Tegernbach:Der Pizza-Bürgermeister

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Andreas Spörl hat sich vor zehn Jahren einen Ofen in seinen Garten gebaut. Seither bewirtet er Gott und die Welt mit der italienischen Spezialität - auch als Rathauschef

Von Heike A. Batzer, Tegernbach

Geburtstage, ja klar, merkt man sich. Hochzeitstage vielleicht auch. Andreas Spörl weiß indes noch ganz genau, wann er die erste Pizza in seinen selbst gebauten Ofen geschoben hat - der 14. August 2007 war's. Damit hat sich der leidenschaftliche Pizzaesser einen Herzenswunsch erfüllt und seither Gott und die Welt mit der italienischen Hefeteigspezialität bewirtet. So was spricht sich rum. 4500 Pizzen hat Spörl, der inzwischen Bürgermeister von Mittelstetten ist, in fast zehn Jahren gebacken. Zuletzt für 26 Mitglieder der Dorfbelebung Mittelstetten, die nach einer Winterwanderung an einem neblig-kalten Sonntag auf sein Grundstück am Ortsrand des Mittelstettener Ortsteils Tegernbach gekommen sind. Sie dürfen in der Garage Platz nehmen. Dort stehen statt der Autos jetzt Tisch, Stühle und aus aktuellem Anlass ein Radiator. So richtig warm wird's trotzdem nicht, aber es ist ja auch Winter.

Der Platz am Ofen draußen ist wärmer, vor allem, als Andreas Spörl das Ofentürl öffnet, um noch ein paar Holzscheite nachzulegen. Seit ein paar Stunden heizt er den Ofen an, bis der mit 400 bis 450 Grad die richtige Temperatur hat. Zwischen März und Oktober backt der 41-Jährige einmal im Monat Pizza. Die Termine stehen bereits für das ganze Jahr fest, die Gäste kommen auch aus den Nachbargemeinden. Dazu kommen noch spezielle Besuche wie eben jener des Vereins Dorfbelebung oder von Parteigenossen der CSU: Landrat Karmasin war schon da, auch die Bundestagskandidatin Katrin Staffler. Für Mai hat er 45 Mitarbeiter der VG Mammendorf eingeladen. "Ich bin ein geselliger Mensch", sagt Spörl über sich und lacht. Überhaupt, er lacht viel, das mit dem geselligen Menschen nimmt man ihm jederzeit ab.

Pizza vor gludernder Lot, äh, lodernder Glut. (Foto: Günther Reger)

Weil ihm in Italien die Pizza immer besser geschmeckt hat als hierzulande, entwickelt Spörl selbst ein kleines Backhaus. Im Internet ist damals noch nicht viel zu finden, potenziellen Nachahmern hat er es dann leichter gemacht und auf www.spoerl-online.de alle Arbeitsschritte in Wort und Bild dokumentiert. Seinen Platz findet der Ofen zwischen Garage und dem Burggraben, einem kleinen Bach, der am Grundstück in Tegernbach vorbeifließt. Alles hat sich der studierte Betriebswirt selbst ausgedacht, selbst berechnet. Eine alte Formelsammlung aus der Schule hat gute Dienste geleistet. Handwerkliches Geschick auch. "Es ist eine Art Selbstverwirklichung und auch Ehrgeiz", sagt Spörl. Für den eigentlichen Ofenraum hat er eine Kuppel aus Sand geformt und feuerfesten Schamotte-Beton darüber gegossen. Später muss der Sandhügel wieder abgetragen werden: Die Ofenform ist fertig, das Bauwerk stabil. Dann noch Verputzen und die Metalltür anbringen. Probeheizen, probebacken. Alles funktioniert.

Zwischenzeitlich wird Andreas Spörl Bürgermeister der 1700 Einwohner zählenden Gemeinde Mittelstetten. Er ist sich sicher, nicht deshalb gewählt worden zu sein, "weil ich Pizza gemacht habe". Er ist ein Seiteneinsteiger in die Politik. Der CSU-Ortsverband habe ihn, der bei der Feuerwehr ist und Schützenmeister im Schützenverein, angesprochen, ob er sich politisch engagieren wolle. Als Spörl Interesse zeigt, legen sie nach: ob er denn nicht gleich Bürgermeister werden wolle. Einen Amtsinhaber als Konkurrenten gab es bei der Wahl vor knapp drei Jahren nicht, der damalige Rathauschef Ernst Presser (BU) kandidierte nicht mehr. Spörl, ohne Erfahrung in Politik und Verwaltung, gewann mit zwanzig Prozent Vorsprung vor dem Mitbewerber.

Mittelstettens CSU-Bürgermeister Andreas Spörl ist mittlerweile für seine Bewirtungen bekannt. (Foto: Günther Reger)

Auch im neuen Amt hat Spörl, der eine Werbeagentur besitzt und eine Firma, die Dienstleistungen für Zahnarztpraxen anbietet, nicht von seinem Hobby gelassen. Bis er mit dem Teig zufrieden war, das hat ein bisschen gedauert. Mittlerweile helfen ein Rührwerk und eine Teigrollmaschine, "sonst fällt dir bei zehn Kilo der Arm ab", witzelt Spörl. Ohne Zuarbeiter freilich ist es nicht möglich, bis zu 92 Pizzen - so viele Bleche sind im Hause vorrätig - nacheinander vorzubereiten. Sohn und Tochter helfen schon mal, bei Bedarf Pizzakartons zu falten, Ehefrau Heike, den Belag aufzubringen. Schinken und frische Champignons, die Klassiker, sind die Renner, mancher aber mag auch Pizza mit Ei.

Alles hat er in Excel-Tabellen erfasst, da bricht nicht nur der Betriebswirt mit ihm durch, die Tabellen helfen auch bei der Kalkulation: "Man darf die Logistik nicht unterschätzen, die dahinter steht." Wer eine Pizza bestellt, gehört damit einer Interessengemeinschaft an und leistet einen finanziellen Beitrag. Ein Gewerbe anzumelden, bleibt Spörl so erspart.

Es dauert nur wenige Minuten, bis der Hefeteig schön knusprig und die Pizza fertig ist. Vier Stück passen gleichzeitig in den Ofen. 32 hat er für die Mitglieder der Dorfbelebung Mittelstetten vorbereitet. Es ist eine Überraschung, denn die Sonntagsausflügler "haben nicht gewusst, dass es Pizza gibt", sagt die Vereinsvorsitzende Magda Schebesta. Aber Hunger haben sie, obwohl erst Nachmittag ist. Andreas Spörl hat die Sache im Griff. Erst wenn er mal alle 92 Bleche belegen muss, "da kommst du dann schon richtig ins Rödeln", sagt er. "Aber ich hab' noch keine verbrennen lassen." Sein Pizzaofen steht inzwischen auch anderswo, Nachbauten gibt es in Kanada, Australien, Mexiko, auf den Philippinen. Sie haben ihm Fotos davon geschickt. Die Nachbarin von gegenüber braucht einen solchen Ofen nicht. "Wenn noch zwei übrig bleiben", ruft sie rüber, "dann bringst sie mir!"

© SZ vom 18.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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