Weihnachtsaufführungen:Krippenspiel 3.0

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In Gröbenzell ersetzen raffgierige Manager die Heiligen Drei Könige. Die originelle Inszenierung endet für Maria, Josef und das Jesuskind dann aber ebenso wie beim "Klassiker" in Olching: Sie finden eine Herberge

Von Stefan Salger, Gröbenzell/Olching

Maria und Josef spielen natürlich immer die erste Geige. Und ohne Jesuskind in der Krippe geht's auch nicht. Schwieriger wird es bereits bei den Heiligen Drei Königen aus dem Morgenland. An ihre Stelle treten ziemlich unheilig wirkende Manager, die mit Myrrhe und Weihrauch so gar nichts am Hut haben und lieber der Gewinnmaximierung frönen. Das Kind in der Krippe? Ist ihnen schnurz. "Wer's glaubt, wird selig." Das ist eine moderne Interpretation der Weihnachtsgeschichte, die Susanne Hochhäusler in der Gröbenzeller Zachäuskirche inszeniert hat.

Die 22 jungen Schauspieler im Alter zwischen sechs und zehn Jahren hantieren in dem Krippenspiel mit Handys. Am Ende aber dürfen alle frohlocken, die Geschichte geht glücklich aus. Nach Irrungen und Wirrungen, das haben die Besucher der Premiere bereits am vergangenen Sonntag erkannt, finden Maria und Josef eine Unterkunft. Aufs gleiche Ziel steuern die Olchinger Krippenspiel-Kinder zu, wie bei der Premiere am Freitag im Laurentius-Seniorenheim deutlich geworden ist.

Geballte Engel-Power. (Foto: Johannes Simon)

Seit dem Mittelalter sind geistliche Schauspiele dieser Art bekannt, sie sind aus den liturgischen Weihnachtsfeiern hervorgegangen. Berichte von Krippenspielen gab es erstmals im zehnten Jahrhundert. Schlagzeilen machte in jüngster Zeit die Stadt Worms: 2014 verbot sie die Aufführung eines Krippenspiels auf dem Weihnachtsmarkt, mit dem die Not moderner Flüchtlinge in den Blickpunkt gerückt werden sollte. Begründet wurde dies mit der angeblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, offenbar befürchteten die Stadtoberen, dass Politik gemacht werden sollte.

Keine Sanktionen müssen die Zackis aus Gröbenzell befürchten, auch wenn sie die Ordnung ordentlich auf den Kopf stellen und im besten Sinne Politik machen - genauer gesagt stellen sie in der Bearbeitung von Susanne Hochhäusler zunächst mal den Betriebsfrieden her. Die Organistin und Chorleiterin hat die Weihnachtsgeschichte heuer zum fünften Mal umgeschrieben, auch wenn ein paar Konstanten immer vorkommen: Maria, Josef, das Jesuskind und natürlich eine Engelschar. Alles andere aber unterliegt dem Wandel der Zeit. Da steuern die drei sonnenbebrillten Manager des Brett-und-Bohr-Konzerns per Handy die Überwachungsapp für ihre Holzfäller - die an die Stelle der Hirten getreten sind - und verhindern zunächst, dass diese der Heiligen Familie Unterschlupf gewähren. Darüber kann auch die Dauerwerbesendung nicht hinwegtäuschen, bei der drei zauberhafte Quasselstrippen alles anpreisen, was sich für Geld verkaufen lässt. Da passt es, dass der Fernsehbildschirm von Glotz-TV die ausgeschnittene Reinkarnation eines Pappkartons ist, in dem früher Möbel transportiert worden sind. Die Handlung nimmt Fahrt auf und irgendwann entscheidet sich die Engelschar mit all ihren Flügeln, schiefen Heiligenscheinen und Zahnlücken, ordentlich dazwischenzugrätschen und die bösen Buben einzunorden. Am Ende gibt es Grund zum Frohlocken: "Gloria in Excelsis Deo" ertönt es, wie das vor gut zwei Jahrtausenden auch nicht schöner geklungen haben kann. Botschaft: "Es ist nie zu spät, die Kurve zu kriegen."

Bei den Gröbenzeller Zackis brauchen die drei Herrschaften in den feinen Klamotten (l.: Philipp, Christoph und Kilian) einen"Denkanstoß". (Foto: Johannes Simon)

Im Oktober hat der evangelische Kinderchor der Zackis mit dem Üben begonnen. Bei der Generalprobe Anfang Dezember herrschte unterm Adventskranz noch Chaos und die Souffleure hatten allerhand zu tun. Da grenzt es an ein Wunder, dass am Ende alle textsicher sind. "Ich hab' mir das an den Wochenenden noch mal durchgelesen", sagt der zehn Jahre alte Kilian, der so cool ist wie der Manager, den er spielt. Dann hatte er die fünf Seiten mit den knapp 20 Zeilen an eigenen Beiträgen intus und konnte souverän und "ohne Lampenfieber" vor die 150 Zuschauer treten. Kein Wunder, dass Kilian nicht ausschließen möchte, sich im Zuge der anstehenden Berufswahl noch mit der Schauspielerei zu beschäftigen.

Parallelen zwischen Gröbenzell und Olching gibt es einige, so finden die Generalproben in der evangelischen Zachäuskirche und in der katholischen Kirche Sankt Peter und Paul am selben Tag statt. Und auch in dem Sakralbau am Nöscherplatz tauchen die Heiligen Drei Könige nicht auf: An ihre Stelle treten Herodes und zwei Minister. Allerdings gibt's in Olching die bewährten Hirten und sogar sieben Schäfchen (die von Vorschulkindern, in Auto- und Babyfelle gehüllt, gespielt werden). Und die Engel haben keine Flügel.

In der Olchinger Kirche Sankt Peter und Paul übt Kirchenmusiker Wolfgang Mann - derweil noch in Zivilkleidung. (Foto: Günther Reger)

Kirchenmusiker Wolfgang Mann ist in der komfortablen Situation, mit 37 Kindern fast jede Rolle doppelt besetzen zu können. Und deshalb kann Anika, die im Seniorenheim die Maria spielt, beruhigt in den Skiurlaub fahren. Janika schlüpft in der Kirche in ihre Rolle. Der Kirchenmusiker ist seit drei Jahrzehnten "dienstbarer Geist" der Olchinger Pfarrei und leitet dort Kinderchor, Jugendchor und Choralschule. Ohne diese Erfahrung wäre es ein hoffnungsloses Unterfangen, aus den beiden Chorgruppen mit den Mädchen und Buben im Alter zwischen fünf und 13 Jahren eine Einheit zu formen und sie auf einen Auftritt vor tausend Zuschauern vorzubereiten. Es kommt vor, dass Mann auch diplomatisches Geschick beweisen muss im Umgang mit ehrgeizigen Eltern. Vor ein paar Jahren war es, als er sich auf die Besetzung für die Rolle der Maria eingelassen hatte und dann erkannte, dass das Mädchen Lampenfieber hatte und der Aufgabe nicht gewachsen war. Da stellte Mann einfach die zweite Besetzung hinter die Maria und ließ die beiden Mädchen zusammen singen. Es kam auch schon mal vor, dass irgendwo ein Mikro fehlte. Aber "die Zuschauer verzeihen so etwas bei den Kindern immer", weiß der 59-Jährige.

Bei der Probe im holzgetäfelten Saal, zwischen Bücherregalen und im Schein von fünf Kronleuchtern, läuft zunächst auch nicht alles wie am Schnürchen. "Katherina ist krank", sagt ein Mädchen, "Emma hat Halsschmerzen", ein anderes. Und dann auch das noch: "Gustav hat keine Lust mehr." Das freilich ist die große Ausnahme. Denn Besetzungsprobleme beim Krippenspiel oder dem Musical im Sommer "gibt es nicht, die Kinder haben einen Riesenspaß, die reißen sich darum und sind motiviert", sagt Mann. Er macht den Mädchen und Buben, die im Halbkreis um ihn herum sitzen, noch klar, dass sie lauter singen müssen. Und Josephine macht er klar, dass sie "für eineinhalb Minuten richtig böse" sein muss. Josephine spielt Herodes, der nur bei der Generalprobe ausnahmsweise rosafarbene Strumpfhosen und ein gepunktetes Kleid trägt. In so einem Krippenspiel gelingt aber auch die Wandlung vom Saulus zum Paulus im Handumdrehen: Nach 90 Sekunden und einem schnellen Kostümwechsel wird aus dem garstigen Herodes ein wunderschöner Engel mit lieblicher Stimme.

Krippenspiele an Heiligabend: Olching, Sankt Peter und Paul, 17 Uhr; Gröbenzell, Zachäuskirche, 15 Uhr; weitere Krippenspiele siehe Serviceseite

© SZ vom 24.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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