Vor dem Amtsgericht:Schläge und ausländerfeindliche Parolen

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39-Jähriger muss sich wegen einer Auseinandersetzung mit vier Jugendlichen verantworten. Eine Strafe bleibt ihm aber erspart

Was genau sich am Abend des 27. August 2014 in der Puchheimer Kennedy-Siedlung zugetragen hat, war am Ende der Verhandlung nicht geklärt. Sicher ist nur, dass ein heute 39-jähriger ehemaliger Bewohner vier Jugendliche beleidigt und mindestens einen angegriffen hat. Da der Angeklagte, der seit Anfang der Neunzigerjahre 17 Mal verurteilt wurde, noch bis Mitte 2018 in Haft sitzt und Aussicht auf eine Drogentherapie hat, entschlossen sich Richter Johann Steigmayer und der Staatsanwalt, das Verfahren nach Paragraf 154 StPO einzustellen. Der entsprechende Absatz besagt, dass dies möglich ist, wenn der Angeklagte bereits eine Strafe verbüßt, die zur "Einwirkung auf den Täter [...]ausreichend erscheint".

Laut Anklage soll der 39-Jährige beim Nachmittagsspaziergang mit seinem Hund die Gruppe mit den Worten "Nigger", "Kanacke" und "Scheiß-Ausländer" beschimpft haben. Daraufhin soll er einen der Jugendlichen mit der Faust im Gesicht getroffen und mit der Hundeleine nach ihm geschlagen haben. Anschließend sei er nach Hause gegangen, um zwei große Küchenmesser zu holen, mit denen er zurückgeehrt sei und vor den Jugendlichen rumgefuchtelt habe. Dabei sollen erneut ausländerfeindliche Sprüche gefallen sein.

Der Angeklagte präsentierte dem Gericht eine andere Version: Er sei das Opfer gewesen, die Jugendlichen hätten Streit angefangen, nachdem der Hund zu ihnen gelaufen war. "Dann sind sie auf mich losgegangen und haben mich weggeschubst. Als ich auf dem Boden lag, haben sie weiter gemacht, ich bin fünf Minuten zusammengeschlagen worden." Seiner Aussage nach wurde er schwer verletzt, er habe mehrere Platzwunden im Gesicht und einen Rippenbruch erlitten. Die zuständige Polizistin konnte sich allerdings an keine sichtbaren Verletzungen erinnern, auch zum Arzt ist der Angeklagte nicht gegangen. Er erklärte, zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung bereits etwas getrunken zu haben, genauer gesagt, eine dreiviertel Flasche Wodka in sechs Stunden. "Es kann sein, dass mir Dinge rausgerutscht sind, die ich sonst nie sagen würde", sagte er. Dass er mit den Messern zurückgekehrt sein soll, daran könne er sich nicht erinnern. Allerdings erklärte die Polizistin, dass nach der Tat zwei Küchenmesser auf dem Wohnzimmertisch des Angeklagten beschlagnahmt worden seien.

Von den vier geladenen angeblichen Opfern war nur eines zur Verhandlung erschienen. Zuerst bestätigte der 17-Jährige die Geschichte der Staatsanwaltschaft. Doch Richter Steigmeyer nahm den Jugendlichen mit strengem Blick ins Verhör: "Ich habe ein Gespür dafür, wann Leute die Wahrheit sagen, ich mache das hier schon sehr lange. Und bei Ihnen habe ich kein gutes Gefühl". Ja, er und sein Freund hätten den Angreifer auch geschlagen, bis er zu Boden gegangen sei, räumte der 17-Jährige daraufhin ein. Aber der Angeklagte habe sicher zuerst geschlagen.

Dieser erklärte nach Verlesung seines Strafregisterauszugs, dass er eben eine klassische Drogenkarriere hinter sich habe. Mit 17 der erste Kontakt zu harten Drogen, danach Beschaffungskriminalität, Besitz, Handel. "Wenn ich nicht da rein geraten wäre, wäre ich wohl nie verurteilt worden". Momentan sitzt er wegen zweier früherer Vergehen in Haft, eine Therapie hat er in Aussicht. Dies und die ungeklärte Auseinandersetzung führten zur Verfahrenseinstellung.

© SZ vom 26.01.2016 / flha - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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