SZ-Serie: Start-up, Folge 1:Campingtauglich in zwei Stunden

Lesezeit: 5 min

Sebastian Weber und Felix Wilhelm bauen in ihrer Schöngeisinger Firma "Bayerische Busmanufaktur" Möbel, die aus einem herkömmlichen VW-Bus ein Fahrzeug mit Übernachtungsmöglichkeit machen

Von Erich C. Setzwein

Sie haben schon manch Verrücktes zusammen gemacht. Sind mit alten Fahrrädern über die Alpen gefahren. Gebremst wurde mit der Stempelbremse. Solche Radeln waren das. Und auch wenn das schon ein paar Jahre her ist, so ist Sebastian Weber und Felix Wilhelm die große Freundschaft anzumerken, die durch solche Abenteuer nur stärker geworden sein muss. Jetzt sind sie nicht mehr nur gute Freunde, sie sind auch Geschäftspartner. "Babum" heißt ihre Firma, das klingt lustig, ist aber ihr voller Ernst. Und eine Abkürzung. Denn Weber und Wilhelm haben ihren Firmentraum wahr gemacht und die "Bayerische Busmanufaktur" in Schöngeising gegründet. Die beiden bauen ganz besondere Busse zum Reisen mit Maschine und Hand, es sind herkömmliche VW-Busse, die auf ihren Hof kommen und vom Besitzer als hippe Campingbusse wieder abgeholt werden.

Reisen in Vans und Minibussen ist im Trend. Das haben nicht zuletzt die "Camperboys" aus Emmering erkannt, als sie ihre Firma gründeten und in diesem Jahr 15 fertig ausgebaute Busse von VW zur Miete an den Flughafen München stellten. Der erste Reisemobilverleih an einem Airport. Wer sich den Komfort für ein paar Nächte in seinem Pkw selbst herstellen will, findet im Internet eine ganze Reihe von Basteltipps. Wer aber handwerklich nicht so geschickt ist, der lässt ausbauen. Auch da finden sich etliche Firmen rund um München. Die Ideen der Babum-Gründer, einen VW-Bus auszubauen, soll sich von der Konkurrenz abheben. Schnell und leicht sollen die nötigsten Übernachtungsmöbel ein- und ausgebaut werden können und bei der Nichtbenutzung möglichst wenig Platz beanspruchen. Holz ist der Werkstoff der Wahl. Dabei sind Felix Wilhelm und Sebastian Weber gar keine Schreiner, die das Handwerk gelernt hätten. Beide kommen aus der Industrie und setzen auf computergestützte Technik.

Eigene Werkzeuge haben Sebastian Weber (links) und Felix Wilhelm für die Fräsmaschine entwickeln lassen, das Herzstück ihrer Fertigung in Schöngeising. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Weber und Wilhelm kennen sich seit Kindergartentagen in Fürstenfeldbruck. Sie sind beide 32 Jahre alt, sie haben zusammen "viel Sport und sportlichen Unsinn" gemacht, wie Weber erzählt. Unsinn? Ja, sagt Weber, da sei die Sache mit dem Bierfass auf dem Fahrrad über die Alpen gewesen, damit seien sie sogar in die Zeitung gekommen. Wagemut, Risiko? Ein bisserl verrückt dafür müsse man schon sein, sagt Felix Wilhelm. Er wurde Tontechniker und ging zu BMW in die Akustikforschung, Weber studierte Maschinenbau und arbeitete bei MTU in Karlsfeld. Bis das Jahr 2016 kam. Neben dem Job bauten die beiden immer wieder VW-Busse für sich aus. Dabei lernten sie auch die Varianten kennen, denn Bus ist nicht gleich Bus. Verschiedene Fahrzeuglängen, der unterschiedliche Innenraum, mal mehr, mal weniger Sitzbänke - das alles sollte später wichtig werden. Die beiden erkannten, dass sie den Ausbau für den gelegentlichen Kurzurlaub auch professionell machen könnten. Ein Kick-off-Wochenende 2016 nur zu zweit war dann der Moment, eine eigene Firma zu gründen und vorerst weiter arbeiten zu gehen. Was sie bei ihrem Industriehintergrund auf keinen Fall wollten, war ein "Garagenbetrieb" neben dem Beruf. Hochwertige Materialien, leichte und beste Verarbeitung und simple Einbaumöglichkeiten, so Weber, hätten auf der Prioritätenliste gestanden und stünden dort immer noch.

Durch Bekannte fanden die Babum-Gründer in der Schöngeisinger Schreinerei von Ludwig Schmid einen Firmensitz. 15 Jahre lang sei dort nicht mehr gearbeitet worden, die Werkstatt habe so ausgesehen, als sei sie gerade verlassen worden. Einiges von dem, was das Schreiner-Handwerk ausmacht, haben Wilhelm und Weber aufgehoben. So halten sie manche Werkzeuge in Ehren und haben sie im renovierten Haus ausgestellt. Hand anlegen mussten die beiden dann doch noch, denn es galt ein Fundament zu gießen für die schwere CNC-Fräsmaschine, mit der die Bus-Möbel bearbeitet werden. Elf Tonnen Erdreich wurden mit der Hand ausgegraben und weggeschafft, um eine 45 Zentimeter dicke Stahlbetonplatte in der Werkhalle gießen zu können. Das Ganze passiert an Freitagnachmittagen und Samstagen, am Sonntag war Ruhe, und am Montag ging's wieder in die Firma. Felix Weber sagt rückblickend, dass es "ein gutes Fundament" geworden sei, und er meint das im doppelten Sinne. Es hat die beiden viel Schweiß und Kraft gekostet, alles auszuschaufeln und neu zu machen. Wieder so eine verrückte Sache.

Mit der Fräsmamaschine sägen sie hier die Aussparungen im Eichenparkett aus, damit die Sitze des VW-Busses bei Bedarf wieder eingebaut werden können. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Im November 2016, nachdem alle Vorarbeiten abgeschlossen und die Maschinen installiert waren, ging es los. Erst im Nebenerwerb, bevor sich die beiden vor anderthalb Jahren selbständig gemacht haben. Es sind "saubere Arbeitsplätze", wie sie sich Gemeinden für ihr Gewerbe wünschen. Im ersten Stock unterm Dach stehen die Computer, mit denen die große Werkzeugmaschine im Erdgeschoss programmiert wird. Computerized Numerical Control, abgekürzt CNC, heißt das in Industrie und Handwerk gängige Verfahren, das übersetzt so viel wie rechnergestützte Steuerungstechnik heißt.

Doch nicht nur die Programmierung ihrer Fräse war den beiden wichtig. Sie entwickelten auch zusammen mit der Herstellerfirma eigene Fräsköpfe, mit denen sie ihre individuellen Ausschnitte und Fräsungen vornehmen können. Denn das Material, das sie bearbeiten, ist keine schichtverleimte Platte aus dem Baumarkt. Der bevorzugte Werkstoff sind vergleichsweise dünne nanobeschichtete Multiplexplatten, die Babum aus Italien bezieht. Aus anderthalb mal drei Meter großen Platten werden zum Beispiel die Teile für das klappbare Bett gefräst, die Teile erhalten Luftschlitze und das Babum-Logo, das die Verbundenheit zu den Bergen darstellen soll, außerdem müssen die Stellen für die seewasserfesten Edelstahlbeschläge passend gefräst werden. Und weil es eben längere und kürzere Busse gibt, wird immer erst die passende Variante der Möbel am PC für die Fräse programmiert.

Das Startprodukt des Schöngeisinger Start-ups aber war nicht das Klappbett, sondern ein Aufbewahrungsmöbel, ihr "Kastl". Der "Grundbaustein", wie Weber ihn nennt. Ein sauber verleimter Stauraum mit intelligenten Details, wie etwa das ausziehbare Brett, das die Schublade zum Tisch macht. Oder das kleine Babum-Logo, das sowohl als Halter für einen Klapptisch als auch für das Bett dient. Vier Monate investierten die beiden in die Fertigungsplanung, und Wilhelm gibt zu: "Ein Schreiner würde es anders machen." Aber die Planungsarbeit sollte sich auszahlen. Jetzt ist es zwar immer noch etwas mehr als der berühmte Knopfdruck, damit aus rohem Material ein hochwertiges Produkt wird, aber die Abläufe haben sich vereinfacht.

Wenn heute ein Kunde mit seinem Bus auf den Hof vor der alten Schmid-Werkstatt rollt, um die bestellten Möbel einbauen zu lassen, dann hat er gerade genug Zeit, um im Ort essen zu gehen. Zwei Stunden veranschlagen Wilhelm und Weber inzwischen, um ein Eichenparkettboden ins Fahrzeug zu legen - freilich mit den passend gefrästen Ausschnitten für die Sitzhalterungen - und Bett und Kastl einzubauen. Ihr Trick: "Keine Bohrungen, wir verwenden nur die Gewinde, die schon vorhanden sind", sagt Weber. 30 Busse haben sie schon ausgebaut, mal den Typ Caravelle, mal den Transp orter. Die Möbel könnten im Fahrzeug belassen, aber jederzeit wieder entfernt werden, damit das Fahrzeug mit allen Sitzen oder dem Transportraum genutzt werden kann. Der Ausbau mit Bett und Kastl ist derzeit von etwa 3600 Euro an zu haben.

Ausschnitt mit Funktion: Das Firmenlogo mit Bergen und See oder Meer schafft eine Öffnung zur Lüftungsanlage des Fahrzeugs. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Wohin die Babum-Gründer nicht wollen, das ist zum Beispiel die altbackene Küchenzeile mit Spüle, Kocher und Kühlschrank im Campingbus. Andere Hersteller bieten mittlerweile Küchenblöcke zum Herausnehmen an, um vor dem Auto zu kochen und abzuwaschen. Weber und Wilhelm gehen einen anderen Weg und konstruieren ein Möbel mit ausschwenkbarem Zweiflammenkocher und Edelstahl-Wassertank. Den Prototypen hatten sie bei der Messe "Free" in diesem Jahr in München dabei. Bei der Messe habe ihr Geschäft einen Schub bekommen, sagen die beiden Gründer. Ihr Firmenkonzept jedenfalls wurde heuer beim Bayerischen Gründerpreis als preiswürdig angesehen. Und was bringt die Zukunft? Sebastian Weber und Felix Wilhelm ist da nicht bange. Vielleicht ein Ausbau in anderen Fahrzeugen. Busse gibt es ja nicht nur von VW.

www.babum.eu; Instagram: @bayerischebusmanufaktur; Facebook: @BaBuM

© SZ vom 30.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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