Unterricht:Brauchtum statt Auferstehung

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In eine österliche Bastelwerkstatt verwandelt sich der Unterricht der Zweitklässler der Richard-Higgins-Grundschule in Fürstenfeldbruck. (Foto: Johannes Simon)

Ostern wird in Brucker Grundschule in allgemeinen Fächern schon lange nicht mehr religiös behandelt

Von Julia Abspacher, Fürstenfeldbruck

In Sabine Gelses Klasse sitzen 22 interessierte Jungen und Mädchen. Die sind Schüler einer zweiten Klasse der Richard-Higgings-Grundschule (RHG) und blicken an diesem Tag gespannt auf die Tafel, auf die ihre Lehrerin drei Hennen mit buntem Gefieder aufgemalt hat. Ostern steht am letzten Schultag und schon die ganze Woche vor den Ferien auf dem Programm. Bis hierhin ist die Geschichte relativ unspektakulär, wären da nicht die Hintergründe der Kinder: Unter den 22 Schülern befinden sich Katholiken, Protestanten, Muslime, Mitglieder anderer Glaubensgemeinschaften oder auch Kinder, deren Familien an gar keinen Gott oder übernatürliche Kraft glauben. Laut Statistischem Bundesamt identifizieren sich nicht einmal mehr zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland als Christen, an der RHG sind sogar 25 Prozent der Schüler muslimischen Glaubens. Wie behandeln Lehrer und Schulen in diesen Zeiten ein Thema wie Ostern, das als höchster Feiertag des Christentums einen starken Bezug zu einer Religion hat, der ein Großteil der Kinder nicht angehört?

Den Zweitklässlern scheint das erst einmal nichts auszumachen. Sie lesen die Geschichte von den drei Hennen und dem "Schönsten Ei der Welt", spinnen sie fort und dichten ihre eigenen Endungen dazu. Der Unterricht um die Thematik Ostern herum sei schon immer relativ neutral gehalten worden, meint Konrektorin Gelse. Die Zeiten, in denen ein gestrenger Dorflehrer den Schülern die biblischen Geschichten zu Ostern näherbringt sind längst vorbei. Stattdessen steht der Osterhase, Eier und die vielen Brauchtümer als eher neutrale Elemente des Osterfests im Vordergrund. Die Kinder lesen Geschichten, singen Lieder, suchen nach Schokoladeneiern und basteln selbst kleine liebevolle Ostenester, die der Osterhase dann versteckt. Alle gemeinsam begeistern sie sich für die Erzählungen und Bräuche der Ostertage. "Auch die Muslime freuen sich, wenn sie ihr Osterkörbchen bekommen. Genauso wie manche erzählen, dass sie im Dezember auch einen Christbaum zu Hause stehen haben", so Gelse.

"Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden", steht im Artikel 131 der Bayerischen Verfassung. "Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung von religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen[...]. Die Schüler sind im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen." Der Freistaat und das Bildungsministerium haben also eine klare Aufgabe für ihre Lehranstalten. An der RHG vertritt auch Schulleiterin Tanja Stock die Auffassung, dass es der richtige Weg ist, Vielfalt und Offenheit zuzulassen, aber trotzdem die christlichen Grundwerte zu behalten. "Uns muss klar sein, in welchem Kulturraum wir hier leben."

Stock sitzt in ihrem Büro, hinter ihr steht eine Menora, der siebenarmige Leuchter des Judentums. An ihrer Schule mit mehr als 400 Schülern, die den westlichen Sprengel Fürstenfeldbrucks und Buchenau abdeckt, sind die unterschiedlichsten kulturellen und religiösen Hintergründe vertreten. "Alles hat hier einen Raum. Aber nicht nur wir Lehrer wollen den Kindern andere Kulturen beibringen, sie sind selbst neugierig darauf." Wenn etwa die muslimischen Mitschüler am Ende des Ramadans zum Zuckerfest zwei Tage von der Schule befreit werden können, wollen die meisten Schüler ganz genau wissen, was denn auch hierfür der Hintergrund sei. Die ganze Schulfamilie sei einfach vielfältiger geworden.

Trotzdem sind die christlichen Grundwerte und Hochfeste nach wie vor ein fester Bestandteil des Schuljahres und auch des Selbstverständnisses. Jeder neue Kreislauf beginnt im September mit Gottes Segen, wobei Vertreter des Katholizismus, der Protestanten und des Islam den Segenswunsch gemeinsam aussprechen. Nur dreimal in etlichen Jahren hätten sich Eltern bei Stock über die religiös geprägten Feste in der Schule beschwert, darunter sowohl Muslime als auch Christen aus Religionsgemeinschaften, die grundsätzlich manche Feste nicht feiern. Auch hier ließen sich aber Lösungen finden. Und so sitzen alle Schüler vergangene Woche in trauter Eintracht beieinander und basteln Osterhasen aus Kaffeefiltern.

Laut Schulamt sieht der Lehrplan in Bayern eine Behandlung des Themas Ostern in zahlreichen Fächern wie etwa Deutsch, Kunst und Musik vor, so wie das an der RHG gehandhabt wird. Über den Kontext der Karwoche und des Osterfests für Gläubige lernen die Kinder aber vor allem im Religionsunterricht. Seit einigen Jahren steht an der RHG dabei neben den klassischen religiösen Fächern und Ethik auch Islamische Unterweisung in deutscher Sprache für die muslimischen Kinder auf dem Stundenplan. In jedem der unterschiedlichen Fächer wird den Schülern dabei aber nicht nur Wissen über die jeweils namensgebende Religion vermittelt, sondern auch über andere Glaubensgemeinschaften, deren Feste und Traditionen. So wissen auch die kleinsten Mitglieder egal welcher Religion an der Grundschule schon über den Hintergrund des Osterfestes Bescheid, wenn dieses dann im gemeinsamen Unterricht wie eben Kunst oder Deutsch behandelt wird.

"Wenn ich in einem Land lebe, muss ich auch dessen Kultur kennenlernen und kann das nicht ausblenden", meint Stock. "Wenn wir im Englischunterricht Halloween und den St. Patricks Day behandeln, lernen die Schüler ja auch hier die christlichen Wurzeln der Feiertage kennen. Es ist schön zu sagen, dass an der Richard-Higgins-Grundschule mittlerweile fast so etwas wie ein globaler Geist Einzug gehalten hat."

© SZ vom 31.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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