Verein Ärztecamp International:Hilfe über Grenzen hinweg

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Die Germeringer Krankengymnastin Dorothea Licht hat vor drei Jahren den Verein Ärztecamp International gegründet. Bei der Jahresversammlung berichten die Mediziner über ihren Einsatz in Bangladesch, Ende des Jahres geht es nach Togo.

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Jörg Hausdorf sägt in einem Krankenhaus in Dhaka einem Patienten den dicken Gips am Bein auf. "Der Schienbeinkopfbruch war nicht operiert worden, sondern konservativ eingegipst worden", erklärt der Orthopäde den Film, der bei der Jahresversammlung des Vereins Ärztecamp International gezeigt wird. Hausdorf ist sich sicher: "Orthopädische Operationen sind kaum möglich in Bangladesch." Hausdorf gehörte zu einer achtköpfigen Gruppe von Ärzten verschiedener Fachrichtungen, die im vergangenen Oktober zu einem zweiwöchigen medizinischen Einsatz nach Bangladesch gereist waren.

Der Verein Ärztecamp International hat seinen Sitz in Germering und wird von Dorothea Licht geleitet. Es ist eine kleine ärztliche Hilfsorganisation, die mit eher bescheidenen finanziellen Mitteln ausgestattet ist. Der Germeringer Verein ist mit den Möglichkeiten von "Ärzte ohne Grenzen", dem weltweiten Hilfswerk, nicht zu vergleichen. "Bei 'Ärzte ohne Grenzen' gibt es nur Einsätze, die mindestens ein Vierteljahr dauern", erläutert Licht. Viele jüngere Ärzte könnten so lange ihre Praxis nicht allein lassen oder im Krankenhaus Urlaub nehmen. Trotzdem wollten viele gerne in kürzeren Einsätzen helfen. Zudem kann "Ärzte ohne Grenzen" nicht überall sein, so dass auch kleinere Hilfsinitiativen in Afrika oder Asien bei der medizinischen Versorgung der Menschen tatkräftig mithelfen. Gebraucht werden sie allemal.

Vor drei Jahren hat die Germeringer Krankengymnastin Licht den Verein Ärztecamp International gegründet. Mittlerweile hat er 68 Mitglieder und einen Ärztepool von 31 Medizinern. Licht hatte ihr Schlüsselerlebnis auf einer Nepalreise in den Neunzigerjahren, als sie mit ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann die katastrophale medizinische Versorgung der Bevölkerung in den Dörfern beobachtete. In den Jahren 1999 und 2000 ergriff Licht, die seit 44 Jahren in Germering wohnt, die Initiative und nutzte ihre Kontakte zum Münchner Universitätsklinikum Großhadern. "Dort habe ich dann einen Vortrag vor etwa 200 Ärzten gehalten und um Mithilfe geworben", erläuterte Licht. 50 Ärzte interessierten sich anfangs für einen Einsatz in Nepal, am Ende fuhren jedoch nur zehn dorthin. In Nepal wurde dann eine Krankenstation errichtet und die Patienten aus den Dörfern behandelt. "Die Patienten wurden von uns mit Bussen in ihren Dörfern eingesammelt und später wieder zurückgefahren", erzählt Licht rückblickend.

Licht hatte ihre Ärztehilfsaktion in Nepal über die Münchner Organisation von "Plan International" organisiert. Jetzt organisierrt sie die Ärztecamps über ihren eigenen Verein . Bis auf Hausdorf waren in Bangladesch nur pensionierte Ärzte dabei. Der 46-jährige Oberarzt, Vater von drei Kindern, war von seinem Chef am Universitätsklinikum Großhadern gezielt angesprochen worden, weil er als Orthopäde auch operiert. Wie alle anderen Ärzte auch musste Hausdorf seinen Flug selbst bezahlen. Das sei für viele Kollegen schon ein Grund, sich von so einem Einsatz fernzuhalten. Hausdorf sicher: "Für viele Ärzte ist es auch häufig schwierig, beruflich frei zu bekommen. Hausdorf und seine sieben Kolleginnen und Kollegen fanden schon in der 15-Millionen-Hauptstadt Dhaka eine "katastrophal schlechte Versorgung" vor, wie Hausdorf bewertete. Die Filmbilder belegen das. Besonders die mangelhafte Hygiene im Krankenhaus, einem Medical College, ließ die Versammlungsteilnehmer kopfschüttelnd zurück. Mal fehlte auch ein passender Schraubenzieher, um ein medizinisches Gerät zum Laufen zu bringen. Ein mobiles Röntgengerät war ebenfalls nicht vorhanden, so dass orthopädische Operationen kaum möglich waren.

Trotzdem gaben alle Ärzte von Camp International, darunter eine Kinderärztin, ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt, ein Augenarzt und auch ein Zahnarzt, der sehr viel zu tun bekam, ihr Bestes. Sie behandelten auch einige der 4000 Patienten, die beim Einsturz der Textilfabrik im Jahre 2013 verletzt worden waren. Etwa tausend tote Arbeiterinnen hatte es damals gegeben. Hausdorf kümmerte sich in Dhaka, so gut er konnte, um die durchaus wissbegierigen Studenten. "Man kann nur versuchen, in kleinen Schritten die Standards für Hygiene zu erhöhen", sagt Hausdorf.

Die medizinische Versorgung ist in dem Land mit 150 Millionen Einwohnern in den Dörfern noch weitaus schwieriger als in der Hauptstadt. Das bekam die Ärztegruppe in der zweiten Woche ihres Einsatzes mit. "Ärzte verdienen in Dhaka das Zehnfache", erzählt Hausdorf, "da geht kaum einer aufs Land." Zwei Wochen medizinischer Einsatz sind natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, das weiß auch Organisatorin Dorothea Licht. "2016 werden wir wieder in Bangladesch sein", kündigte sie "Nachhaltigkeit" an. Dann wird eine Gruppe wieder in die Klinik gehen und eine auf eines der drei Hospitalschiffe, die in Bangladesch, gesponsert von der Emirates-Fluggesellschaft, dauerhaft vor Anker liegen. "Dort werden vor allem Verbrennungen behandelt, die durch häusliche Gewalt entstehen", erläuterte die Anästhesistin Christine Kufner bei der Jahreshauptversammlung von Ärztecamp International. Ehemänner und Schwiegermütter würden Frauen gezielt verbrühen.

Weitere Einsätze plant Licht in Togo im November/Dezember dieses Jahres. Burundi und Uganda sind künftige Zielorte der Hilfsorganisation aus Germering. Dafür würde Licht ihren Ärztepool gerne noch um einen Hautarzt und einen operierenden Augenarzt erweitern.

© SZ vom 29.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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