Bezug, wenn sich im Laufe einer fortgesetzten Berichterstattung ein strittiger Sachverhalt klärt, das Ergebnis am Ende aber nicht deutlich genug vermittelt wird. Karmasin nannte die angebliche antike Feuerstätte, die beim Bau des neuen Brucker Schulzentrums gefunden worden sei, sich aber schnell als "schwarzer Dreck" offenbart hätte. Dies hat die SZ für ihn aber nie aufgelöst.

Nicht verborgen werden soll allerdings, wie sich der Landrat in der Rolle des schreibenden Lokaljournalisten angestellt hat: Das Ergebnis war durchaus druckreif. Viel bedeutsamer ist indes die Erkenntnis, die Karmasin aus seiner Schreiberfahrung gewonnen hat: "Man unterschätzt, wie schnell es für einen Zuhörer geht, wenn er das erste Mal von etwas hört."

© SZ vom 04.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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