SZ-Serie: Sagen und Mythen, Folge 14:Geisterhunde im Maisachwinkel

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Wer seine Nachbarn mobbte, dem drohte die Verwandlung in einen schwarzen Pudel. Etwa drei solcher Tiere sollen bei Grunertshofen, Luttenwang und Hörbach nächt ens Wanderer erschreckt und angefallen haben

Von Peter Bierl, Grunertshofen

Wer in der Nacht von Grunertshofen nach Luttenwang spaziert, muss höchstens fürchten, von einem Auto überfahren zu werden. Es ist eine hügelige Altmoränenlandschaft, durchzogen von der Maisach, die streckenweise wie ein kahler Entwässerungsgraben aussieht. Dank Flurbereinigung ist die Landschaft ausgeräumt, nur vereinzelt stehen kleine Baumgruppen und Hecken herum. In der Dunkelheit würde man ein paar Autoscheinwerfer sofort ausmachen und wohl schwerlich für die feurigen Augen des schrecklichen Läalahundes halten, der einst nächtliche Wanderer anfiel.

Früher soll es zwischen Luttenwang und Grunertshofen eine Grube gegeben haben, die Läalagumpe genannt wurde. Zu Allerseelen wollen manche Leute dort kleine Lichter wahrgenommen haben, angeblich die Seelen von Verstorbenen, die dort umherirrten. Angeblich hauste in der Grube auch ein Geisterhund, ein schwarzer Pudel mit feurigen Augen, der in der Nacht Spaziergänger anfiel und manchen schrecklich zugerichtet haben soll.

Angeblich soll ein Bauer, der zu Lebzeiten heimlich Grenzsteine versetzte, nach seinem Tod in diesen Läalahund verwandelt worden sein. Weil der Betrug in der Nähe der Gumpe passierte, habe das Tier dort hausen müssen, bis es jemand durch das passende Wort erlöste. Eines Nachts kam ein Bauer aus Grunertshofen des Weges und wurde von dem Pudel angegriffen. Der Bauer sandte in höchster Not ein Stoßgebet zum Himmel, worauf das Tier von ihm abließ, aber mit eingezogenem Schwanz neben ihm herlief. Beim nächsten Feldkreuz sprach der Bauer ein Gebet und der Pudel verschwand und ward seitdem nicht mehr gesehen.

Abschreckend sollten die Sagen über die schwarzen Pudel im Maisachtal sein. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Geschichte hat der damalige Kreisheimatpfleger Wolfgang Völk aufgeschrieben. Er sammelte in den frühen Fünfzigerjahren mit großer Leidenschaft solche Geschichten, die in den Dörfern kursierten, erzählt sein Nachfolger Toni Drexler. Völk berichtete, dass Eltern ihren Kindern mit dem Hund drohten, wenn sie am Abend nicht nach Hause kommen wollten.

Es ist nicht die einzige Sage dieser Art in der Gegend. Drexlers Oma erzählte oft von einem Geisterhund, der zwischen Hörbach und Luttenwang umging. Außerdem gibt es noch die Geschichte vom "Riedlpudel", ebenfalls von Völk aufgeschrieben. Der Hund soll in einer Kiesgrube zwischen Adelshofen und Nassenhausen seinen Unterschlupf gehabt haben. Dieses Tier war nach dem Riedlmüller von Nassenhausen benannt, der für seine Sünden in einen schwarzen Hund verwandelt worden war. Angeblich soll er Nachbarn schikaniert, mit ihnen prozessiert und dabei einen Meineid geschworen haben. Auf dem Sterbebett verpflichtete er seinen Sohn, den Streit fortzuführen.

Bald darauf brannte seine Mühle ab, die Angehörigen verkauften den Rest des Anwesens und zogen weg. Eines Nachts kam der Hanslbauer aus Luttenwang von der Schranne in Bruck zurück, als bei der Kiesgrube ein schwarzer Pudel auf seine Kutsche sprang. Auf die Frage, wer er sei, soll das schwarze Tier geantwortet haben: "Ich bin der Riedl von Nassenhausen." Der Pudel heulte fürchterlich und sprang vom Wagen, als sie an jenem Graben anlangten, um den der irdische Streit des Müllers gegangen war. Der Bauer, froh darüber dem Untier glimpflich entronnen zu sein, ließ einige Messen für die arme Seele lesen. Der "Nutzwert" solcher Geschichten bestand nach Ansicht Drexlers in der Strafandrohung, entweder für Kinder, aber auch als Lehre für Erwachsene.

Des Pudels Kern

Solche Geschichten mit umherspukenden schwarzen Pudeln sind aus vielen Gegenden überliefert, etwa aus Mecklenburg, aus der Oberpfalz und aus Vorarlberg. In Großbritannien ranken sich viele Legenden um schreckliche schwarze Hunde. Ihnen hat Arthur Conan Doyle mit dem Hund von Baskerville ein literarisches Denkmal gesetzt. In Goethes Faust ist es ein schwarzer Pudel, der den Teufel verkörpert. Auf einem Osterspaziergang begegnet Faust dem Tier, das einen "Feuerstrudel" hinter sich herzuziehen scheint und ihm bis in sein Studierzimmer folgt, wo es sich in Mephisto verwandelt. Darauf geht der berühmte Ausspruch über des Pudels Kern zurück. Der schwarze Pudel ist ein fester Topos in der Sagenliteratur, sagt Kreisheimatpfleger Toni Drexler. Vielleicht hat sich Goethe von einer dieser Sagen oder einer Theateraufführung inspirieren lassen, in der so ein Tier auftrat. Wobei man sich unter einem solchen Pudel keinen getrimmten Schoßhund vorstellen darf, eher schon ein Vieh von der Größe des Schäferhundes.

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(Foto: N/A)

Schwarze Pudel können furchteinflößend sein.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Auf dem Schild steht: "Du lässt Gras wachsen für das Vieh / auch Pflanzen für den Menschen / damit er Brot gewinnt von der Erde."

Völk nutzte vermutlich die letzte Gelegenheit, solche Geschichten zu sammeln, die über Generationen mündlich weiter getragen wurden und im Zeitalter der Radio- und Fernsehunterhaltung schließlich verschwanden. Allerdings notierte er keine Namen seiner Gewährsleute oder erhob genauere Angaben. So ist auch der Standort der Läalagrube nicht überliefert. In einer Chronik von Grunertshofen von 1977 ist von einem Löhle-Pudel die Rede, der allerdings als nicht so schrecklich geschildert wird, vielmehr habe das Tier manchmal jämmerlich und jaulend an der Straße nach Luttenwang gesessen, dort wo sich eine Mulde befunden habe.

An der Abzweigung nach Adelshofen steht ein kleines Wäldchen in einer Mulde, von Schmelzwasser überschwemmt. Dort steht ein Kunstwerk aus Metallgestänge und knorrigen Holzstücken mit einem Schild, auf dem ein Bibelpsalm zu lesen ist: "Du lässt Gras wachsen für das Vieh / auch Pflanzen für den Menschen / damit er Brot gewinnt von der Erde."

Drexler vermutet, dass die Grube eher nordöstlich von Grunertshofen lag, hinter der früheren Mühle. Auf alten Karten ist eine solche Stelle angedeutet. Direkt zwischen Grunertshofen und Luttenwang ist heute nichts zu finden, was der unheimlichen Läalagumpe ähneln würde. Das besagt nicht viel, weil Menschen das Aussehen einer Landschaft in einigen Jahrzehnten komplett verändern können: Bäume werden angepflanzt und wieder abgeholzt, Erhebungen abgetragen und Gruben zugeschüttet. Zwischen den Äckern und Wiesen stehen einige große Scheunen mit Fotovoltaikanlagen.

© SZ vom 18.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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