Wildtierrettung:Überflieger

Lesezeit: 3 min

Drohnen mit eingebauter Wärmebildkamera werden als Hilfsmittel beim Absuchen von Grünflächen eingesetzt. Dabei kommt es auf die Tageszeit an

Von Heike A. Batzer, Alling

Konrad Ostermeier steuert die Drohne, Heidi Schmid verfolgt die Bilder auf dem Bildschirm. (Foto: Günther Reger)

Yuneec Typhoon H startet seine Rotoren. Sie summen wie ein Bienenschwarm. Als alle sechs Propeller auf Touren sind, steigt das Fluggerät senkrecht in die Höhe. Die Drohne beginnt an diesem Tag ihren Dienst morgens um acht auf einer Wiese hinter Alling. Konrad Ostermeier hat die Fernbedienung umgehängt und steuert die Drohne, deren integrierte Wärmebildkamera Bilder vom Boden liefern soll. Die Kamera sucht die Wiese aus der Luft nach Rehkitzen ab, die in diesen Wochen gesetzt werden und die sich dann in den ersten Lebenstagen allein ins hohe Gras ducken. Weil die Landwirte im gleichen Zeitkorridor ihre Wiesen mähen, müssen sie dafür Sorge tragen, dass möglichst keine Kitze mehr in der Wiese liegen.

Der Allinger Landwirt Andreas Drexl möchte seine 1,2 Hektar große Wiese mähen. Das Wetter macht sich gut, frühmorgens scheint die Sonne. Regen ist nicht angesagt. Es ist Mitte Mai. Der April war kalt, das Gras ist nicht so schnell gewachsen wie sonst. Damit er später am Tag mähen kann, dafür hat er Konrad Ostermeier geholt. Ostermeier ist Jäger. Weil er schon von Kindesbeinen an auch ein begeisterter Modellbauer ist, wie er erzählt, ist es naheliegend, dass er sich auch für die fliegenden Kameras interessiert. Damit er die Drohne lenken darf, hat er eigens einen Führerschein gemacht. Nun lässt er sie über Drexls Wiese fliegen, seine Lebensgefährtin Heidi Schmid schaut derweil auf den kleinen tragbaren Bildschirm, den sie dabei hat. Ostermeier hat auch einen Bildschirm an seiner Fernbedienung. Doch sich die Arbeit zu teilen, sei besser, weiß er, seit er seine Drohne am Waldrand mal versehentlich in einen Busch gelenkt hat.

Drohnen können bei der Suche nach Vermissten helfen. (Foto: Günther Reger)

Die Drohne fliegt die ganze Wiese ab, nach etwa 25 Minuten steht fest, dass sich dort kein Kitz versteckt hält. Ostermeier ist fertig mit der Arbeit, die er für die Landwirte kostenlos anbietet. 15 Mal ist er während der Setzzeit im vorigen Jahr ausgerückt, um mit seinem Multicopter zu helfen. Er ist der einzige in der Fürstenfeldbrucker Kreisgruppe des Bayerischen Jagdverbandes, der diesen Service bieten kann. Über eine Whatsapp-Gruppe werden die Termine dafür vereinbart.

Ostermeier muss die Termine mit seiner Drohne morgens machen, denn nur, wenn es noch nicht zu warm ist, sind die Kitze auf den Bildern der Infrarotkamera deutlich zu erkennen. Wenn die Temperaturen im Tagesverlauf steigen, funktioniert das nicht mehr. Ganz wichtig ist, dass die Landwirte ziemlich bald nach der Besichtigung zu mähen beginnen, denn schon in kürzester Zeit könne die Situation wieder eine andere sein, sagt Ostermeier: "Es gibt keine Garantie, dass nicht schon ein paar Stunden später doch wieder ein Kitz drin ist."

Die Anfragen bei Konrad Ostermeier häufen sich dieser Tage. "Wenn das Wetter schön wird, dann wollen alle mähen." Wie Christoph Schuster aus Biburg. Auch er lässt eine anderthalb Hektar große Wiese nahe des Engelsbergs erstmals von Ostermeier mit der Drohne überfliegen. Normalerweise geht er selbst mit den Hunden durch, um die Kitze aufzuspüren. Das Problem dabei: Weil die Kitze in den ersten Lebenstagen geruchlos sind, findet sie auch der Hund möglicherweise nicht. An der Wiese führt ein neuer Rundwanderweg vorbei, das Brucker Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) hat an dieser Stelle eine Hinweistafel zum Wildtierschutz angebracht. Es gehe auch darum, den Menschen näher zu bringen, was die Landwirtschaft für die Biodiversität tue, sagt Stefan Haase vom AELF. Für die Anschaffung von Drohnen gibt es, wenn der Antragsteller ein Verein ist, zu dessen Aufgaben die Rettung von Wildtieren gehört, staatliche Fördermittel.

Welche Methode zur Wildtierrettung der jeweilige Bewirtschafter der Flächen wählt, ist ihm selbst überlassen. Ein Patentrezept gibt es nicht, jedoch die Pflicht, vorausschauend zu handeln. Das Tierschutzgesetz schreibt Maßnahmen dort vor, wo bei Mäharbeiten Verletzung oder Tod von Wirbeltieren zu befürchten ist. Dabei geht es nicht nur um Niederwild wie Rehkitze oder junge Feldhasen, sondern auch um bodenbrütende Vogelarten. Welche Erfolge die einzelnen Maßnahmen zeitigen, dazu gibt es für Bayern nicht genügend valide Forschungsergebnisse. Noch bis 2023 läuft deshalb das mehrjährige Forschungsprojekt "Reduktion von Mähtod bei Wildtieren am Beispiel von Rehkitzen" in Zusammenarbeit mit der TU München, das die relevanten Faktoren für den Setzzeitpunkt, die Lebensraumnutzung der Rehkitze und die Effektivität der Rettungsmaßnahmen erforschen soll. Aus den Daten sollen dann sowohl die Gefährdungslage der einzelnen Flächen abgeschätzt als auch neue Methoden, Techniken und Verfahren zur Wildtierrettung getestet und bewertet werden.

© SZ vom 02.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: