Tradition soll erhalten bleiben:Grau statt grün

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Immer mehr Vorgärten im Landkreis werden mit Kies oder Schottersteinen angelegt. Der Kreisverband für Gartenbau und Landespflege sieht dadurch Gartenkultur und Ortsbild in Gefahr

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Die Farbe grau erlebt einen wahren Aufschwung. Ganze Häuser werden anthrazitfarben gestrichen, nun erwischt es auch die Vorgärten. Dort dominieren grauer Kies und gleichfarbige Schottersteine, wo man grüne Büsche oder bunte Blumen erwarten würde. Ein Trend, der dem Fürstenfeldbrucker Kreisverband für Gartenbau und Landespflege Sorgen bereitet. "Die Umsetzung in der Praxis verdient meistens den Begriff Garten nicht mehr", sagt Horst Stegmann, Kreisfachberater im Landratsamt und Geschäftsführer beim Gartenbauverband im Landkreis.

Immer mehr Vorgärten, auch auf dem Land, würden seit einigen Jahren bei Neubauten, teilweise aber auch bei Umbauten von Häusern als Kies- oder Schottergärten gestaltet, hat Stegmann beobachtet. Ein "gewisser Trend", wie er vermutet, der sich zuletzt "mit beängstigender Dynamik" ausgebreitet habe. Als Grund, warum immer mehr Hausbesitzer ihren Eingangsbereich fast ausschließlich mit grauem Kies befüllen lassen, sieht er in der vermeintlichen Pflegeleichtigkeit, die dem Material unterstellt wird.

Zuerst waren es nur die Gabionen - mit Steinen gefüllte Drahtkörbe -, die zunächst bei der Böschungssicherung im Straßenbau verwendet wurden, dann aber auch Eingang in die Gartenkultur fanden. Immer mehr Gartenbesitzer hausen seither ihr Refugium damit ein und "grenzen unheimlich aus", sagt Stegmann. Denn niemand würde mehr in den Garten hineinsehen - mit Folgen für das gesamte Ortsbild. Das werde sich durch Gabionenwände und Kiesvorgärten erheblich negativ verändern, sagt er voraus. Auch die ökologischen Folgen einer Gartenkultur, die mehr und mehr auf Grün verzichtet, lassen nicht nur die Landschaft verarmen, sondern nehmen auch Insekten, Vögeln und anderen Tieren ein weiteres Stück Lebensraum.

Dabei sind Kiesgärten gar keine neue Erfindung, sondern von den asiatischen Gärten und den Parterres der Barock- und Rokokogärten seit Jahrhunderten bekannt. Stets sei damit entweder eine religiös-philosophische Aussage (wie bei den japanischen Gärten) oder eine politische Aussage mit einem Herrschaftsanspruch über die Natur verbunden gewesen, weiß man beim Kreisverband. Allerdings seien die privaten Gärten hierzulande bis auf wenige Exemplare, in denen versucht wurde, japanische Gartenelemente zu integrieren, bis vor kurzem noch von dieser Modeerscheinung verschont geblieben.

Eine fachliche Begründung für das Anlegen von Kiesgärten gibt es dem Kreisverband zufolge allerdings nicht, denn der Landkreis Fürstenfeldbruck sei übers Jahr gesehen gut mit Regenwasser versorgt. Standortgerechte Gehölze, Stauden, Sonnenblumen und Rasenflächen würden mit den natürlichen Niederschlagsmengen auskommen, erläutert Andreas Knoll, Vorsitzender des Kreisverbandes für Gartenbau und Landespflege. Auch länger anhaltende Trockenphasen im Sommer könnten mit einer Bewässerung, die möglichst aus Regentonnen oder Zisternen kommen sollte, überbrückt werden.

Den Pflegeaufwand eines Kiesgartens sehen die Fachleute langfristig als kaum geringer an, als wenn eine bodendeckende Bepflanzung gewählt würde. Denn durch Laub und Staub kann im Kiesgarten ein Substrat entstehen, das wiederum Unkräuter wachsen lässt. Auch die durch Umgebungsvegetation eindringenden Wurzelunkräuter könnten die Fläche unterwandern. Zudem sei es aufgrund häufig hoher Luftfeuchtigkeit wahrscheinlich, dass die Steine schließlich auch veralgen und vermoosen. Hacken oder Nachgraben bis zur Unkrautwurzel sei in den steinigen Flächen jedoch nicht möglich, weshalb die unerwünschten Aufwüchse dann aufwendig einzeln herauszogen werden müssten, erklärt Knoll.

Der Verbandsvorsitzende appelliert deshalb an die Hausbesitzer, "im eigenen Interesse bei der traditionellen, bewährten Gartenkultur zu bleiben". Diese würde auch klassische Steingärten mit ihrer Mischung aus dekorativen Steinen und bodendeckenden Pflanzen beinhalten. Kreisfachberater Horst Stegmann wird sich bei einer Veranstaltung der Brucker Volkshochschule am 9. November dem Thema Kiesgärten widmen. In schattigen Lagen, sagt Stegmann, könnten zumindest bodendeckende Stauden, die wenig Arbeit machten, einen Kiesgarten bereichern. Auch für sonnige Standorte eignen sich bestimmte Stauden wie etwa Lavendel oder Indianernessel. Ein bisschen trauert Stegmann aber schon dem bunten Bauerngarten von früher nach. Aber auch nur Rasen mit einem Baum in der Mitte sei besser als jeder Kiesvorgarten, sagt er. Denn Rasen würde im Gegensatz zu den sich aufheizenden versiegelten Flächen für Verdunstungskühlung sorgen und "ist optisch immerhin grün".

© SZ vom 14.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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