Vortrag am Gymnasium:Der Mann aus dem Eis

Lesezeit: 2 min

Polarforscher Robert Schwarz berichtet in Germering von seiner Arbeit und warum er bei minus 37 Grad auch mal nackt um den Südpol läuft

Von Max Grassl, Germering

Die Aula des Carl-Spitzweg-Gymnasiums ist auf gefühlte, wohlig warme 20 Grad temperiert. Die rund 150 anwesenden Menschen lauschen vorerst den Worten des Physik- und Mathelehrers Wolfgang Dirr. Doch der Hauptdarsteller dieses Abends ist der Mann, der neben ihm steht: Robert Schwarz, gekleidet in eine Extremwetter-Arctic-Montur. Dirr erzählt, dass Schwarz schon damals, als er noch den Physik Leistungskurs bei ihm besucht habe, einen Hang zum Abenteuer hatte. Dennoch hätte er nie geahnt, dass er einmal der Mensch sein wird, der die längste Zeit am Südpol gelebt haben wird. Darüber hinaus freut es ihn, wie viele bekannte Gesichter er in den ersten Reihen sitzen und gespannt auf den Vortrag ihres früheren Klassenkameraden warten.

Inzwischen hat sich Schwarz seines Expeditionsanzug entledigt. "Langsam wird es ganz schön heiß hier drinnen," sagt er und entledigt sich in kürzester Zeit Schicht um Schicht der Spezialkleidung. Kein Wunder: Fünf Sommer und 14 Winter habe er bereits Zeit gehabt, am Südpol zu üben, sagt Schwarz. Jahresdurchschnittstemperatur: -49 Grad. Da kann einem im heimischen Winter schon mal warm werden. Seit 1996 forscht Schwarz bereits an der Amundsen-Scott-Forschungsstation nach der Entstehung des Universums.

An seiner alten Schule, dem Carl-Spitzweg-Gymnasium, zeigt Polarforscher Robert Schwarz Bilder seines Arbeitsplatzes am Südpol. (Foto: Carmen Voxbrunner)

"Die Station ähnelt einer Highschool aus den siebziger Jahren", beschreibt der 48-jährige Wissenschaftler das Innere der Gebäude, die im arktischen Sommer 2005/2006 völlig neu errichtet wurden. Zwölf Jahre habe es gedauert, bis die Einrichtung, die 150 Millionen US-Dollar gekostet haben soll, fertig war. Optimal sei sie dennoch nicht, sagt Schwarz. Wegen der arktischen Stürme habe man sie auf Stelzen errichtet, damit der Schnee unter ihr hindurch fegen kann. Das funktioniere aber nicht wirklich. "Kein Wunder, dass das so ist, denn der billigste Anbieter bekommt den Job," sagt Schwarz. Das sei letztlich ein Architektenbüro aus Hawaii gewesen, wo man etwas andere Temperaturen gewöhnt ist.

Humorvoll berichtet er auch von beschwerlichen, oft von Wartezeiten geprägten Anreisen und peniblen Sicherheitskontrollen, die an den Nerven zerrten. Vor allem, wenn man sich danach in dem Militärfrachtflugzeug, Typ Lockheed C-130, direkt neben einer großen Kiste mit Dynamit wiederfinde.

Er habe aber auch schon einmal neben einem Helikopter gesessen. Oder neben einer mehrere Kubikmeter großen Kiste "Freshies", so nennen die Forscher und Helfer Obst und Gemüse für die Station, die nach monatelangem Essen von Dosenkost oder Tiefgekühltem äußerst beliebt seien. Hungern müssen die Wissenschaftler auf keinen Fall. "Das Essen würde im Ernstfall für zwei Jahre reichen", sagt Schwarz. Das sei auch bei der Größe des Kühlraumes kein Wunder. Der Forscher bezeichnet die Lagerhalle als "größten Gefrierschrank der Welt", der zudem absolut ökologisch arbeite. Energie, um ihn zu betreiben, sei nicht nötig. Anders verhält es sich mit den eigentlichen Kühlschränken, in denen besagte "Freshies" gelagert werden. Diese müssen mit Strom, der durch Kerosingeneratoren produziert wird, beheizt werden. Diese Generatoren gelten für Schwarz und seine Kollegen als Lebensversicherung. Deswegen seien auch die Mechatroniker, neben den Ärzten, die wichtigsten Personen auf der Station.

Eiskalter Rekordhalter: Robert Schwarz ist der Mensch, der bislang am längsten am Südpol gelebt hat. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Neben der wissenschaftlichen Arbeit und dem aufwendigen Alltag auf der Forschungsstation bleibt aber auch Zeit für Unterhaltung. Wobei sich die Wissenschaftler ihrer außergewöhnlichen Stellung bewusst sind: Zum "Club 300" gehöre man, wenn die Außentemperatur minus 100 Grad Fahrenheit (-37 Grad Celsius) beträgt, man einen Saunagang mit 200 Grad Fahrenheit heißer Luft (93 Grad) absolviert und dann einmal nackt um den Geografischen Südpol rennt und dabei alle 24 Zeitzonen passiert.

© SZ vom 19.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: