Wenn nicht-öffentlich getagt wird:Wem das Stündchen geschlagen hat

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Selten verfolgen mehr als 20 Zuschauer die Sitzungen des Fürstenfeldbrucker Stadtrats. (Foto: Stefan Salger/oh)

Im Brucker Stadtrat gibt es viel Gesprächsbedarf - während Besucher im Treppenhaus des Rathauses warten

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Und Geschichte wiederholt sich doch. Vor gut zwei Monaten erzählte die SZ von Besuchern im Brucker Rathaus, die nicht auf Godot, sondern auf Einlass in den Sitzungssaal des Stadtrats warteten. Damals wurde ein Oberbürgermeister zitiert, der die lange Wartezeit im wenig einladenden Treppenhaus und vor verschlossenen Türen - während drinnen noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskret über Personalangelegenheiten oder vertrauliche Vertragsdetails debattiert wurde - bedauerte. Das sei eine Ausnahme gewesen. Künftig werde das so weit wie möglich vermieden.

Am Dienstagabend dann offenbart sich die Lücke zwischen "soweit wie möglich" und "nicht mehr". Auf der städtischen Homepage waren interessierte Zuhörer für 19 Uhr zur öffentlichen Stadtratssitzung eingeladen worden. Aufmerksame Leser konnten ihrer Zeitung immerhin den auf 20 Uhr verschoben Beginn entnehmen. Aber selbst wer erst um 20 Uhr kommt, steht sich vor verschlossenen Türen die Beine in den Bauch. "Ärgerlich" sei das, sagt Franz Hochstatter. Der kommunalpolitisch interessierte frühere technische Leiter der Stadtwerke ist einer der wenigen wirklichen Stammgäste auf der Zuschauertribüne des Sitzungssaals. Hochstatter hat reichlich Zeit, im Treppenhaus den aktuellen Stadtwerkechef Enno W. Steffens zu begrüßen. Der wartet auch, ebenso wie fast 20 weitere Besucher. Ein kleiner Teil macht sich irgendwann verärgert auf den Heimweg, bevor sich um kurz vor 21 Uhr, fast eine geschlagene Stunde nach dem bereits um eine Stunde verlegten Termin, doch noch die Tür öffnet. Drinnen geht es weiter mit der (öffentlichen) Bestätigung der Mitglieder des Beirats für Menschen mit Behinderung. Deren Vertreter haben ebenfalls im Treppenhaus, ohne Sitzgelegenheit, ausgeharrt und versuchen, sich den Ärger nicht anmerken zu lassen.

Am nächsten Tag erklärt OB Erich Raff, warum nicht nur nach dem öffentlichen Teil, sondern zusätzlich davor nichtöffentlich getagt wurde. Ein Experte für Steuerrecht habe die Auswirkungen des neuen Umsatzsteuergesetzes erläutert. Ihn auf den der öffentlichen Sitzung folgenden nichtöffentlichen Teil zu vertrösten, sei zu riskant gewesen. In Stadtrat und Fachausschüssen, in denen erfahrungsgemäß reichlich Gesprächsbedarf gibt, mussten Sitzungen in letzter Zeit häufiger nach Erreichen des in der Geschäftsordnung verankerten Dreistundenlimits abgebrochen werden, noch vor dem Aufruf des nichtöffentlichen Teils. "Es soll nicht mehr vorkommen", beteuerte Raff. Das hörten die Besucher letztens schon. Aber doppelt genäht hält ja besser. Soweit wie möglich.

Zwei Tage später hält sich die Geschichte nicht an diese Worte. Eigentlich sollte der Bauausschuss um 18 Uhr beginnen. Eingeweihte wissen, dass erneut ein nicht öffentlicher Teil vorgeschaltet wird und es deshalb erst um 18.30 Uhr losgehen soll. Manche Besucher bekommen das mit, andere nicht. Dann beginnt wieder das große Warten vor verschlossenen Türen. Irgendwann streicht sogar der geduldige Hochstatter die Segel und geht. Um 19.35 Uhr geschieht das nicht mehr für möglich Gehaltene: die Tür öffnet sich doch noch. OB Raff entschuldigt sich für die erneute Verzögerung.

Mit Blick auf die Dreistundenregelung drücken viele Stadträte bei der Abarbeitung der öffentlichen Tagesordnung nun zwar aufs Tempo. Aber noch bevor es um einen wichtigen und einen immerhin interessanten Punkt geht - Erweiterung der ESG-Firmenzentrale und Bau einer Kapelle - sind die Uhrzeiger gnadenlos auf 21 Uhr vorgerückt. "Bitte nicht wieder eine Sitzung bis 23.30 Uhr", sagt Christian Stangl von den Grünen. Und Klaus Wollenberg von der FDP lässt durchblicken, dass auch für Stadträte am nächsten Morgen wieder ein normaler Arbeitstag beginnt. Stadtjurist Christian Kieser meldet ohnehin Bedenken an: Selbst wenn der Stadtrat einstimmig beschließe, die Sitzung fortzuführen, bewege man sich mit Blick auf die nun mal bindende Geschäftsordnung bei verspätet gefassten Beschlüssen auf rechtlich unsicherem Boden.

Bleibt im Sinne von Bürgerbeteiligung und Transparenz nur die Hoffnung, dass entweder die Tagesordnungen in Bruck ausgedünnt werden oder der eine oder andere Politiker auf den zweiten oder dritten Beitrag zu einem nicht ganz so brisanten Thema verzichtet.

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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