Unser Land bei Prime Now:Gewissensfrage vor dem Mausklick

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Auf den ersten Blick scheint wenig gegen die Zusammenarbeit von Unser Land und der Amazon-Tochter zu sprechen. Dennoch sollten die Kunden sich über ihre Kaufentscheidung Gedanken machen

Kommentar von Stefan Salger

Die möglichst regionale Vermarktung ist eine gute Sache. Wenn der Konsument den Anbieter kennt und auf dem Hofladen oder im örtlichen Supermarkt Fleisch, Milch, Eier, Kartoffeln, Käse oder Honig kauft, hat das viele Vorteile: Dem Landwirt, der draußen auf den Feldern unterwegs ist, glaubt man eher, dass er weitgehend auf Spritzmittel verzichtet und seine Tiere nicht misshandelt, zudem müssen die Lebensmittel nicht über weite Strecken transportiert und aufwendig gekühlt oder abgepackt werden. Das Geld bleibt ohne Zwischenhandel in der Region, im Idealfall sogar in der eigenen Gemeinde und hilft bei der Finanzierung von Kitas oder Schulen.

Ist es für Kunden nun akzeptabel, wenn Gemeinschaften wie Brucker Land respektive die Dachorganisation Unser Land auch online anbieten? Im aktuellen Fall kooperiert Unser Land - als Reaktion auf die sich verändernden Ansprüche vieler Kunden - im überschaubaren Maß mit einem Anbieter, der online bestellte Produkte ausschließlich in München und einigen angrenzenden Gemeinden an Kunden liefert und damit in einem Bereich, der innerhalb des Absatzgebiets von Unser Land liegt. Die Regionalität ist also gewahrt. Ist es grundsätzlich besser, wenn man in den Supermarkt fahren muss? Verweigert sich unser Land neuen Vertriebswegen, würden sich dann die Online-Händler nicht einfach andere Lieferanten suchen, die möglicherweise die hohen Ansprüche von Unser Land nicht erfüllen wollen oder können? Sollte sich Unser Land entgegen aller Beteuerungen zudem entschließen, alternativ einen eigenen Lieferservice aufzubauen, dann würden zudem Doppelstrukturen geschaffen und noch mehr halb leere Kleintransporter als nötig würden übers Land touren und die Umwelt belasten.

Auf den ersten Blick scheint wenig gegen den aktuellen Versuch zu sprechen - zumindest so lange Prime Now sein Liefergebiet nicht erweitert. Und doch bleiben Bauchschmerzen. Weil die Idee von Unser Land ursprünglich auf persönlichen Kontakt setzte und nicht auf Füße hochlegen und sich beliefern lassen. Vor allem aber deshalb, weil Prime Now eine Tochter des Handelsriesen Amazon ist. Wer dort einkauft, festigt die Monopolstellung eines Unternehmens, das seine Steuern lieber dort zahlt, wo die Sätze niedrig sind, und befördert indirekt die Umstellung auf Niedriglohnjobs und Preisdrückerei bei Lieferanten. Letztlich ist es ein Zwiespalt zwischen Bauch und Kopf - es ist eine Frage der Moral und eine Gewissensfrage, die jeder Verbraucher vor dem Mausklick für sich selbst beantworten muss.

© SZ vom 09.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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