Wortkünstler:Lustig gewinnt

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Schmerzhaft-schöner Text übers Alleinsein: Sarah Potye beim Brucker Slam im Säulensaal. (Foto: Günther Reger)

Florian Wintels und Silvie le Honneur setzen sich beim Brucker Slam durch

Von Valentina Finger, Fürstenfeldbruck

Es gibt im wahrsten Sinne große Pläne bei der IG Kultur. Zumindest was die wohl attraktivste Veranstaltungsreihe des Kulturvereins angeht: Seit seiner Erstausgabe vor fünf Jahren zieht der Brucker Slam, eine Art moderner Dichterwettstreit auf der Bühne, jedes Mal so viele Gäste an, dass die jeweiligen Kapazitäten des Veranstaltungsortes erschöpft sind. Das war schon so beim ersten Mal im Jahr 2013, als sich viel mehr Interessierte als erwartet in den kleinen Räumen des IG-Kultur-Stammsitzes im Haus 10 zusammenrobbten. Weil es bei den folgenden Slams nicht anders wurde, ist man im vergangenen Jahr schließlich umgezogen: nur ein paar Meter weiter hinein ins Herz des Klosterareals in den Säulensaal des Veranstaltungsforums.

Mehr als 200 Zuschauer finden darin Platz. Das Publikum des Brucker Slams hat sich damit verdoppelt. Doch wie sich herausstellt, reicht auch das nicht aus. Schon vor Wochen war auch der siebte Slam, der am vergangenen Samstag stattfand, ausverkauft. Ein Umzug in einen größeren Raum war nicht mehr möglich, viele potenzielle Besucher mussten abgewiesen werden. Für das nächste Mal will die IG Kultur deshalb einen weiteren Versuch starten, dem Ansturm gerecht zu werden und sich erneut nach einer großzügigeren Location umsehen. Der kleine Saal im ersten Stock des Veranstaltungsforums ist im Gespräch. Dieser könnte wiederum rund 150 Leute mehr fassen.

Nun könnte man meinen, dass bei der ständigen Expansion und der damit immer weiter in die Ferne rückenden Bühne der heimelige Charakter verloren geht, der den Brucker Slam von Anbeginn an ausmachte. Aber dem ist nicht so. Klar war es immer nett, wenn die Zuspätkommer im Haus 10 wie bei der Kindermette zu Weihnachten direkt vor der kleinen Bühne im Schneidersitz zusammenrutschten. Das hatte was von Lagerfeuer-Romantik, nur dass vorne eben nicht gesungen, sondern gedichtet wurde. Aber auch nicht schlecht ist eine gepolsterte Rückenlehne und eine erhöhte Bühne, auf die auch wirklich jeder sehen kann. Und vor allem, ist es in jedem Fall besser, noch einen Platz zu bekommen, als dieses liebenswerte literarische Miteinander zu verpassen.

Dass auch die siebte Ausgabe des Brucker Slams wieder so gemütlich war wie ein Treffen mit alten Freunden, ist mitunter Johannes Berger zu verdanken. Von Beginn an führt der 23-Jährige, der selbst bei Poetry Slams antritt, als Moderator durch das Programm, und zwar so sympathisch, selbstironisch und schlagfertig, dass es ein echter Frevel wäre, den Job einem anderen zu geben.

Acht Slammer treten dieses Mal mit ihren selbst geschriebenen Texten auf. Nach jeweils vier entscheidet der Applaus des Publikums, wer später im Finale noch einmal antritt. Zwei der Teilnehmer sind aus Fürstenfeldbruck. Für Felisa Walter, die den Slam eröffnet, ist es der erste Auftritt dieser Art. Sie findet drastische Worte über das Leben mit ihrem Hund, über eklige Leckerlis und blöde Fragen von Fremden. Der zweite Brucker, Tim Niklas, liest einen Text über das verschwendete Potenzial der Welt, vollgepackt mit traurig-raffinierten Gedankenkombinationen zu der profitgierigen Zerstörungswut der Menschen.

Anders kritisch äußern sich Kaleb Erdmann und Katrin Freiburghaus aus München. Ersterer, der bereits beim allerersten Brucker Slam dabei war, spricht über die AfD und vergleicht deren Wahl-Erfolg mit der ebenfalls nicht überraschenden Tatsache, dass man bei französischen Komödien nicht lachen muss. Freiburghaus schildert den Alltag mit Kind in einer globalisierten Welt, in der das einst Fremde nun vor der Haustür lebt, und endet mit einem Appell für mehr Toleranz. Düsterer sind die Texte der Münchner Paddi und Sarah Potye. Er schlüpft in die Rolle eines Pädophilen, der mit packender Heftigkeit zu seinem potenziellen Opfer spricht. Ihr Text, ein schmerzhaft-schöner Gedankenstrom, erzählt von Antriebslosigkeit und dem Gefühl, allein zu sein.

Entschieden hat sich das Publikum aber doch für das Lustige. Gewonnen haben Florian Wintels aus Hannover und Silvie le Bonheur aus Mannheim, ein Doppelsieg für die beiden, deren Texte mit Abstand am meisten Spaß gemacht haben. Florian Wintels ist ein Wortakrobat mit einem erstaunlichen Gespür für Witz, Reim und Rhythmus und einer ostentativen Mimik. Silvie le Bonheurs Beiträge triefen vor Ironie, schrägen Assoziationssprüngen und generieren einen Lacher nach dem anderen. Da ist es schön, zu hören, dass es das Slam-Spektakel in Zukunft nicht nur größer, sondern auch öfter geben soll: Wenn alles klappt, soll der Brucker Slam bald zwei bis drei Mal pro Jahr stattfinden.

© SZ vom 09.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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