SZ-Serie: Polit-Paare, Folge 8:Werte und Verantwortung

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In der Emmeringer Familie Schanderl haben die Kinder schon früh mitreden und mitbestimmen dürfen. Nun sitzt der jüngste Sohn Valentin mit Papa Michael im Gemeinderat. Konflikte? Fehlanzeige

Von Ingrid Hügenell, Emmering

Verantwortung zu übernehmen, das liegt bei den Schanderls in der Familie. Die Eltern Michael und Anita haben es mit den drei Kindern früh eingeübt. Die Schanderls sind eine demokratische Familie, in der über Entscheidungen gesprochen wird. Schon früh durften Katharina, Michael junior und Valentin mitbestimmen, zum Beispiel darüber, wie das Wohnzimmer eingerichtet wird oder wohin die Urlaubsreise führt. "Wir haben relativ früh mit den Kindern auf Augenhöhe diskutiert und beratschlagt", sagt Michael Schanderl senior, 56. Deshalb sei es kein Problem, dass er und sein jüngster Sohn Valentin, 23, seit Mai gemeinsam im Emmeringer Gemeinderat sitzen, beide für die Freien Wähler. Konflikte gebe es nicht. Das berichten sie im Gespräch übereinstimmend und überzeugend.

Den partnerschaftlichen Stil hat Schanderl auch als Erster Bürgermeister von Emmering gepflegt. 18 Jahre lang hatte er das Amt inne, dann entschloss er sich, nicht mehr anzutreten, auch aus gesundheitlichen Gründen. "Vielleicht wäre es schwieriger, wenn ich noch Bürgermeister wäre", sagt Michael Schanderl. "Papas Entscheidung, dass er es nimmer macht, lag vor meinem Entschluss zu kandidieren", sagt der Sohn. Sein Vater und die Emmeringer Freien Wähler seien auf ihn zugekommen und hätten ihn gefragt, ob er kandidieren wolle. Er habe überlegt, ob sich das Mandat mit seinen sonstigen Tätigkeiten vereinbaren lasse und beschlossen, dass es geht. Valentin Schanderl studiert Lebensmitteltechnologie an der Hochschule Weihenstephan und arbeitet als Werkstudent im Münchner Schlachthof. Er bewarb sich und ist nun einer der sechs Gemeinderäte der FW.

Überraschend kam das Angebot zu kandidieren nicht. Der ältere Bruder Michael saß bis zur Wahl als Nachrücker zwei Jahre im Gemeinderat und kandidierte dann für den Kreistag, allerdings erfolglos. Seit jeher sei bei allen Kindern politisches Interesse da, sagt Michael Schanderl. Denn nicht nur über interne Entscheidungen wird in der Familie diskutiert, sondern auch über Politik.

"Wenn man unseren vergleicht mit einem Durchschnittshaushalt, dann ist an unserem Küchentisch sicherlich mehr Politik vorhanden", sagt Schanderl senior. In der Gemeindepolitik gehe es ja um Themen, die das tägliche Leben betreffen. Da werde dann schon gefragt, warum eine Entscheidung im Gemeinderat so und nicht anders gefallen sei, und pro und contra argumentiert.

Neuling und alter Hase: Valentin Schanderl (links) und Michael Schanderl vor dem Emmeringer Rathaus. Der Ex-Bürgermeister ist deutlich entspannter, seit er das Amt nach 18 Jahren abgegeben hat. (Foto: Leonhard Simon)

Er als Bürgermeister und auch der Gemeinderat hätten von den Meinungen der Familienmitglieder profitiert, die oftmals besonders kritisch gewesen seien, sagt Schanderl senior. Vor allem aber gebe es in der Familie kein strategisches Denken, anders als im Gemeinderat.

Politisches Interesse ist das eine. Dass man selbst aktiv wird, geht einen Schritt weiter. Das gehört zu den Werten, die die Eltern ihren Kindern vorgelebt haben - nicht nur konsumieren, sondern selber machen, eben Verantwortung übernehmen. Michael junior und Valentin sind aktive Feuerwehrler, Valentin ist zweiter Vorsitzender des Burschenvereins. Die Mutter war 16 Jahre lang Ortsbäuerin. Für den Gemeinderat habe sie nicht kandidieren wollen. "Die Konflikte haben sie abgeschreckt", sagt Schanderl senior. "Die Mutter ist der Motor, damit alles läuft", sagt der jüngste Sohn. Er selbst hat mit Konflikten eher kein Problem. "Ich kann mit Kritik ganz gut umgehen und nehme das nicht persönlich", sagt er. Bisher sei die Kritik aber auch eher konstruktiv gewesen.

Er kann verstehen, dass es vielen nicht leicht fällt, aktiv zu werden und manche eine gewisse Schwellenangst haben. "Wenn man das nicht vorgelebt bekommt, ist es sicher schwerer, sich zu überwinden und mitzumachen." Er selbst hat fast sein ganzes bisheriges Leben gezeigt bekommen, wie das geht, sich politisch zu engagieren. Als sein Vater das erste Mal zum Bürgermeister gewählt wurde, war Valentin gerade fünf Jahre alt. Der Sohn des Bürgermeisters zu sein, das sei für ihn ganz normal gewesen, sagt er. Nach der ersten Wahl sei er stolz gewesen und habe das gleich im Kindergarten erzählen wollen. Und stolz sei er auch auf das, was der Vater für die Ortschaft vorangetrieben habe. Und er sagt es noch einmal: "Klar ist man stolz, wenn der Papa vorne steht bei einer Veranstaltung oder wenn er in der Zeitung steht." In Vereinen sei er durchaus angesprochen worden auf Entscheidungen des Vaters, Anfeindungen habe es aber nicht gegeben. Michael Schanderl sagt dazu: "Ich hab mich immer bemüht, dass sie sich nicht fremdschämen müssen. Es hat mich gefreut, wenn ein positives Feedback kam aus der Familie." Ist der Vater also ein Vorbild? "Nicht in allen Lebenslagen", erklärt der Sohn, der noch auf dem elterlichen Bauernhof lebt. "In den Lebenseinstellungen schon. Politisch hat jeder seine eigene Meinung." Konfliktträchtige Themen würden aber eher nicht am Küchentisch ausdiskutiert.

Wobei es solche auch kaum zu geben scheint. Beiden fallen keine ein, weder in der großen, noch in der Gemeindepolitik. Außer vielleicht der Neubau des Feuerwehrgerätehauses. Da hätten die beiden Söhne als aktive Feuerwehrler es begrüßt, wenn der Gemeinderat mehr Geld ausgegeben hätte, als der sparsame Bürgermeister-Vater wollte. Der gefundene Kompromiss sei aber sehr gut, sagt Valentin Schanderl, und der Senior nickt dazu.

Über Politik diskutieren alle Familienmitglieder immer noch gerne miteinander. Auch Tochter Katharina, die Älteste, teilt das Interesse. Sie kommentiert gerne, was in Nürnberg geschieht, wo sie lebt, arbeitet und selbstverständlich politische Veranstaltungen besucht. "Wir sind als Eltern zufrieden und stolz auf unsere Kinder. Sie sind zielstrebig im Beruf und übernehmen Verantwortung für sich und andere." Das habe eben mit den Werten zu tun, die man vermittle, eher unbewusst, indem man sie vorlebt. "Sie wissen schon, dass man ihnen Wurzeln und Flügel gibt und so", sagt Schanderl senior.

Michael Schanderl hat wieder mehr Zeit für die Landwirtschaft. Valentin studiert in Weihenstephan und arbeitet im Schlachthof. (Foto: Leonhard Simon)

Und was hat sich verändert, seit Michael Schanderl nicht mehr Bürgermeister ist? "Der ganze Druck ist vom Papa abgefallen, schon durch die Entscheidung", sagt der Sohn. "Er ist entspannter." Seit vier Monaten ist Michael Schanderl im Ruhestand. "Die ersten ein bis zwei Monate war es wie Urlaub", sagt er. Das habe sich gewandelt. "Das Rathaus ist abgehakt." Er widmet sich wieder mehr der Nebenerwerbslandwirtschaft, sitzt allerdings auch noch im Kreis- und im Bezirkstag. Anfangs habe er sich noch gefragt, ob seine Entscheidung richtig war. Dann habe er sich auf den Ruhestand gefreut, und jetzt, mit Corona, denke er: "Umso besser."

Bisher erschienen: Peter und Hannelore Münster, Eichenau (8./9 August), Familie Off-Nesselhauf, Germering (14./15./16. August), Erwin und Markus Fraunhofer, Jesenwang (18. August), Barbara Lackermeier und Gerhard Jilka, Schöngeising (22./23. August), Wolfgang und Sandra Andre, Germering (25. August), Katrin und Emanuel Staffler (29./30. August), Gisella Gigliotti und Manfred Sengl (1. September)

© SZ vom 05.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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